Im Gegensatz zu vielen Medienberichten hat die bayrische Landtagswahl vor allem eines gebracht: einen klaren und weiteren Schritt nach rechts. Während sich die vielen grün-affinen Journalisten siegestrunken freuen, dass die Grünen nun statt der Sozialdemokraten zweitstärkste Partei in Bayern geworden sind, geben die endgültigen Ergebnisse ein deutlich anderes Bild als die diversen Berichte. Das Münchner Ergebnis bedeutet eine klare Botschaft nach Berlin, wo die Regierung Merkel keine echte Mehrheit mehr vertritt – und wohl auch nicht wiedergewinnen wird, solange die Bundeskanzlerin nicht abgelöst wird.
Die wichtigsten Aspekte der Bayernwahl:
- Die vier Parteien rechts der Mitte (CSU, AfD, Freie Wähler und FDP) haben zusammen 4,1 Prozentpunkte dazugewonnen und damit 64,1 Prozent. Nur die feuchten Träume linker Journalisten können daraus einen Linkstrend ablesen.
- Die CSU ist zwar um 10,5 Prozentpunkte abgesunken, aber mit 37,2 Prozent noch immer stärker als fast alle Wahlsieger irgendwo anders.
- Weitaus größter Verlierer in Bayern sind die Sozialdemokraten: sie haben 10,9 Prozentpunkte verloren. Das ist vor allem in Relation zu ihrer viel geringeren eigenen Stärke dramatisch. Sie haben deutlich mehr als die Hälfte ihres früheren Stimmenanteils verloren. Ich habe auch trotz langem Suchen in Deutschland oder Österreich nirgendwo eine so schwere Niederlage einer Partei gefunden.
- Die Sozialdemokraten sind überhaupt zum ersten Mal in einem deutschen Bundesland unter die Zehn-Prozent-Grenze gefallen: Eine weibliche Parteichefin hat in Bayern ganz und gar nicht geholfen (irgendwie muss man da an die SPÖ denken).
- Besonders signifikant am Waterloo der bayrischen SPD: Dieses ist eingetreten, ohne dass es – so wie bei der CSU – gröbere Eigenfehler gegeben hätte. Die Sozialdemokratie steckt einfach inhaltlich und ideell in einer tiefen Existenzkrise und einem innerparteilichen Konflikt. Signifikant: Noch am Vortag hat sich SPD-Außenminister Maas ausdrücklich für das Weitergehen der Mittelmeer-"Flucht"-Bewegung eingesetzt.
- Die Grünen sind zwar jetzt mit 17,5 Prozent zweitstärkste Partei. Sie haben aber deutlich weniger dazugewonnen, als die SPD verloren hat: nämlich plus 8,9 Prozentpunkte.
- Größter Wahlsieger ist eindeutig die AfD: Sie hat aus dem Stand 10,2 Prozent (dazu)gewonnen.
- Ein besonders interessantes Phänomen in Bayern sind die "Freien Wähler", die mit 11,6 Prozent jetzt drittstärkste Kraft sind: Beim Lesen ihres Programms sieht man, dass sie haargenau so konservativ, bürgerlich und bayrisch sind wie die CSU. Sie sind aber als Kontrastmittel zur CSU sehr wichtig, sie dämpfen deren Machtarroganz, sie bieten eine gute Alternative für alle Konservativen, die sich über die CSU ärgern mussten.
Fast noch aufschlussreicher als das bayrische Ergebnis ist eine gleichzeitig veröffentlichte gesamtdeutsche Umfrage: Dabei sind die Berliner Koalitionsparteien schon auf 43 Prozent gesunken, also in Wahrheit längst ohne Mehrheit.
Das bedeutet: Die Ära der Angela Merkel geht wie ein einstürzendes Haus zu Ende. Wenngleich man in Deutschland auch sicher noch die Hessen-Wahlen in 14 Tagen abwarten wird, wo ein Merkel-Freund die CDU führt.
Die Unionsparteien könnten aus dem bayrischen Wahlergebnis jedenfalls viel lernen. Auch für Österreich ist Bayern enorm wichtig: Einerseits hat es wegen Nachbarschaft, Sprachfärbung, Kultur und fast 1500 Jahren gemeinsamer Geschichte eine gewaltige Bedeutung für Österreich. Andererseits ist es – obwohl "nur" Bundesland – um die Hälfte größer als Österreich. Daher noch ein paar genauere Blicke auf die Vorgänge in Bayern:
- Es ist absolut verheerend, wenn zwei Personen de facto gleichzeitig an der Spitze stehen. Das würde selbst bei bestem Einvernehmen zu Reibereien und Missverständnissen führen. Die Menschen wollen sich an einer einzigen Person orientieren können und nicht an zweien. Eine Doppelführung wie im Fall Seehofer-Söder ist aber vor allem dann katastrophal, wenn ihre Ursache eindeutig ein Machtkampf ist, der sich noch dazu vor aller Augen abgespielt hat.
- Es ist politischer Selbstmord, wenn eine Partei zwei einander widersprechende politische Strategien gleichzeitig verfolgt. Die CSU war einerseits immer wieder einer der schärfsten Kritiker der gesamten Migrationspolitik der Angela Merkel. Andererseits hat sie aber am Ende jedes Mal als Mehrheitsbeschaffer und Koalitionspartner für Merkel hergehalten, ohne eine Änderung erreicht zu haben. Damit war sie absolut unglaubwürdig.
- Horst Seehofer hat als deutscher Innenminister eine besonders unglückliche Rolle gespielt. Von der Frage bayrischer Grenzkontrollen bis zur Verteidigung des von der Linken attackierten obersten Verfassungsschützers Maaßen hat er zahllose Male wie ein wilder Tiger zum Angriff angesetzt, hat die Bundeskanzlerin auch persönlich attackiert – und ist dann jedes Mal wie ein Tigerfell als Bettvorleger gelandet. Das hat ihn zunehmend zur lächerlichen Figur gemacht.
- Auch der Vergleich mit der Entwicklung in Österreich zeigt deutlich: Wähler wollen mehrheitlich eindeutig eine rechte Politik, sie wollen aber noch weniger einen Streit in der Regierung. Genau für den hat die CSU immer wieder gesorgt.
- Die CSU regiert in Bayern für das Empfinden vieler Menschen schon zu lange. Diese verstehen unter Demokratie vor allem einen regelmäßigen Machtwechsel und nicht ständiges Durchregieren der immer gleichen Partei. Irgendwann wächst der Überdruss an dieser Partei – selbst wenn sie sich zugute schreiben kann, dass das eigene Bundesland – wie eben Bayern – das eindeutig bestregierte Bundesland Deutschlands ist, dass es fast überall an der Spitze liegt: Von der Wirtschaft bis zu den Bildungsergebnissen.
- Die CSU hat nicht begriffen, dass man Wahlkämpfe nur dann erfolgreich führen kann, wenn man sich an einem starken Gegenüber reiben kann, wenn man die Aversion der Menschen gegen irgend etwas operationalisieren kann (siehe Sebastian Kurz: Gegen die Massenmigration; siehe Viktor Orban: gegen George Soros; siehe die SPÖ in gleich mehreren Wahlkämpfen: gegen angeblich drohenden Pensionsraub; siehe den Niederösterreicher Pröll: gegen Frank Stronach und davor gegen den Semmering-Tunnel; siehe die FPÖ: gegen die linken Medien; siehe SPÖ und Grüne: ständiger Angstwahlkampf gegen angeblich düster drohende Nazi-Gefahren).
- Die CSU hat durch Seehofers wilden Zickzack-Kurs ihre einstige Dauertrumpfkarte verspielt: Das war immer der Kampf gegen Berlin. Sie hat aber keine andere Karte im Blatt gehabt.
- Es ist immer gefährlich, wenn man wie die CSU glaubt, ein Wahltag sei wie die Zeugnisverteilung und Belohnung für die eigenen Leistungen am Ende einer Periode. Jedoch sind Wahlen für die Wähler nie vergangenheits-, sondern fast immer zukunftsbezogen.
- Erstmals haben der CSU gleich zwei Parteien von rechts Konkurrenz gemacht: Sowohl die AfD wie auch die "Freien Wähler" (die es in Bayern seit längerem schon gibt). Damit ist die CSU in eine schwierige Sandwichposition geraten.
- Die CSU hat aber gleichzeitig nicht den Mut gehabt, sich ausdrücklich die Koalition mit der AfD offenzuhalten. Dadurch mussten Wähler fürchten, dass sich die Mehrheitspartei letztlich mit den Grünen ins Bett legen wird, von denen sie sich nie wirklich distanziert hat. Das hat viele dazu gebracht, eine der drei kleinen Rechtsparteien zu wählen, weil sie keinesfalls eine Regierung unter Einschluss der Grünen unterstützen wollen. Das relativiert den grünen Wahlerfolg zusätzlich. Dass sich eine Koalition CSU mit den "Freien Wählern" ausgehen wird, hat man im Wahlkampf noch nicht wissen können.
- Letztlich war auch der für die CSU unfreundliche Gegenwind aus wirklich allen deutschen Medien zu stark, um sich unangefochten halten zu können. Die "Süddeutsche Zeitung" ist schon seit langem zum SPD-Zentralorgan degeneriert. Und die nichtbayrischen Medien haben eine geradezu rassistisch unterlegte Aversion gegen die Bayern insgesamt entwickelt, die sie noch immer als rückständige Lederhosenträger abstempeln, obwohl Bayern (das tatsächlich bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts agrarisch dominiert war) inzwischen das erfolgreichste Bundesland Deutschlands ist.
- Die Grünen bilden seit langem ein kommunizierendes Gefäß mit der SPD. Wenn die eine Partei verliert, gewinnt die andere und umgekehrt. Meist gewinnt die Partei, die in Opposition ist. Linkswähler mögen eben keine Partei, die Regierungsverantwortung trägt.
- Da die Herzen der meisten linken Journalisten eher für die Grünen als für die Roten schlagen, haben sie in den letzten Wochen die Grünen geradezu in eine Siegeseuphorie hinaufgeschrieben. Was zweifellos auf manche Schwankende früher Rote eine Sogwirkung ausgelöst hat.
Das bayrische Wahlergebnis ist jedenfalls eine massive Ohrfeige für alle – alle! – Berliner Regierungsparteien und wird daher Folgen auf gesamtdeutscher Ebene bei allen drei Regierungsparteien haben. Diese dürften sich freilich noch nicht gleich zeigen, sondern wohl erst nach den in zwei Wochen stattfindenden Wahlen in Hessen. Dann aber in voller Breite.
Selbst der sehr CDU-fromm gewordene Bundestagspräsident Schäuble hat Angela Merkel für die Zeit nach Hessen "Erschütter" prophezeit. Merkel muss sehr zittern, ob sie den Parteitag im Dezember überleben wird. Es ist durchaus möglich, dass sie schon vorher aufgibt, wenn ihre Chancen zu dünn sein sollten. Ihre einzige Hoffnung liegt darin, dass sich die Gegner auf keinen Namen einigen können. Dies auch deshalb, weil Merkel in den letzten Jahren wirklich alle Politiker mit Potenzial totgebissen hat.
Bei der CSU muss Parteichef Seehofer in Pension gehen. Dort wird wohl Parteichef Söder übernehmen, weil niemand eine neuerliche Doppelführung haben will.
Bei der SPD ist trotz der vernichtenden und die bayrischen Sozialdemokraten in Kleinparteien-Dimensionen rückenden Niederlage unwahrscheinlich, dass Parteichefin Nahles gehen muss. Sie ist zu kurz in diesem Amt. Aber Nahles wird ihrerseits noch viel härter und noch weniger kompromissbereit in die Regierungsarbeit gehen. Was früher oder später zur Implosion der Regierung führen wird – selbst wenn Merkel wider Erwarten alles überleben sollte.
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