Der größte BVT-Skandal findet im Parlament statt
06. September 2018 01:21
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 9:00
Ja, es gibt einen, es gibt sogar mehrere Skandale rund um das BVT, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Heute ist sogar vieles noch schlimmer, als es schon vor einem halben Jahr war. Und daran ist keineswegs nur eine überforderte wie unfähige Staatsanwältin samt einem ebenso überforderten Richter schuld. Es gibt freilich nicht die geringste Hoffnung, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss da eine Besserung bringen wird. Denn das Stattfinden dieses Ausschusses selber ist ja der allergrößte Skandal rund um das BVT. Schweres Versagen findet man auch bei Innenminister wie Bundespräsident. Ebenso schweres Versagen trifft den Gesetzgeber und alle Regierungen der letzten Jahre. Und insbesondere auch das BVT selber. Freilich ist jeder an etwas anderem schuld. Eine Analyse dieser Versagenskette samt zwei sehr konkreten Vorschlägen.
Dieser Parlamentsausschuss wird jetzt eineinhalb Jahre lang zwar eine unendliche Fülle von Details ans Licht bringen, die aber alles andere als ein klares Gesamtbild ergeben werden. Denn schon jetzt, nach zwei Ausschusstagen, widersprechen einander die Zeugen diametral. Der eine BVT-Beamte sagt, die Staatsanwältin sei verantwortlich für die Hausdurchsuchung gewesen; der andere BVT-Beamte sagt, der Kommandant der Polizei sei verantwortlich gewesen. Der eine BVT-Beamte sagt, Fernlöschung von Daten sei möglich; der andere sagt, das sei Blödsinn.
Die Öffentlichkeit wird jetzt ununterbrochen mit einer schier unendlichen Fülle von Bäumen, Büschen und Pflänzchen konfrontiert werden. Und am Schluss wird keiner mehr imstande sein, einen Wald namens BVT zu erkennen. Es geht völlig unter, dass dieser Wald eigentlich eine zentrale Bedeutung für diese Republik und die Sicherheit ihrer Bürger haben sollte. Daran haben die Parteien ja Null Interesse.
Daher tut es schon zu Erkenntniszwecken not und gut, drei Schritte zurückzutreten, um ein Gesamtbild zu erhalten. Versuchen wir, in einigen ganz konkreten Punkten festzuhalten, worin wirklich die Skandale liegen, wer konkret welchen Fehler begangen hat, und was eigentlich zu tun wäre. Ich wäre sehr überrascht, wenn in eineinhalb Jahren ein objektiver Beobachter (also wohl nicht die Parlamentarier) nicht auch zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen kommen würde.
- Es ist absolut abenteuerlich, dass so ein U-Ausschuss überhaupt stattfindet, wo ein geheimer Nachrichtendienst mit all seinen Unterlagen total auseinandergenommen werden kann. Und zwar vor aller Öffentlichkeit. Denn selbst wenn manche Teile für geheim erklärt werden, wird da nichts geheim bleiben (wie schon das muntere Ausplaudern theoretisch geheimer Inhalte durch eine unbetamte Neos-Abgeordnete zeigt). Was fünf politische Parteien und lediglich durch das zahnlose Mediengesetz gebundene Journalisten wissen, ist zwangsläufig das absolute Gegenteil eines Geheimnisses.
- Ein solcher Ausschuss wäre in keinem anderen Land möglich. Ein Staat, der den kompletten "Verfassungsschutz" und "Terrorismusbekämpfung", also Kernelemente seiner Existenz, einem solchen Tribunal von rein an gegenseitigem Anpinkeln interessierten Parlamentariern überlässt, hat sich selbst aufgegeben.
- Das geht völlig parallel zum jammernswerten Zustand anderer Säulen dieses Staates, vom Bundesheer bis zur einst so formidabel gewesenen Justiz.
- Vor dieser Gefahr eines BVT-Untersuchungsausschusses nicht zumindest laut und lebhaft gewarnt zu haben, ist eine kapitale Sünde von Bundesregierung und Bundespräsident (letzterer kümmert sich anscheinend überhaupt nur noch um dubiose afghanische Lehrlinge, aber nicht um die grundlegenden Interessen der Republik).
- Genausowenig haben die sich sonst so gern als Wächter der Politik aufspielenden Medien die Einsetzung eines BVT-Untersuchungsausschusses kritisiert. Der Grund ist klar: Medien sind neugierig und hoffen, jetzt problemlos an geheimste Informationen heranzukommen. Außerdem bekommen sie durch den U-Ausschuss jeden Tag flächendeckende Geschichten. Sie glauben daher zumindest, durch den Ausschuss sehr zu profitieren. Sie übersehen freilich, dass die Österreicher im Gegensatz zu den Journalisten kaum Interesse am Ausschuss haben. Ausländische Dienste beobachten ihn dafür umso mehr.
- Genauso abenteuerlich wie der ganze U-Ausschuss ist, dass jede x-beliebige Staatsanwältin bar jedes Durchblicks und bar jedes staatspolitischen Verantwortungsbewusstseins dieses BVT wie eine Bande von Schwerverbrechern stürmen lassen kann. Und dass sie noch immer im Amt ist.
- Jetzt haben wir die absurde Situation, dass erstens durch einen kapitalen Fehler der Staatsanwaltschaft, und zweitens durch den kapitalen Fehler der Schaffung eines U-Ausschusses praktisch keine Geheimhaltung für Dinge mehr gegeben ist, die im – theoretisch von allen bestätigten! – Staatsinteresse wirklich geheim bleiben sollten (auch wenn es keinen Zweifel gibt, dass es für 95 Prozent dessen, was Beamte und Politiker insgesamt als "Amtsgeheimnis" geheim halten wollten, keinerlei objektive Berechtigung gibt).
- Und auch wenn alle ausländischen Staaten jetzt offiziell sagen, dass sie weiterhin mit Österreich kooperieren, ist ebenso klar: Jeder ausländische Dienst wird insgeheim dreimal überlegen, wirklich sensible Daten mit Österreich auszutauschen. Denn die haben absolut Null Interesse, dass ahnungslose Staatsanwälte, Abgeordnete aller Schattierungen und Medien aller Art Zugang zu dem bekommen, was sie mit den Österreichern austauschen.
- Sie werden noch viel weniger Interesse an Kooperation mit Österreich haben, seit jetzt jedes Informations-Gegengeschäft von dummen Abgeordneten und Staatsanwälten unterbunden wird. Diese beginnen ja schon bei jeder Kleinigkeit sich aufzuplustern, dass BVT-Mitarbeiter irgendetwas einem ausländischen Dienst verraten hätten. Und die Staatsanwältin Ahnungslos selbst hat ja die Weitergabe nordkoreanischer Musterpässe an den südkoreanischen Dienst zu einem Hauptvorwurf gegen das BVT gemacht. Wenn jetzt schon solche Gefälligkeiten unter befreundeten Diensten zum kriminellen Schwerverbrechen gemacht werden, ist es besser, den Dienst gleich zuzusperren. Oder ist die Frau Staatsanwalt gar der Meinung, dass Österreich eher mit Nordkorea kooperieren sollte als mit dem demokratischen und prowestlichen Rechtsstaat Südkorea?
- Ebenso skurril ist der zweite Vorwurf gegen das BVT: Dass es nämlich Unterlagen über einen ebenso problematischen wie SPÖ-nahen Wiener Rechtsanwalt aufbewahrt und nicht vernichtet hat. Dabei vertritt dieser Anwalt reihenweise mittelasiatische Diktaturen, die auch vor Morden in Österreich nicht zurückscheuen. Jeder vernünftige Mensch, der halbwegs über die Weltpolitik und das Verhalten von solchen Diktaturen Bescheid weiß, müsste sogar klar sagen, dass es nicht nur Recht, sondern sogar eindeutige Pflicht des BVT gewesen wäre, zum Schutze Österreichs alle diesbezüglichen Informationen aufzubewahren und die Aktivitäten dieses Anwalts zu beobachten.
- All diese Katastrophen haben Staatsanwaltschaft wie auch die gesamte politische Garde zu verantworten, insbesondere die Oppositionsparteien, die jetzt die Reste des BVT durch den Fleischwolf drehen. Die große politische Frage bleibt: Ist der Innenminister selbst aber deswegen gleich schuldlos? Ist er nur deshalb zur Zielscheibe einer gezielten Kampagne der drei Linksparteien geworden, weil er zweifellos der weitaus fähigste FPÖ-Minister ist? Hat er nur seine Pflicht erfüllt, indem er eine anonyme Anzeige an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat? Ist es reiner Oppositionsschwachsinn, dass Kickl sich auf diesem komplizierten Weg einer Hausdurchsuchung in Kenntnis von BVT-Akten bringen wollte?
- In der Tat stimmt vieles der Rechtfertigungsargumente Kickls. Der Innenminister hätte ja kein Problem gehabt, sich als oberster Chef des BVT alle Informationen auf direktem Weg zu beschaffen ohne die Riesenaktion einer Hausdurchsuchung. Und auch die Intentionen der Opposition sind mehr als durchschaubar. Kickl kann überdies für sich ins Treffen führen, dass er erst wenige Wochen vor der Hausdurchsuchung BVT-Chef Gridling im Amt verlängert hat. Es ist auch Schwachsinn zu behaupten, dass der Innenminister und nicht (immer!) der Staatsanwalt die alleinige Verantwortung für eine Hausdurchsuchung trägt. Die Anti-Kickl-Theorien der Opposition sind also weitestgehend unlogisch.
- Die Opposition steht aber auch juristisch auf dünnen Beinen. Es kann kein Zufall sein, wenn sowohl die SPÖ wie auch die Pilze exzellente Juristen in ihren Reihen haben (Jarolim und Noll), dass aber an ihrer Stelle juristisch ahnungslose Verschwörungstheoretiker ins Rennen geschickt werden. Man kann fast annehmen, dass sich die beiden Genannten ihren guten Namen durch Teilnahme an dieser schwachsinnigen und schädlichen Aktion nicht beflecken wollten.
- Aber dennoch hat auch Kickl schwere Fehler gemacht. Er hat sich vor allem in keiner Phase vor das ja ihm unterstehende BVT gestellt. Obwohl genau das eindeutig Aufgabe jedes guten Vorgesetzten wäre. Denn selbst wenn sein Kabinett es als Pflicht angesehen hätte, jede Anzeige weiterzuleiten, hätte Kickl mit allen Mitteln die Wahnsinnsaktionen von Staatsanwalt und Parlament bekämpfen und zu verhindern versuchen müssen. Aber es ist kein einziger Schadensmilderungsversuch Kickls bekannt. Seine engsten Mitarbeiter haben im Gegenteil bei der Staatsanwaltschaft eindeutig gegen das BVT geschürt, und ihm direkt Zeugen zugeführt. Wenn ein Minister mit einem Amt seines Bereichs unzufrieden ist – wofür es gute Gründe gibt –, dann muss er das direkt regeln und nicht den Chef dieses Amtes verlängern und die Staatsanwaltschaft in den geheimsten Bereich des Hauses hereinholen. Er müsste auch – bei aller Sucht eines neuen Ministers, sich zu profilieren – klar erkennen, wie hanebüchen in Wahrheit die Vorwürfe gegen das BVT sind, die frustrierte Ehemalige in der "anonymen" Anzeige zusammengetragen haben.
- Das einzige, was Kickl zu seiner Entschuldigung anführen kann: Er wäre natürlich sofort unter Beschuss gekommen, hätte er nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch das Parlament zu bremsen versucht. "Ah, jetzt haben wir den Beweis, der hat was zu verbergen!", wäre sofort überall ertönt. Umso mehr hätten eben Bundespräsident und Regierung warnen müssen (wenn sie ihre Pflicht noch immer nicht begreifen, sollten sie im Lexikon nachschlagen unter "Videant consules …")
- Die Ausrede des Justizministers ist blanker Unsinn, der den Staatsanwalt mit "Ermittlungsdruck" aus dem Innenministerium zu verteidigen versucht: Denn auf Staatsanwälte versucht auch sonst ununterbrochen jemand Druck auszuüben. Strafverteidiger und Anzeiger tun das während des ganzen Vorverfahrens. Das ist geradezu Anwaltspflicht. Es ist daher bestürzend, wenn ein Justizminister meint, ein Staatsanwalt hätte einem Druck von außen nachgegeben, und er suspendiert ihn dennoch nicht sofort.
- Genauso schlimm wie alle bisher beschriebenen Aktionen ist freilich auch die Qualität des BVT in den Jahren davor. Es war ein bloßes Amt und nicht ein Dienst, der Österreich wirklich gedient hätte. Es hat vor allem nicht – oder zumindest nicht mit der notwendigen Deutlichkeit – vor der größten Gefahr gewarnt, in die Österreich in den letzten Jahrzehnten geraten ist. Das ist die Islamisierung. Das sind die Folgen der Massenmigration aus der Dritten Welt, die zwangsläufig Österreich der Dritten Welt täglich ähnlicher machen werden.
- Das Allerwichtigste aber sind die Konsequenzen, die zu ziehen sind. Die Wichtigste davon: Österreich braucht ein eigenes funktionierendes Geheimdienstgesetz – so wie es fast alle ernstzunehmenden Staaten haben. Deren Regelungen sollte man sich jetzt dringend genau anschauen. Dies zu tun wäre für das Parlament jetzt viel wichtiger, als sich die Empörung eines Portiers anzuhören, weil er bei einer Hausdurchsuchung nicht telefonieren durfte. Dieses Gesetz muss natürlich auch die anderen Geheimdienste erfassen, also auch Heeresnachrichtenamt und Heeresabwehramt; auch diese waren ja immer wieder unter Beschuss der jeweiligen Opposition gewesen. Alle diese Dienste sollten wie in Deutschland unter Kontrolle eines eigenen Regierungsbeauftragten kommen. Dieser sollte sie kontrollieren, ihnen aber auch zugleich wieder die nötige Sicherheit für ihre Tätigkeit geben. Dieser sollte ihnen überdies ermöglichen, wieder sinnvolle wie vertrauliche Gegengeschäfte mit ausländischen Partnern einzugehen. Alle diese drei Dienste brauchen vor allem die Gewissheit, dass sie künftig nicht mehr von jedem x-beliebigen Staatsanwalt und schon gar nicht von ahnungslosen und nur nach parteipolitischem Kleinmist gierenden Parlamentariern öffentlich und zum Gaudium der Ränge zerlegt werden können.
- Und Österreich bräuchte noch etwas sehr dringend: eine intensive kritische Diskussion über den generellen Sinn parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Diesen gibt es nämlich nicht. Seit Jahren erschöpfen sie sich in Streiterei, uneinheitlicher Beurteilung von Zeugenaussagen und Wadlbeißereien.
- Die ideale Lösung wäre, die Fehlkonstruktion solcher U-Ausschüsse abzuschaffen und sich an den "Royal Commissions" in Großbritannien ein Vorbild zu nehmen. Diese arbeiten anstelle täglicher Wortabsonderungen einige Monate in aller Ruhe und Unabhängigkeit, dafür mit allen Mitteln wie eine Kriminalpolizei. Am Schluss aber kommt jedes Mal ein wegweisender Bericht mit Hand und Fuß heraus.
Wünschen wird man sich ja noch dürfen, dass aus der ganzen Malaise doch noch etwas Vernünftiges herauskommt.
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