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Soros, Orban, Trump und Kurz und die große Heuchelei

Sebastian Kurz hat mit George Soros zu Abend gespeist, um die Übersiedlung der Budapester Soros-Universität nach Wien zu besprechen. Die EU-Kommission will gegen die ungarische Strafsteuer für bestimmte NGOs vorgehen. In Deutschland drohen der AfD Strafen, weil sie aus den Niederlanden Spenden bekommen hat. Noch immer fließt aus der Türkei Geld zur Finanzierung türkisch-nationalistischer Moscheen in Österreich. Donald Trump (ähnlich auch einige soziale Medien) ist durch nichts so sehr unter Druck und auch rechtlich in Bedrängnis gekommen, wie durch den Vorwurf, dass sich mit seinem Wissen Russland in die amerikanischen Präsidentenwahlen eingemischt hätte.

Mehrere scheinbar völlig unterschiedliche Vorgänge. Jedoch geht es im Grund immer das Gleiche: Wie weit hat ein Staat moralisch das Recht oder vielleicht auch die Pflicht, ausländische politische Tätigkeit auf seinem Territorium zu verbieten?

Das ist eine alles andere als banale Frage. Natürlich kann da vieles im nationalen Recht einzelner Staaten entschieden werden: Es gibt Staaten, die da alles erlauben; und es gibt Staaten, die da gar nichts erlauben.

Aber welche Regelungen sind demokratisch eigentlich besser, sind eher anzustreben? Welche Rechtsordnung agiert da unmoralisch, welche agiert dumm, welche weise, sauber und vorausschauend? Deutschland, Ungarn, Österreich, Amerika: Welches Land ist zu loben, welches zu kritisieren? Was ist da das richtige, anständige und konsistente Verhalten eines Staates, einer Gesellschaft gegenüber ausländischen Aktivitäten, gegenüber NGOs aller Art?

Die Antwort auf ein vielschichtiges Problem in mehreren Etappen:

  1. Widerlich ist jedenfalls die Anwendung von verlogenen Doppelstandards. Aber genau solche Heuchelei findet derzeit an allen Ecken und Enden statt. Der vor allem in deutschsprachigen Medien angesagte breite Meinungskonsens lautet nämlich: 
    Wenn sich linke NGOs in einem anderen Land einmischen, dann ist das edel, hilfreich und gut, dann wäre es ein Verbrechen, wenn ein Staat dagegen vorgehen würde. Wenn sich beispielsweise das – interessanterweise heute als rechts geltende – Russland in einem anderen Land einmischt, dann sei das eine Katastrophe, dann müsse dagegen mit allen Mitteln vorgegangen werden. Bei anderen Akteuren wie etwa dem amerikanischen Milliardär George Soros seien solche Einmischungen hingegen automatisch positiv zu sehen. Wenn eine Rechtspartei verdeckt Geldspenden bekommt (weshalb man ja auch nicht weiß, ob aus dem In- oder Ausland), werden deren Exponenten unter allgemeinen Empörungsrufen der Bevölkerung vor Gericht gezerrt. Bei anderen Parteien ist internationale Solidarität und Hilfe hingegen ein Beitrag zu Demokratie und Menschenrechten.
    Die Heuchelei ist offenkundig.
  2. Es kann in der Bewertung ausländischer Einmischung auch keinen Unterschied geben, ob es dabei um Aktivitäten eines Staates, eines Privatmannes oder eines Vereines (=einer NGO) geht. Wer da Unterschiede machen will, wer etwa NGOs oder Privatsponsoren erlauben will, was er Staaten verbietet, der übersieht, dass hinter so mancher NGO Staaten stehen, dass Staaten diese verdeckt oder offen finanziert und damit abhängig gemacht haben, dass sich Staaten jedenfalls auch verstärkt mit ihren Aktivitäten der Form einer NGO bedienen würden, wenn diese ein solches Privileg haben sollten.
    Es wird auch gerne übersehen, dass sich sehr oft handfeste ökonomische Interessen, auch echt kriminelle Aktivitäten wie Geldwäsche oder Schlepperei hinter solchen "privaten" Aktivitäten verstecken. So ist ja den daran gut verdienenden nahöstlichen Banden die gutmenschlich-humanitäre "Rettung" von illegalen Migranten durch NGOs aus dem Mittelmeer sehr willkommen; also wäre eine geheime Finanzierung mehr als logisch. So gibt es massive Hinweise, dass ein großer japanischer Hybridauto-Produzent die deutsche "Umwelthilfe" finanziert, die wiederum bei Gerichten Fahrverbote für Diesel-Autos in deutschen Städten durchsetzt.
    Das ist in Deutschland anscheinend legal, während Geldspenden aus den Niederlanden für die AfD offenbar ein Verbrechen sind.
  3. Die einzige Differenzierung zwischen einzelnen Aktivitäten aus dem Ausland, die akzeptabel wäre: Grenzübergreifende Spenden, Hilfen, Subventionen könnten zwischen EU-Ländern als zulässig gelten (oder etwa auch zwischen Nato-Verbündeten), wenn sie von außerhalb der EU kommen, jedoch als illegal. Aber eine solche gesetzliche Differenzierung würde erst recht japanische Spenden für illegal erklären, niederländische jedoch als legal ansehen.
  4. Die diplomatischen Vertretungen von Staaten haben seit langem einen privilegierten Schutz gegen jegliche Verfolgung; sie haben aber keinerlei völkerrechtlichen Anspruch darauf, im Gaststaat in der Politik mitmischen  oder Propaganda zu machen zu dürfen. Was aber sehr viele tun, und was auch oft schon deshalb toleriert wird, weil es ja auch in der Gegenrichtung betrieben wird. Es ist aber unbestritten, dass jeder Staat an sich das Recht hat, ausländischen Botschaften diesbezüglich auch strenge Vorschriften machen zu können. Eines Rechtsstaats unwürdig wäre es jedoch, einer Botschaft etwas zu erlauben, was man einer anderen verbietet.
    Botschaften sind eigentlich nur dazu da, damit sich eine Regierung über die Vorgänge in einem anderen Land informiert halten kann, damit Regierungen untereinander Kontakte halten können. Alles andere ist im Bereich des Tolerierten.
  5. Bei jeder ausländischen Aktivität gilt: Je klarer erkenntlich der Absender ist, umso unbedenklicher ist diese. Wenn beispielsweise die Botschaft des Landes X Propagandamaterial vertreibt, wo der Urheber erkenntlich ist, ist das problemlos.
  6. Völlig problemlos ist es aber auch, wenn ein Staat NGOs bestraft, wenn sie etwas unterstützen, was nach den Gesetzen dieses Staates verboten ist. Ungarn etwa hat über NGOs eine Strafsteuer verhängt, wenn sie illegale Migranten unterstützen. Ungarn hätte zweifellos moralisch sogar das Recht, solchen NGOs die Tätigkeit ganz zu verbieten.
  7. Diese können sich dabei auch nicht auf irgendwelche höherwertigen Rechtsgüter berufen. Denn würde man das akzeptieren, dann gäbe es ein unbegrenztes Interventionsrecht zugunsten von letztlich nicht nur rechtsbrechenden, sondern sogar gewalttätigen Aktionen. Ein solches Recht steht rein völkerrechtlich nur bei Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates zu und nur anderen Staaten, rein moralisch nur bei ganz massiven und großangelegten Verstößen gegen die Humanität, also vor allem bei Völkermord, oder wenn ein militärischer Angriff mit Massenvernichtungswaffen droht.
  8. Jeder Staat hat moralisch das Recht – aber nicht die Pflicht –, allen aus dem Ausland kommenden Organisationen und Personen jegliche direkte oder indirekte Einmischung in die Innenpolitik zu verbieten. Es wäre jedoch ein schwerer Verstoß gegen die Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaat, würde dabei selektiv vorgegangen, dass also die einen dürfen, die anderen nicht. Zum Schutz der eigenen Sicherheit und Bevölkerung sollte aus nationalem Interesse heraus aber jeder Staat jedenfalls dabei sehr vorsichtig vorgehen, wenn er auslandsfinanzierten NGOs Aktivitäten erlaubt.
  9. Umgekehrt sollte es so gut wie keine Einschränkungen der Meinungsfreiheit oder Tätigkeit für irgendwelche rein inländische Akteure geben.
  10. Bei ausländischen Geldflüssen hat aber auch jeder Staat das Recht zu unterscheiden, ob dieses Geld für die eigene Sicherheit bedrohlich wirken könnte. Und das ist bei den türkischen und arabischen Geldflüssen an offizielle und illegale Moscheen eindeutig der Fall. Dann hat der Staat eindeutig das Recht (und seinen eigenen Bürgern gegenüber sogar die Pflicht!) hier sehr wohl Unterschiede zu machen und gegen diese Geldflüsse energisch durchzugreifen.
  11. Ganz entscheidend, wenn alle irgendwie politisch relevanten Aktivitäten sauber und korruptionsfrei ablaufen sollen, sind völlige Transparenz aller im politischen Raum tätigen aus- wie inländischen Organisationen UND Neutralität des Staates. Eine moralisch korrekte Lösung würde also vor allem bedeuten:
    • Völlige Transparenz der Finanzierung von NGOs, Religionsgemeinschaften und Vereinen aller Art, ob aus- oder inländisch,
    • personelle Transparenz (daher ist es auch völlig legitim, wenn Österreich von NGOs wenigstens 100 Namen verlangt, gibt doch die österreichische Rechtsordnung diesen NGOs viele rechtlich privilegierte Möglichkeiten),
    • diese Transparenz hat sich auch komplett auf die Finanzierung politischer Parteien zu beziehen,
    • keinerlei Steuermittel für Inserate, die nicht streng objektiviert – sowohl in Hinblick auf den Inhalt wie auch das Vergaberecht – vergeben werden,
    • keinerlei staatliche Geldmittel für im weitesten Sinn politisch aktive Vereine und NGOs – etwa wenn sie politische Kommentare und Aussendungen machen,
    • Organisationen, die sich sozial, humanitär, umweltpflegend oder rein wissenschaftlich betätigen, dürfen – und sollen – staatlich unterstützt werden, sie sollten auch ausländische Geldmittel annehmen dürfen, sie müssen sich aber jeder öffentlichen politischen Aussage enthalten (wie es schon seit dem 19. Jahrhundert in der Regel sehr vorbildlich die weitaus wohl effizienteste humanitäre Organisation macht, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz; oder auch die Malteser),
    • Parteifinanzierung in Maßen(!) ist demokratiepolitisch ok. Sie darf aber nur auf Grund korrekter Wahlergebnisse erfolgen,
    • eine auch nur indirekte Parteifinanzierung – durch Geldflüsse oder durch Aktionen im Interesse und zum strategischen Nutzen einer Partei – ist für Organisationen mit staatlichem Charakter (also etwa für Kammern mit Pflichtmitgliedschaft) rechtsstaatlich und demokratiepolitisch extrem bedenklich und sollte unterbunden werden,
    • Parteispenden durch Privatpersonen sind in Ordnung, sollten aber limitiert werden, damit nicht Abhängigkeiten entstehen,
    • die gesetzliche Limitierung von Wahlkampfausgaben kann eine sinnvolle Maßnahme sein, aber eben nur, wenn wirklich volle Transparenz herrscht.

Der Fall Soros

Was bedeuten nun all diese Eckpfeiler eines wirklich korrekten Verhaltens konkret heruntergebrochen auf die Person George Soros, die derzeit wieder für Aufsehen sorgt, und auch auf seinen Plan, seine Budapester Universität nach Wien zu übersiedeln? Auch hier sei die Antwort in mehreren Punkten präzisiert:

  1. Die umfangreichen Geldspenden des Mannes für nichtpolitische Zwecke sind absolut lobenswert – auch wenn jedes Land das Recht hat, volle Kontrolle und Transparenz darüber zu verlangen.
  2. Die Tätigkeit von politisch aktiven NGOs, die Soros (oder sonst irgendein Ausländer!) subventioniert, sollten von jedem Land, das auf sich hält, unterbunden werden.
  3. Die Gründung einer Universität kann zwischen diesen beiden Polen durchaus genehmigt werden. Jedoch gilt das Neutralitätsgebot der ersten beiden Punkte natürlich auch für diese Universität. Es kann auch nicht durch gutachterliche und ähnliche Tätigkeiten der dort tätigen Professoren durchbrochen werden. Daher ist auch bei den Rahmengesetzen für eine solche Universität sehr darauf zu achten, dass diese sich primär in den naturwissenschaftlichen, medizinischen und ökonomischen Disziplinen bewegt, und dass sie nicht in die weltanschaulich relevanten Fächer hineingeht (ganz abgesehen davon, dass es hierzulande schon ein gewaltiges Überangebot von Absolventen solcher Fächer gibt).
  4. Es darf keine staatliche Finanzierung einer Privatuniversität geben.
  5. Widerlich und strikt zu bekämpfen ist jedes antisemitische Motiv, ist jeder solche Unterton bei eventueller Kritik an Aktivitäten von Soros. Ebenso strikt abzulehnen ist aber auch die Strategie, Kritik an Soros zu verhindern, indem sie automatisch als antisemitisch verpönt wird.
  6. Soros ist durch Unterstützung für mehrere Organisationen bekannt, die sich in der "Flüchtlings"-Hilfe betätigen. Das aber kann nur heißen, dass solche Organisationen einem strengen rechtlichen Reglement zu unterwerfen oder auch zu verbieten sind. Nicht aber dass Soros als Ganzes diffamiert werden darf. Er kann sich subjektiv zweifellos auf gute Absichten berufen – wie viele der österreichischen Medien, Gutmenschen, NGOs und (Links-)Parteien, die sich zumindest eine Zeitlang bei der Förderung der Migration engagiert haben. Ein Staat hat aber jedes Recht, die Umsetzung solcher Absichten zu verhindern, wenn er sie als objektiv schädlich oder den eigenen Interessen des Staates zuwiderlaufend erkannt hat.
  7. Daher war und ist Ungarn bei allen Maßnahmen absolut im Recht, die direkt oder indirekt migrationsfördernden Aktionen von Soros unterbinden. Daher war und ist Ungarn absolut im Unrecht, wenn es diese Maßnahmen als "Stopp-Soros-Gesetz" bezeichnet. Es ist zwar marketingmäßig ein alter Trick, wenn man das personalisiert, wogegen man kämpft. Das ist aber objektiv grob verzerrend, weil auch viele andere Aktivisten die Migration fördern. Und das ist damit wohl ein unterschwellig antisemitischer Untergriff. Auch wenn Soros gerade in Ungarn, seinem Herkunftsland, den Eindruck erweckt hat, da fände "Der Besuch der Alten Dame" im Sinne von Dürrenmatt statt.
  8. Andererseits sollte man sich auch bewusst bleiben, dass auch Israel schon deutlich Kritik an Soros geübt hat.
  9. Weshalb es auch eher fraglich ist, dass das insgeheim hinter den Übersiedlungsplänen Österreichs liegende Motiv zum Erfolg kommt, nämlich durch solche Gesten eine Beendigung der absurden Anti-FPÖ-Boykott-Politik Israels zu erreichen.
  10. Eher riskiert Österreich damit eine Verschlechterung der Beziehungen zu Ungarn.

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