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Salvini – ein Mann tritt an gegen ganz Europa

Noch nie sind EU und Euro-System so frontal herausgefordert worden wie jetzt durch Italien. Das Land lässt sich durch keinen Tadel bremsen und macht weit mehr neue Staatsschulden, als nach allen EU-Regeln zulässig wäre. Es sucht sogar ganz bewusst die Konfrontation.

Ein zentrales Motiv für diesen Konfrontationskurs sind zweifellos die Ambitionen des neuen starken Mannes Italiens, also von Innenminister Salvini, bei den EU-Wahlen ins Rennen zu gehen, nach denen er sogar EU-Kommissionspräsident werden könnte.

Seine Aussichten dabei sind jedenfalls ernstzunehmen: Die rechtspopulistischen Parteien Europas hat er sowieso mit seiner scharfen Antimigrationspolitik hinter sich. Und mit dem italienischen Schuldenkurs gewinnt er auch viele Sympathien im linken Lager. Geht doch das Anwachsen des italienischen Defizits zum Großteil auf typisch linke Projekte zurück: mehr Geld für Pensionen und Mindestsicherung. Salvini weiß: Je mehr Lärm seine Konfrontation mit EU und EZB erregt, umso mehr Wähler begeistert das – von links und rechts. Er gibt der im Laufe der Jahre gewachsenen Skepsis gegenüber einer zentralistischen EU einen Namen.

Zugleich glaubt Italien sich genau auf das berufen zu können, wovor viele der Union Wohlwollende seit Jahren gewarnt haben: Die EU hat immer wieder ihre eigenen Regeln  allzu locker gehandhabt oder gar ignoriert. Aus politischen Gründen wurde Rücksicht auf einzelne Länder geübt, statt konsequent für die Einhaltung der europäischen Kriterien zu sorgen. Hätte man das getan, hätten viele Länder beispielsweise gar nie das Recht bekommen, am Euro teilzunehmen. Ebenso war und ist die wider die Ratschläge zahlloser Ökonomen seit Jahren verfolgte Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank eine regelwidrige Hilfsleistung für die Schuldenmach-Länder. Auf Kosten jedes einzelnen europäischen Sparers.

Zweifellos kausal für die gegenwärtige italienische Politik ist aber auch die traditionelle Geringachtung des Landes gegenüber allen ökonomischen Zusammenhängen. Wenn das In-den-Tag-Hineinleben so lange gut gegangen ist, warum soll man jetzt jenen glauben, die vor schlimmen Konsequenzen warnen? Die Italiener vermissen auch den Nutzen, als das Land unter Berlusconi und dann nochmals unter Monti und Renzi schon mehrmals zu sparen begonnen hat.

Der Nutzen war vor allem deshalb tatsächlich gering, weil man auf die gleichzeitig notwendigen Strukturreformen und Deregulierungen verzichtet hat. Und weil eine Sanierung durch diszipliniertes Sparen erst nach einigen Jahren den erhofften Nutzen bringen kann, kurzfristig bringt sie aber Schmerzen.

Salvinis überhaupt stärkste Waffe ist aber die durch die gemeinsame Währung geschaffene untrennbare Verfilzung der ökonomischen Schicksale aller Euro-Länder: Europa hat keine strategische Option, bei der Italien alleine die Folgen seiner Politik ausbaden müsste. Was auch immer Europa jetzt italien gegenüber tut oder nicht tut, wird auch für die anderen Euro-Länder unangenehme Folgen haben.

Diese aber sind selbst mitschuld an der italienischen Malaise: Sie haben schon so oft Disziplinlosigkeiten toleriert, sie haben vor allem einen kapitalen Fehler begangen: Sie haben der politischen Vision von Europa Vorrang vor den ökonomischen Naturgesetzen gegeben.

Nur wird das Italien langfristig nichts helfen: Naturgesetze wirken immer, auch die ökonomischen. Ob man an sie glaubt oder nicht.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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