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Zeitungen und Zeitschriften stürzen immer tiefer in eine Mehrfach-Krise, ebenso der sogenannte öffentlich-rechtliche Rundfunk. Das zeigen alle verfügbaren Zahlen. Daher kann man nur lachen, wenn sich dieser und die Printmedien jetzt wie Ertrinkende aneinanderzuklammern versuchen. Die Mehrfach-Krise spiegelt sich mit unbarmherziger Härte nicht nur in den Seher-, Hörer- und Leserzahlen. Sie zeigt sich auch im noch viel dramatischeren Rückgang der Inseratenumsätze. Von der inhaltlichen Krise der Medien gar nicht zu reden, die im Political-Correctness-Gleichschritt von den Lesern und Sehern weg marschieren. Als Folge beginnt zumindest der klügere Teil der Politik zu den verwelkenden Gatekeepern a.D. auf Distanz zu gehen. Es gibt erste zarte Hoffnungen, dass der größte kriminelle Korruptionsskandal der Nachkriegszeit, der sowohl mit Erpressungs- wie Bestechungs-Elementen unterfüttert ist, zu Ende gehen könnte.
So wichtig auch gesunde und vielfältige Medien für eine pluralistische Demokratie sind, so wenig muss man sich ob der Wirkung der dichten Folge an Wirbelstürmen sorgen, die Print wie Gebührenfernsehen immer mehr demolieren. Denn längst bildet das Internet in seinen vielfältigen und (selbst in China) von der Politik kaum mehr kontrollierbaren Formen einen nicht nur gleichwertigen, sondern auch deutlich besseren Ersatz. Daran können auch 500 weitere "Medienkongresse" nichts ändern, bei denen die alten Medien ihren eigenen Abstieg bejammern, die elektronische Konkurrenz denunzieren und (rechtswidrige) Überlebens-Kartelle zu bilden versuchen.
Das ORF-Fernsehen ist nun schon weit unter 30 Prozent Marktanteil gesunken, und fast jeden Monat wird ein weiterer Abstieg sichtbar. Der Abstieg der Printmedien wird zwar nur halbjährlich gemessen, fällt dafür umso deutlicher auf. Der Maßstab der Media-Analyse ist der einzige unabhängige und daher ernstzunehmende für die Printwelt – obwohl auch er an Vertrauen verliert, weil die Media-Analyse die genaue Fragestellung nicht mehr offenlegt und offenbar auch Online-Leser einschließt. Sie ist dennoch weit seriöser als die von den Zeitungen selbst bekanntgegebenen Druckauflage-Zahlen, die man nicht sonderlich ernst nehmen sollte. Die Zahlen der Media-Analyse über die Leserentwicklung in den letzten zwölf Monaten werden von unabhängigen Instituten mit einer hohen Anzahl von Befragungen (über 15.000) sehr genau erhoben.
Was sich im Printbereich wirklich abspielt, erkennt man am besten im Langfristvergleich der sogenannten Nettoreichweite. Diese gibt jenen Prozentsatz an, der in der letzten Woche irgendeine Zeitung angeschaut hat. Das haben nur noch 63 Prozent der Österreicher getan (der leichteren Lesbarkeit willen sind die Globalzahlen auf ganze Werte gerundet). 2009, vor nicht einmal zehn Jahren also, betrug die Vergleichszahl hingegen noch 75!
Diese Veränderung ist massiv signifikant. Sie wird noch viel aussagekräftiger, vergleicht man sie mit den ebenfalls gemessenen Zahlen des Besuchs auf irgendeiner Internet-Seite. Zu einem solchen am unmittelbaren Vortag der Befragung haben sich nicht weniger als 80 Prozent bekannt. Und fragt man nach dem ganzen letzten Monat, so sagen sogar 88 Prozent Ja zum Internet-Besuch.
Die Feststellung eines alles vernichtenden Medien-Tsunamis wird noch mehr berechtigt, wenn man das Zeitungs-Verhalten der einzelnen Alterskategorien anschaut. Denn von den 20- bis 29-Jährigen sind nur noch 48 Prozent Leser irgendeiner Zeitung. Und bei den 14- bis 19-Jährigen sind es gar nur noch 44 Prozent. Nur noch die über 60-Jährigen lieben wirklich bedrucktes Papier. Die jüngeren Jahrgänge wechseln hingegen immer rascher in die Welt der Elektronik. Nur zum Vergleich ein Wert aus den Google-Analytics-Zahlen zu diesem Tagebuch (Das ist eine elektronische, nicht demoskopische Erhebung mit Hilfe der sogenannten Cookies, daher gibt es naturgemäß keine direkte Vergleichszahl): 76 Prozent der Tagebuch-Leser sind demzufolge jünger als 45 Jahre.
An all diesen Zahlen kann man auch blind erkennen, wohin die Fahrt geht. Vergangenheit da, Zukunft dort. Das kann man umso mehr, wenn man bedenkt, dass in der Media-Analyse seit einigen Jahren auch die Gratis-Zeitungen enthalten sind, die früher nicht drinnen waren.
Der Leserverlust findet freilich nicht überall in gleicher Form statt. Regional- und Qualitätszeitungen können sich halbwegs halten. Der "Standard" verzeichnet als einziges Blatt sogar einen statistisch signifikanten Leserzuwachs auf den Rekordwert von 7 Prozent.
Vernichtende Verluste gibt es hingegen für alle Illustrierten und Magazine, egal, ob sie im Wochen- oder Monatsrhythmus erscheinen. So haben "Profil" wie "News" beide nur noch 4,1 Prozent. Vor etlichen Jahren hatte das "Profil" hingegen noch 9,4, und "News" sogar 19,7 Prozent. Ähnlich dramatische Zahlen finden sich bei fast allen Wochenmedien. Was inhaltlich überflüssig ist, wird halt nicht mehr gekauft. Und Friseursalons alleine sind keine ausreichende Basis für Illustrierte.
Fast ebenso schlimm sind die Verluste der Boulevard-Zeitungen. Der Kronenzeitung werden nur noch 28 Prozent attestiert. Das ergibt zwar immer noch Platz eins. Das ist aber dennoch dramatisch, wenn man einst eine Spitze von 43,7 Prozent hatte. Bei der Krone hängt der Abstieg nicht nur mit der Konkurrenz durch Internet und Gratisblätter zusammen, sondern eindeutig auch mit dem personellen Verfall: Der alte Dichand hatte noch das Boulevard-Machen gekonnt, die derzeitigen Blattmacher können das eindeutig nicht (lediglich krone.at ist journalistisch interessant gemacht). Die Konkurrenzzeitung "Österreich" liegt nur noch bei 6,9 Prozent – schaut man hingegen in früheren Statistiken nach, hatte sie einmal 10,3 Prozent. Der "Kurier", der vor der Krone überhaupt einmal österreichischer Champion gewesen ist, hat nun 7,4 Prozent.
So schwer auch seriöse und regionale Zeitungen zu kämpfen haben, so eindeutig ist, dass Boulevard und Illustrierte deutlich weniger Zukunft haben – wenn überhaupt.
Für jede Art von Zeitungen kommt noch ein zweites Drama hinzu: Nicht nur die Leser wandern im Eiltempo Richtung Internet ab, die Inserate tun das noch viel schneller. Dabei sind diese immer als Basis der Zeitungseinkünfte wichtiger gewesen denn Abo- oder Kiosk-Umsätze. Von der Partnersuche bis zum Altautoverkauf, von der Wohnungsvermietung bis zur Suche nach einer Bedienerin: Längst haben die Menschen, also der von Linken so verteufelte "Markt", herausgefunden, dass übers Internet billiger, bequemer und präziser gesucht oder angeboten werden kann. Aber auch die Konsum- und Imagewerbung ist teilweise dorthin abgewandert.
Die Zeitungen veröffentlichen zwar keine individuellen Anzeigen-Umsatzzahlen, aber akkumuliert für die ganze Branche werden die Inseratenumsätze schon bekanntgegeben. Und da nimmt der prozentuelle Anteil der Anzeigen an den verbliebenen Einnahmen stetig ab. Also geht den Zeitungen auch von der noch wichtigeren Inseraten-Seite her immer mehr die Luft aus. Das ist Faktum – egal ob man das mit Mitleid oder Schadenfreude sieht.
Daher ist die nervöse Aggressivität fast logisch, mit der seit ein paar Tagen das Imperium der Familie Dichand (Kronenzeitung, Heute) und das Imperium der Familie Fellner (Österreich, oe24) einen neuen Zeitungskrieg begonnen haben, wie wir ihn schon seit Jahren nicht mehr hatten. Der Anlass war ein juristischer Vergleich in einem jahrelangen Prozess zwischen dem Haus Fellner und den Wiener Linien. Diese hatten lange Selbstbedienungs-Boxen in U-Bahn-Stationen nur exklusiv dem Dichand-Blatt "Heute" erlaubt, was wettbewerbswidrig ist, aber von Michael Häupl eindeutig so gewünscht war. Jetzt müssen beide Gratiszeitungen gleichbehandelt werden. Diese Streitbeendigung wird nun vom Krone-Imperium mit einem flächendeckenden Bombardement gegen den neuen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig beantwortet, den man als Mastermind des Vergleichs der Wiener Linien mit Fellner vermutet.
Ludwig dementiert das nicht nur, sondern macht – zweifellos aus Zorn über den Medienkrieg, in den er da geraten ist – auch eine ziemlich sensationelle Ankündigung, die überaus positive Wirkungen haben könnte. Er verspricht bis Jahresende ein "sehr transparentes Konzept" für die Inseratenvergabe des Wien-Imperiums. Damit hat Ludwig jedenfalls schon etwas ganz Wichtiges eingestanden: nämlich, dass es da bisher in Wien ganz und gar nicht transparent zugegangen ist. Intransparenz ist ja nichts anderes als ein anderes Wort für Korruption.
Damit hat der neue Bürgermeister die Korruption in der Inseratenpolitik der Gemeinde Wien offen eingestanden. Dazu kann ihm nur laut gratuliert werden. Zwar war das der gesamten Medienbranche und Politik seit Jahrzehnten eindeutig bekannt – nur die Wiener Staatsanwaltschaft hat das nie sehen wollen, und das Rathaus und die Profiteure haben das natürlich nie zugegeben.
Ludwig will nun erstmals auch untersuchen, ob die Inserate bei den Bürgern ankommen, ob sie ihren Zweck erfüllen, über Serviceangebote und Leistungen der Stadt zu informieren. Wenn er das wirklich ernsthaft tut, werden sehr viele Inserate aus dem Gemeinde-Wien-Imperium verschwinden. Als erste, aber keineswegs nur sie allein, müssten beispielsweise die Inserate der Wien-Holding verschwinden. Hat diese doch überhaupt kein Service, keine Leistung, keine Produkte anzubieten. Sie verfügt nur über viel Geld außerhalb der politischen Aufmerksamkeit ...
Diese Ankündigungen Ludwigs klingen fast zu gut, um zu wahr zu sein. Man muss befürchten, dass ihn sehr bald mächtige Verleger unter Druck setzen und klarmachen werden, dass das ihrer Meinung nach so ganz und gar nicht akzeptabel wäre.
Sie dürften Ludwig klarmachen, dass es für ihn gefährlich werden könnte, wenn der Wiener Bürgermeister damit aufhört, sich über viele Steuermillionen eine wohlwollende Berichterstattung zu erkaufen. Häupl hat ja auf diese Weise alle Skandale zudecken – oder zumindest weit weg von seiner Person schieben können. Viele in der SPÖ werden Ludwig überdies klarzumachen versuchen, dass bei einer Objektivierung der Inseratenpolitik bald ideologisch linientreue Blättchen wie der "Falter" zusperren müssen.
Man sollte daher jedenfalls nicht überhören, dass sich Ludwig eine große Hintertür offengehalten hat: Denn er wolle nur Blätter fördern, "die journalistische Qualität garantieren". Das klingt nun schon wieder ziemlich gefährlich. Zwar ist es an sich erfreulich, wenn "Qualität" gefördert werden soll. Nur: Was ist Qualität??? An dieser Definition haben sich schon größere Geister die Zähne ausgebissen.
Besonders problematisch wird das Wort "Qualität" dann, wenn es ausgerechnet von jenem Schreibtisch aus definiert wird, von wo aus bisher das schlimmste und intransparenteste Netzwerk der österreichischen Medienbestechung dirigiert worden ist. Daher sollten sich die Steuerzahler und Korruptionsbekämpfer nicht zu früh freuen.
Wollen wir dennoch vorerst aufs Gute hoffen, solange wir nicht das Gegenteil sehen.
Freilich: Gerade die zufällig am gleichen Tag bekanntgewordenen Media-Analyse-Daten und das dort sichtbar gewordene rasche Irrelevantwerden der alten Medien bergen ein Motiv, das Ludwig beim Sauberwerden helfen könnte: Wenn besonders die am meisten bestochenen Medien immer mehr Leser verlieren, schwindet auch der Anreiz, sich ihretwegen die Finger schmutzig zu machen.
Noch etwas könnte für Ludwig zum Anreiz werden, hier Sauberkeit und Transparenz nicht nur anzukündigen, sondern auch wirklich einzuführen: Er könnte sich dadurch positiv von der Bundeskoalition abheben. Das wäre zwar eine historische Supervolte, da bisher Medienbestechung ganz überwiegend eine rote Domäne gewesen ist (eben übers Wiener Rathaus). Es gibt aber durchaus eine Chance für Ludwig, sich zu profilieren, da Schwarz und Blau, die immer die Bestechungsinserate massiv kritisiert haben, im ersten Regierungsjahr absolut Null unternommen haben, um da jetzt für Sauberkeit zu sorgen. Im Gegenteil: Die FPÖ bedient nun nahestehende Medien. Und der ÖVP-Medienminister legt sich in erstaunlicher Ahnungslosigkeit mit den Verlegern und Fernsehbetreibern ins Bett, ohne das kleinste Signal an die Bürger und Steuerzahler auszusenden, dass er für Sauberkeit sorgen und Geld einsparen will.
Es ist nur lächerlich, wenn schwarze und blaue Politiker beteuern, dass sie eh gerne aufhören würden mit den Inseraten, dass aber dann die Medien nur noch einseitig von den Millionen aus Gemeinde Wien und Arbeiterkammer beeinflusst würden. Natürlich kann es nicht um ein einseitiges "Die Waffen nieder" nur der beiden Regierungsparteien gehen, sondern das muss gleichzeitig österreichweit geschehen. Die Instrumente, um bundesweit Sauberkeit durchzusetzen, hat aber nur der Bundesgesetzgeber. Schwarz und Blau bräuchten daher nicht zu jammern, sondern könnten handeln.
Die rechtlichen Instrumente, die der Gesetzgeber einzusetzen hat, heißen Vergabe- und vor allem Strafrecht. Klares Ziel: Wer auch nur ein einziges Inserat aus Steuer- oder Zwangsgebührengeld "freihändig" (also: unter der Hand) vergibt, landet künftig vor dem Strafrichter.
Zwar sollte unbestritten sein, dass Staat – Bund, Länder, Gemeinden, Kammern – das Recht haben zu informieren. Aber wenn der Staat das mit dem Einsatz von Geld tut, dann sollte das in einem Rechtsstaat nur dann passieren dürfen, wenn zwei Bedingungen penibel erfüllt sind:
PS: In keinem anderen Land ist es mit den Bestechungsinseraten so schlimm wie in Österreich. Völlig gleich ist hingegen überall der rapide Bedeutungsverlust der klassischen Medien. Das beweist jetzt auch eine Ankündigung von Luigi di Maio, dem italienischen Vizepremier und Chef der größeren Regierungspartei: Er will die öffentliche Presseförderung ganz streichen – steht doch Italien massiv unter Druck, Geld einzusparen. Das ist noch viel radikaler als der oben gemachte Vorschlag. Allerdings ist in Österreich die gesetzliche Presseförderung im Vergleich zu den Bestechungsinseraten quantitativ völlig unbedeutend – und im Gegensatz zu diesen vollkommen sauber. Aber auch in Italien hätten sich früher selbst noch so tollkühne Politiker nie getraut, den traditionellen Medien so offen den Kampf anzusagen. Jetzt sind die Medien schwach geworden – da nimmt man plötzlich keine Rücksicht mehr auf sie.