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Ein tief gespaltenes Amerika

Amerika wird nach dieser Kongresswahl nicht leichter regierungsfähig werden. Wohl kann Präsident Trump über die Vermehrung der Republikaner im Senat jubeln, aber die neue, wenn auch knappe demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus wird ihm zugleich das Leben enorm erschweren. Sie bietet ihm freilich auch eine perfekte Gelegenheit, den Demokraten die Schuld daran zu geben, wenn er etliches seiner oft allzu großen Töne nicht realisieren kann – so wie jetzt schon der eigentlich republikanische Kongress den Bau einer riesigen Mauer an der amerikanischen Südgrenze verhindert hat, die eigentlich sein Hauptanliegen gewesen ist. Zugleich ist der Wahlausgang aber auch ein klarer Dämpfer für die Trump-Hasser.

Denn er zeigt glasklar: Trump hat viel mehr Unterstützung, als der allergrößte Teil der Medienberichterstattung widerspiegelt. Man kann ihm zwar zu Recht vorwerfen, dass er praktisch ständig Wahlkampf führt und dass er diesen geradezu liebt. Aber er hat ein exzellentes Gespür für das, was die Mitte Amerikas will. Und deshalb ist auch der Dämpfer, den fast jeder Präsident bei den sogenannten Midterm-Wahl erfährt, recht schwach ausgefallen.

Lügt er nicht ständig? Ist er nicht ein eitler Aufschneider? So werden nun manche einwenden. Ja, das tut er – nur lügen die militanten Trump-Hasser genauso. Bei denen die Medien an der Spitze stehen. So haben sie auch in den allerletzten Tagen nicht oder nur ganz in einen neuerlichen Angriff auf Trump versteckt gemeldet, dass zumindest eine der Frauen, die den von Trump ans Höchstgericht gebrachten Richter Kavanaugh vor seiner Bestellung sexueller Übergriffe beschuldigt hatte, nun zugegeben hat, gelogen zu haben und sich aus Hass auf Trump an die breit berichteten Anschuldigungen der Psychologie-Professorin Ford gegen Kavanaugh angehängt zu haben.

Und vor allem hat Trump eindeutige Erfolge erzielt:

  • Er hat die amerikanische Wirtschaft – wenn auch mit einem gewaltigen Budgetdefizit – stärker in Gang gebracht, als sie seit Jahrzehnten war.
  • Er hat mit seinen Sanktionen und Drohungen gegen China, Nordkorea und die EU die jeweilige Gegenseite konzessionsbereit gemacht – wenn auch bis auf Mexiko noch nirgendwo ein wirklicher abschließender Erfolg erzielt worden ist.
  • Er hat deutlich weniger Kriegsakte befohlen als sein Vorgänger, der Friedensnobelpreisträger, – auch wenn er oft martialisch spricht und die US-Armee sehr liebt und fördert.
  • Und seine ursprüngliche Intention einer breiten Verständigung mit Russland ist (bei aller Kritik an einem undemokratisch werdenden und Eroberungen machenden Russland) eindeutig richtig – auch wenn er dabei zuletzt unter dem Druck abstruser Vorwürfe, dass sich Moskau verbotenerweise in den US-Wahlkampf einmische, etwas zurückgesteckt hat.

Trump ist vor allem das Gegenmodell zum typischen Politiker. Was viele Unterschicht-Wähler stark motiviert. Er ist aber auch ein Mann der Wirtschaft und der Job-Schaffung, was ihm auch in Oberschichten hilft.

Die Demokraten sind hingegen stärker denn je in die Rolle einer Akkumulation diverser Minderheiten gerutscht. Das machen einige personelle Konstellationen nach dieser Wahl besonders deutlich: So die Wahl der ersten zwei muslimischen Frauen. So die erstmalige Wahl zweier indigener Abgeordneten. So die erstmalige Wahl des ersten offen homosexuellen Gouverneurs.

Aus dieser – rein rechnerisch durchaus erfolgreichen – Addition von Minderheiten wird es nun nicht gerade einfach werden, selbst eine politische Linie zu entwickeln, und vor allem einen alle ansprechenden Gegenkandidaten zu Trump für die nächste Wahl zu entwickeln. Denn es kann keine Frage sein: Der Wahlkampf für diese Präsidentenwahl hat unmittelbar mit diesen Midterm-Wahlen schon wieder begonnen. Durch dieses US-System knapper Abstände zwischen wichtigen Wahlen gibt es nie das, was es in der europäischen Politik gibt: eine Phase, in der man unpopuläre, aber notwendig erscheinende Dinge durchzieht, bevor man sich wieder aufs Populäre konzentriert.

Freilich: Auch Trump sollte sich vor einem sorgen: Ewig kann die Hochkonjunktur nicht anhalten. Und dann werden die zentralen Motive seiner Unterstützer dahinschmelzen.

Amerika hat schon öfters Perioden durchgemacht, wo der Präsident und die Mehrheit zumindest einer Kammer des Parlaments unterschiedlichen Parteien zugehört. Das entspricht dem
Gleichgewichtsdenken etlicher Wähler, vor allem solcher ohne klare politische Orientierung. Ihr Ziel ist daher vor allem: Nie soll eine Richtung zu mächtig werden. Die USA haben daher auch schon etliche Erfahrung mit einer solchen "Cohabitation".

Das Ergebnis ist aber meist ein nicht sonderlich überzeugendes. Denn es führt meist zu Blockade-Situationen. Es ist in Österreich mit den Phasen einer großen Koalition vergleichbar, wo es immer wieder Stillstand gegeben hat - obwohl das österreichische Verfassungsrecht eigentlich ganz klar auf die Entscheidungsfähigkeit abzielt: Relevant ist laut dieser Verfassung einzig die Mehrheit im Nationalrat und nicht ein kompliziertes Check-and-Balances wie in den USA zwischen Präsident und zwei mächtigen Parlamentskammern sowie einem besonders mächtigen Supreme Court. In Österreich hingegen kann der Bundespräsident nur ein wenig Sand ins Getriebe werfen, und da ist der Bundesrat überhaupt überflüssig. Problematisch wirkt sich hingegen das Verhältniswahlrecht aus, das fast immer zu Koalitionen zwischen zwei Parteien zwingt, in Deutschland sogar zwischen drei (oder vielleicht bald vier).

Die Hoffnung der Gleichgewichtswähler - egal in welchem Verfassungssystem -, dass sie sich "schon zusammenraufen" werden, erfüllt sich nur selten in positiver Hinsicht. Niemand fühlt sich dann fürs Ganze verantwortlich. Jede Gruppe versucht meist möglichst viel - im Sinne eines "do, ut des" - für ihre Anhängergruppen herauszureißen. Das führt meist zu fürs kollektive Wohl schlechten Ergebnissen. Das Allerschlimmste aber ist, wenn es in solchen Situationen zu ständigen gegenseitigen Blockaden oder gar zum Kampf kommt, wie es etwa ein das Land völlig lähmendes Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten wäre.

Als Österreicher sollte man sich aber bei aller Faszination über Amerika bewusst sein: Für unsere Zukunft sind die aktuellen Entscheidungen in der deutschen Politik, aber noch viel mehr die EU-Wahlen im kommenden Frühjahr eindeutig wichtiger.

Denn auch wenn es die Trump-Hasser nicht gerne hören: Es gibt nichts in der amerikanischen Politik, was einem unmittelbar Sorgen machen müsste.

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