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Die guten Jahre der Gewerkschaft sind vorbei (nur weiß sie es noch nicht)

Es war seit dem Sommer völlig klar: Der ÖGB will aus Rache an der Regierung Streiks. Jetzt finden sie eben statt, so weit der ÖGB halt noch streiken kann. Und jetzt schäumt er ganz besonders, weil ihm die Regierung nicht in die Falle geht.

Die Wahrheit ist jedenfalls: Der ÖGB ist in einer existenziellen Krise. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Aus vielen Gründen:

  1. Die Zeiten, als in Österreich nichts ohne ihn, vulgo die Sozialpartner gegangen ist, sind endgültig vorbei. Das waren Zeiten, in denen der ÖGB selbst die Sparzinsen diktiert hatte (weil er damals noch wusste, dass auch die Arbeiter längst etwas zu verlieren haben).
  2. Die Arbeiter wählen in großer Mehrheit die FPÖ und nicht mehr die SPÖ, die lange geradezu identisch mit der Gewerkschaft war.
  3. Die Mitgliederzahlen sind nach ÖGB-eigenen Angaben von 1,7 auf 1,2 Millionen gesunken. Trotz ständig steigender Arbeitnehmerzahlen.
  4. Und selbst bei diesen stark geschrumpften Werten hegen etliche Insider die Vermutung, dass da viele Karteileichen mitgeschleppt werden.
  5. Überdies ist ausgerechnet die Beamtengewerkschaft GÖD die einzige, die noch kontinuierliche Wachstumszahlen hat – das ist aber die einzige "schwarze" Gewerkschaft. Ohne den öffentlichen Dienst wäre der ÖGB also noch viel stärker als siech erkennbar. Denn nur bei den Beamten gibt es ein sehr starres Gehaltsschema.
  6. In der Privatwirtschaft hingegen wird der Anteil der Menschen, die starr und nur nach dem von der Gewerkschaft ausgehandelten Kollektivvertrag bezahlt werden, immer kleiner. Das ist  die logische Folge des rasch wachsenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften – meist Facharbeitern – in immer mehr Branchen, wie etwa der extrem boomenden Bauindustrie. Viele Firmen müssen gesuchten Mitarbeitern daher deutlich mehr zahlen als den Kollektivvertrag, um sie an sich zu binden. Solche Arbeitnehmer sind daher in Hinblick auf die eigenen Bezüge Null an der Gewerkschaft interessiert.
  7. Immer mehr erkennen die Arbeitnehmer, dass sie für ihre Zwangsmitgliedschaften in der Arbeiterkammer ohnedies viel Geld zahlen müssen, sodass die Gewerkschaft immer mehr überflüssig wird.

Alleine diese Mehrfachkrise ist für den ÖGB dramatisch genug. Dazu kommt, dass das Alter Ego der Gewerkschaft, die SPÖ, jetzt nicht mehr in der Regierung sitzt.

Das größte Problem für die Gewerkschaften ist aber, dass die Regierung es vor dem Sommer gewagt hatte, eine Arbeitszeitreform zu machen, die die Stellung der meist gewerkschaftsnahen Betriebsräte geschwächt hat, weil diese jetzt nicht mehr in einer Veto-Position sitzen, wo sie bestimmten Arbeitgebern, die ihnen nicht passen, einen obligatorischen 12-Stunden-Arbeitstag verbieten können, den sie anderen, ihnen genehmen Arbeitgebern wie den ÖBB hingegen schon seit vielen Jahren genehmigt haben.

Diese Arbeitszeit-Reform hat die weitaus heftigsten Proteste von SPÖ und ÖGB überhaupt seit ihrem Machtverlust ausgelöst. Sie haben geglaubt, ausgerechnet mit diesem Thema punkten zu können (was die Umfragen freilich keineswegs bestätigt haben). Schon im Sommer hatten sie deshalb jedenfalls als Rache einen heißen Herbst angekündigt. Was in der Gewerkschaftssprache Streiks heißt.

Diese müssen daher jetzt auch stattfinden, wollen die Gewerkschaften nicht völlig das Gesicht verlieren. Daher erheben sie mit fünf Prozent auch seit Monaten ungewöhnlich hohe Lohnforderungen, die einen Erfolg am üblichen Verhandlungstisch praktisch ausgeschlossen haben.

Auffallend ist, dass die Koalitionsparteien bisher kein einziges kritisches Wort zu den Streikdrohungen gesagt haben. Damit geht die Intention von SPÖ/ÖGB ziemlich ins Leere, die Lohnrunden zu politischen Streiks eskalieren zu lassen, die den Zorn auf die Regierung schüren sollten.

Interessant wird aber auch sein, wieweit die Streiks wirklich gehen können, wieweit sie befolgt werden. Denn wirkliche Streiklust herrscht ganz eindeutig nicht unter der Belegschaft, auch wenn die Funktionäre noch so exaltiert und aufgeregt auftreten. Die Arbeiter spüren, dass es dem ÖGB vor allem um Rache für das Arbeitszeitgesetz geht, das aber vielen Arbeitern durchaus angenehm ist.

Die gut verdienenden – weil richtig qualifizierten – Arbeitskräfte brauchen keine Streiks. Sie fürchten vielmehr um Einkommensverluste während der Streiks.

Es gibt aber auch eindeutig schlecht verdienende Arbeitnehmer. Die haben wieder aus ganz anderen Gründen wenig Lust zu streiken. Denn sie sind in kriselnden Branchen aktiv, wie etwa dem Handel. Dieser steht mit dem Rücken zur Wand und kann von den Wachstumsraten in der Bauwirtschaft und produzierenden Industrie nur träumen, die dort als Folge der von der EZB seit Jahren künstlich ausgelösten Geldschwemme und Betongold-Blase herrschen.

Das zeigt: Es gibt immer weniger eine einheitliche Arbeitnehmerbewegung, sondern völlig verschiedene "Klassen" mit völlig verschiedenen Interessen.

Die Krise des Handels etwa sieht man ganz augenscheinlich in vielen österreichischen Ortskernen und Geschäftsstraßen: Massenweise leerstehende Geschäftsräumlichkeiten können nicht einmal annähernd durch Ordinationen und ähnliches gefüllt werden (die als Folge schikanöser Gesetze jetzt alle in die stufenlose Ebenerdigkeit versetzt werden müssen). Wenn durch exorbitante Gewerkschaftsforderungen im Handel viele Jobs bedroht sind, dann können sich die Verkäuferinnen darüber logischerweise nicht freuen, sondern müssen sich ängstigen.

Ihre Konkurrenz ist heute gar nicht so sehr das Entstehen neuer Supermärkte auf der grünen Wiese, sondern immer mehr der Online-Handel durch Amazon&Co, der jedes Jahr neue Umsatzrekorde einbringt. Diese Onlinehändler arbeiten in hohem Ausmaß automatisiert und damit billiger, also entstehen dort nicht allzu viele neue Arbeitsplätze. Überdies entstehen bei Amazon vor allem ausländische Jobs. Überdies hat sich Amazon bis heute erfolgreich gegen den Zugriff der Gewerkschaft gewehrt und funktioniert trotz der alljährlich vor Weihnachten regelmäßig abgehaltenen "Spontanstreiks" in den deutschen Verteilzentren recht gut und zuverlässig. Und überdies entziehen sich die übrigen durch den Online-Handel entstehenden Jobs erst recht dem ÖGB-Zugriff: Das sind die diversen Liefer- und Zustelldienste per Auto oder Fahrrad.

Irgendwann werden es die ÖGB-Bosse wohl auch begreifen: Die (für sie) guten Jahre sind vorbei, in Österreich wie auch in fast allen anderen Ländern. Und sie kommen nicht wieder.

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