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Man steckt ein, man steckt ein

Der sogenannte Grasser-Prozess hat zwar weitestgehend die öffentliche Aufmerksamkeit verloren, hat er doch bisher nicht das zustandegebracht, was sich die Staatsanwaltschaft gewünscht hat. Dafür aber hat der Prozess – ganz ohne Zusammenhang mit diesem Vorwurf – andere Dinge ans Tageslicht gespült, die einen schlimmen, einen widerlichen Einblick in die Realität dieses Landes vermitteln. Die man zwar geahnt, aber noch nie in dieser Deutlichkeit gesehen hat. Eigentlich sollten sie dringender Anlass sein, über grundlegende Änderungen wichtiger Strukturen dieses Landes nachzudenken, damit solches nicht mehr passieren kann. Was aber niemand tut.

In den eigentlichen und vielpublizierten Anschuldigungen gegen den einstigen Finanzminister Karl-Heinz Grasser, bestechlich gewesen zu sein und deshalb einem Bieter für die zu privatisierende Buwog die Höhe des Gebots eines anderen Bieters verraten zu haben, fehlt weiterhin jeder echte Beweis. Das bedeutet freilich keineswegs, dass diese Richterin, deren Mann über Grasser schon seit längerem Hassbotschaften verbreitet hat, den Ex-Politiker nicht doch in erster Instanz verurteilen wird.

Dafür ist aber jetzt etwas anderes deutlicher denn je offenkundig geworden: Das ist die Unverschämtheit, mit der alle drei großen Parteien, also ÖVP, SPÖ und FPÖ, die Telekom als Selbstbedienungsladen für Parteifinanzierungszwecke benutzt haben. Sie sahen das geradezu als ihr selbstverständliches Recht an. Und die Telekom-Spitze hat es umgekehrt als ihre geradezu selbstverständliche Pflicht angesehen zu zahlen.

Das muss jeden Kunden, jeden Steuerzahler – und erst recht jeden Telekom-Kleinaktionär – zur Weißglut treiben. Denn:

  • Die Parteien kassieren nicht nur im internationalen Vergleich ungemein hohe Partei-, Akademie- und Klubsubventionen auf direktem Weg über Gesetze, die sie selbst produziert haben.
  • Sie vergeben auch Hunderte Millionen Steuergeld an Subventionen an oft sehr parteinahe Vereine, Organisationen und NGOs (zusammen mit den Ländern sind es sogar Milliarden).
  • Sie zwingen fast alle Österreicher, in einer Kammer Mitglied zu sein, von denen zwei ebenfalls indirekte Parteifinanzierung betreiben (überdies müssen viele Österreicher im Laufe ihres Lebens Tausende Euro für die Arbeiterkammer zahlen, ohne dass es am Gehaltszettel zu lesen wäre, und ohne dass sie irgendeine Gegenleistung erhalten hätten).
  • Sie bestechen alljährlich mit dreistelligen Millionenbeträgen aus Steuergeldern willfährige Medien.
  • Und jetzt ist klar: Sie greifen auch noch hinterrücks mit großer Selbstverständlichkeit in die Kassen staatsnaher Unternehmen. Und diese wiederum sehen oft gar keine Alternative, als die Begehrlichkeiten der Parteien zu erfüllen.

Zorn, Wut, Ärger ergreift da den Bürger. Zumindest wenn er das alles erfahren würde. Die Medien wollen das freilich gar nicht so richtig aufdecken, profitieren sie doch selber von diesem System. Und außerdem sind sie nur an der Jagd auf Grasser interessiert.

Aber was kann der Bürger schon tun, werfen da manche durchaus berechtigt ein. Nun, es gibt, es gäbe drei wirkungsvolle Strategien zur Änderungen der Staatsstrukturen, die erreichen würden, dass Österreich endlich eine normale, saubere westliche Demokratie wird. Und dass der Balkan erst außerhalb der Staatsgrenzen beginnt. Das Problem ist nur: Alle drei Strategien können nur durch das Parlament realisiert werden. Aber dort werden sie von den Parteien blockiert.

Und selbst die beiden Rechtsparteien scheinen sie vergessen zu haben, obwohl sie diese Strategien einst zumindest zum Teil auf dem Programm hatten.

Die da sind:

  1. Eine Privatisierung aller verbliebenen Staatsbetriebe: Das würde dafür sorgen, dass es keine Möglichkeit mehr gäbe, sich so einfach wie bei der Telekom zu bedienen (was wohl auch bei anderen Staatsbetrieben geschieht, wo es vermutlich nur nicht aufgeflogen ist). Bei wirklich privaten Unternehmen gäbe es keine Vorstände, die ihre Karriere – und deren künftige Verlängerung! – von Entschlüssen eines Parteipolitikers abhängig wissen. Die letzte schwarz-blaue Regierung war da noch sehr dahinter. Die jetzige zeigt jedoch Null Interesse daran und schachtelt statt dessen die Staatsbetriebe wieder einmal um. Als ob das helfen würde, wenn aus einer GmbH eine AG wird. Als ob es beim letzten Mal geholfen hätte, wenn aus einer AG eine GmbH gemacht worden ist. Und für die Linke sind ja Privatisierungen sowieso die übelste Ketzerei.
  2. Abschaffung der völlig überflüssigen Arbeiterkammer, Abschaffung der Gewerbeordnung und Reduktion der Wirtschaftskammer auf die wirklichen Dienstleistungen für die Wirtschaft. Die anderen kleineren Kammern haben hingegen durchaus weiter Lebensberechtigung. Denn sie dienen nicht der Parteifinanzierung, sondern sie sind im Gegenteil ein Schutz der beruflichen Autonomie und Selbstregelung von Ärzten, Notaren, Apothekern, Rechtsanwälten usw. gegen staatliche – und damit immer parteipolitische – Einmischung. Die letzte schwarz-blaue Regierung hat das wenigstens noch intensiv diskutiert. Die jetzige tut nicht einmal das.
  3. Eine echte Direkte Demokratie nach Schweizer Muster. Das würde dafür sorgen, dass jeder aufgedeckte Missstand sehr schnell beseitigt würde. ÖVP, FPÖ und Grüne waren zwar einst für die Direkte Demokratie. Heute aber haben sie das Vorhaben weitestgehend schubladisiert.

Aber freilich: Solange die Parteien keinen echten Druck der Wähler spüren, haben sie Null Interesse, daran, auch nur irgendetwas zu ändern. Sie machen lieber Dinge, die überhaupt nichts ändern werden, die sie aber glauben gut verkaufen zu können wie strengere Strafen für Korruption oder noch mehr Kontrollinstitutionen.

In der "Nacht in Venedig" heißt es: "Solch ein Wirtshaus lob ich mir! - Man steckt ein". Im Wirthaus Österreich braucht man offenbar gar keine Nacht dazu, um einzustecken.

In einem alten österreichischen Spruch heißt es: Es muss immer erst etwas geschehen, bevor etwas geschieht. Also warten wir, bis etwas geschieht. 

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