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Wir brauchen zwei Referenden

Es ist ein absolut triumphaler Erfolg, den das Anti-ORF-Gebühren-Volksbegehren da erzielt hat. Es hat zwar insgesamt weniger Unterschriften bekommen als die anderen beiden Volksbegehren. Aber angesichts der Tatsache, dass die anderen beiden Begehren seit Monaten von drei Parlamentsparteien massiv unterstützt werden, sowie angesichts der Tatsache, dass alle elektronischen wie gedruckten Medien das ORF-Volksbegehren praktisch totgeschwiegen haben, während sie die anderen beiden seit Monaten mit all ihrer noch verbliebenen PR-Kraft unterstützt haben, ist das Ergebnis absolut sensationell. Die Regierung wäre extrem schlecht beraten, wenn sie das ignorieren sollte. Wäre sie gut beraten, gäbe es jetzt nur eine logische, ja zwingende Konsequenz.

Diese Konsequenz wäre, sowohl über das Rauchverbot in allen Lokalen wie auch über die Abschaffung der Zwangsgebühren jetzt zugleich eine verbindliche Volksabstimmung durchzuführen. Das geht hingegen in Hinblick auf das sogenannte Frauenvolksbegehren schon rechtstechnisch nicht. Denn dieses ist ein ideologisches Pamphlet mit wolkig-lyrischem Charakter, nicht etwas, was als konkretes Gesetz umgesetzt werden könnte.

Bei einem Referendum über Rauchen wie Gebühren hätten dann alle Seiten gleiche Startbedingungen. Zumindest wenn es dabei so korrekt zuginge, wie es in der Schweiz seit langem bei allen Referenden selbstverständlich ist. In der Schweiz halten sich vor einem Referendum praktisch alle Medien an die Usance, allen Seiten faire und gleiche Chancen zu geben, ihre Standpunkte zu transportieren; lediglich in einem einzigen Leitartikel sagt die Zeitung, wie sie selbst denkt. In der Schweiz gibt es auch immer eine offizielle Broschüre, die an alle verteilt wird, in der alle Seiten gleichermaßen zu Wort kommen.

Bei einem Referendum nach Schweizer Vorbild und mit Schweizer Objektivitätsqualität wäre es daher auch nicht mehr möglich, dass der ORF wie in den letzten Monaten über das eine Begehren (Rauchverbot) gezählte einhundert Mal so viel berichtet wie über das andere (Zwangsgebühren).

Wie anders war das jetzt bei diesen drei Volksbegehren in Österreich! Hier haben viele Bürger gar nicht mitbekommen, dass ein Volksbegehren zu den ORF-Gebühren stattgefunden hat. Hingegen haben Zeitungen und Fernsehanstalten seit Jahresbeginn mit unglaublicher Breite und mit klarem Akzent über das Antiraucher-Begehren berichtet. Zur Unterstützung hingen in vielen Arzt-Ordinationen Plakate. Und die gesamte Opposition hat breit unterstützt, gleichsam als erste Generalattacke auf die neue Regierung. Die nicht ganz 900.000 Unterschriften sind also ziemlich genau die Menge, die all diese Akteure zusammen für ein extrem populäres Anliegen mobilisieren können.

900.000 ist freilich auch die Schwelle, zu der die Regierung – wenn auch für später – eigentlich zwingend als Folge eine Volksabstimmung in Aussicht gestellt hat. Jetzt ist die Schwelle mit 881.569 zwar nicht ganz erreicht worden, aber doch fast. Es wäre daher ein geschicktes wie großzügiges Signal, wenn H.C.Strache jetzt sein ganz persönliches Lieblingsanliegen doch den Bürgern zur Abstimmung überließe. Vielleicht trägt ja auch seine neue Vaterrolle zum Überdenken seiner Einstellung zum Rauchen bei. Babys tut ja das Rauchen in der Wohnung gar nicht gut (kleine persönliche Anmerkung: Auch ich habe mir einst das Rauchen abgewöhnt, als ich Vater geworden bin ...).

Zugleich müsste Strache, wenn er strategisch schlau zu denken imstande ist, die Zustimmung zu einem Rauchverbots-Referendum an die gleichzeitige Abhaltung eines Referendums über das ORF-Gebührenverbot knüpfen. Immerhin hat dieses ja auch die von der FPÖ einst vorgeschlagene Schwelle von 250.000 für ein obligatorisches Referendum erreicht.

Aber dennoch sei angemerkt: In der Sache geht es beim Rauch-Begehren nur um einen winzigen Aspekt, nämlich um einige wenige Lokale, in denen noch geraucht werden darf. Das Volksbegehren kann also selbst dann, wenn es sich durchsetzt, keineswegs die Zahl der durchs Rauchen verursachten Todesfälle signifikant reduzieren. Und die Raucher werden dann halt auf der Straße stehen – unter zahllosen Heizsonnen, die nicht sonderlich gut für die Energiebilanz sind (ein Thema, das ja gerade wieder einmal von der UNO zum globalen Panikthema ausgerufen worden ist).

Das Frauenvolksbegehren hat natürlich massiv unter den gewaltigen Problemen der SPÖ gelitten, aus deren Dunstkreis es ja ursprünglich ausgegangen ist. Die Partei hat derzeit nämlich andere Sorgen als ein rein propagandistisches Begehren, das selbst auf der eigenen offiziellen Homepage von Rechtschreibfehlern strotzt, das noch mehr Migration nach Österreich verlangt, das die Meinungsfreiheit empfindlich einschränken möchte, das die 30-Stunden-Woche (ohne Gehaltsreduktion!) allgemein einführen will, und das bei einer Verwirklichung aller Slogans viele Milliarden kosten würde. Umso beschämender angesichts des vielen Schwachsinns, der da drinnen steht, ist die Tatsache, dass schier alle weiblichen Journalisten Österreichs das Begehren massiv unterstützt haben, dass keine einzige den Mumm hatte zu sagen: Vieles, was da drinnensteht, ist reiner Käse.

Bezeichnend ist, dass das Frauenbegehren trotz einer Zunahme der Zahl der Wahlberechtigten weniger Unterschriften erhalten hat (481.906) als ein früheres Begehren mit ganz ähnlichen Zielen. Ergebnis und Inhalt sind daher nicht gerade ein Ruhmesblatt.

Dagegen sind die 320.239 Unterschriften unter das ORF-Begehren absolut ein Erfolg. Ist das Begehren doch von der winzigen "Christlichen Partei" ausgegangen, die keinerlei Mittel für die Propaganda hatte. Lediglich die Freiheitlichen haben sich in den allerletzten Tagen über ein paar Internet-Aufrufe angehängt, als man merkte, dass das Begehren steil abgehoben hatte, nachdem es anfangs überaus erfolglos dahingekrebst war. Aber die FPÖ-Unterstützung allein war gar nicht mehr entscheidend.

Entscheidend war die gewachsene Frustration der Österreicher über die politische Einseitigkeit, die lähmende Fadheit und ständig abnehmende Qualität des ORF. Entscheidend war und ist ihr Zorn, für ein Programm, das sie kaum noch sehen und hören, auf das sie spielend gänzlich verzichten können, alljährlich rund 300 Euro bezahlen zu müssen.

Umso unverständlicher ist, dass der ÖVP-Medienminister in den vergangenen Monaten begonnen hatte, dem ORF und seinem Gebührenmonopol liebedienerisch die Mauer zu machen. Offenbar gibt es keine mutige Politik der ÖVP in irgendeinem Bereich, solange nicht der Chef selber die Direktiven zu einer solchen Politik ausgegeben hat. Und das hat er offensichtlich noch nicht. Auch er hat ja derzeit (auf EU-Ebene) viele andere Sorgen.

Noch viel dümmer ist das Verhalten fast aller Medien. Sie fürchten sich so sehr vor dem ORF und glauben noch immer an die seit Jahren immer wieder neu errichteten vagen Luftschlösser einer angeblich für alle fruchtbaren Kooperation, dass es fast kein Medium wagt, den ORF kritisch zu behandeln. Sie schaden sich damit aber in Wahrheit vor allem selber, wenn sie ihren ärgsten Konkurrenten unterstützen. Und sie verraten damit vor allem ihre Leser.

Dabei sollte man eigentlich annehmen, dass die österreichischen Verleger doch nicht so blöd sein können, wirklich zu glauben, dass ihnen der ORF freiwillig etwas von seinem dicken Zwangsgebührenkuchen abtritt. Aber sie sind es offenbar.

Dabei ist völlig klar: Wenn die Verleger und Privatfernsehbetreiber endlich ein ebenes Spielfeld haben wollen, auf dem auch der ORF nur ein gleichberechtigter Medienanbieter ist, dann kann das nur gegen den ORF durchgesetzt werden, nur über eine Gesetzesänderung.

Zweifellos: Den zumindest theoretisch privatwirtschaftlich arbeitenden Medien geht es sauschlecht. Einerseits wegen der technologischen Entwicklung und dem damit verbundenen täglich noch stärker werdenden Abwandern der Menschen wie auch der Werbung Richtung Internet, andererseits wegen der überwiegend katastrophalen Leistungen ihrer Redaktionen. Gerade deswegen müssten die Medien eigentlich auf eine saubere Lösung hinarbeiten und nicht auf ein großes Kartell mit dem ORF. Ein solches wird es schon aus rechtlichen Gründen nie und nimmer geben, egal was der Herr Wrabetz den Verlegern vorschwärmt.

Die große Dummheit der Verleger hat nun dazu geführt, dass jetzt durch das Volksbegehren nur eine einzige Variante zur Entscheidung vorliegt: eben die Umwandlung der ORF-Zwangsgebühren in eine freiwillige Gebühr, wie man sie etwa für das Sky-Sportfernsehen oder für ein Zeitungsabo zahlt. Den Kampf für die andere denkbare Variante, etwa die Halbierung der Zwangsgebühr und die Aufteilung der verbleibenden Gebühreneinnahmen auf alle österreichischen Medienanbieter nach streng objektivierten Gesichtspunkten haben sie längst versäumt. Der ORF wird höhnisch lachend am Grab vieler Medien stehen.

Aber natürlich haben die Medien einen ernstzunehmenden Grund, weshalb sie sich weiterhin an die Rockschöße des Gebührenfunks klammern: Sie bezweifeln wohl zu Recht, dass die Regierung jemals den Mumm haben wird, den ORF auf den Status eines ganz normalen Unternehmens zu verweisen. So wie man das einst mit den früheren Monopolen Telekom und Post gemacht hat. Da schlägt man sich auf die Seite des erwarteten Siegers.

Das Teuflische ist freilich: Solange sich kein Medium traut, gegen den ORF aufzustehen (und dafür halt von diesem total boykottiert wird), traut sich die Regierung umgekehrt nicht, gegen den ORF aufzustehen.

Dabei wäre es für eine kluge Koalition total verlockend, den Österreichern sagen zu können: Wir entlasten jeden Haushalt um 300 Euro jährlich. Und natürlich ohne die sich ja selbst gehörende Stiftung an Stelle der Gebühren durch das Budget zu finanzieren.

PS: Anmerkung für alle Verleger, wenn sie zähneklappernd über den ORF nachdenken: Beide einst von mir geleiteten Zeitungen haben ihre höchsten Auflagenzuwächse genau in jener Zeit erreicht, da sie vom ORF mehr als ein Jahr lang total totgeschwiegen worden sind. Dabei hatte der ORF damals noch ein Vielfaches der Seher und Hörer von heute. Glaubt mir, wegen eines ORF-Boykotts werdet ihr keinen einzigen Leser verlieren!

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