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Schon in mehreren Beiträgen hat der ORF zuletzt sehr kritisch über die sogenannten "Influencer" berichtet. Das sind Menschen – oft junge Frauen – die auf sozialen Medien, von Youtube bis Facebook und Instagram, Schleichwerbung machen. Sie nehmen von Firmen Geld und preisen dafür von Mode über Urlaubsreisen bis Kosmetik deren Produkte an, wie wenn es ihre unbeeinflusste persönliche Meinung wäre, und verschweigen meist das dafür geflossene Geld. So weit so schlecht und verlogen. Noch verlogener aber ist der ORF, wenn er sich darüber erregt – aber gleichzeitig selber in großem Umfang praktisch dasselbe betreibt.
Das tut er nämlich durch die sogenannten "Produkt-Platzierungen". Hier werden in Sendungen gegen Geld ganz gezielt Produkte genannt oder auffällig verwendet, die von den jeweiligen Herstellern solcherart promotet werden. Da wird keineswegs zufällig ein Getränk der Marke X und nicht ein solches der Marke Y getrunken. Da werden bestimmte Veranstaltungen genannt und andere nicht. Da werden bestimmte Kleidungsstücke getragen und andere nicht.
Das ist im Grund genau dasselbe, was die Youtube-Influencer tun. Das wird nicht besser, wenn am Beginn einer einstündigen ORF-Sendung – übrigens in präpotenter Befehlsformulierung! – kurz gesagt wird: "Beachten Sie die Produkt-Platzierungen"; oder wenn im Nachspann rasch der Hinweis über den Bildschirm rauscht "Eingekleidet von …"
Eigentlich müssten alle Sendungen mit entgeltlichen Produkt-Platzierungen zur Gänze in die Werbezeit einberechnet werden (die ja bei öffentlich-rechtlichen Gebührensendern limitiert ist!). Und ebenso dürften korrekte journalistische Berichte nicht kritische Beiträge über Influencer bringen, ohne auch auf die ganz ähnlichen eigenen Praktiken einzugehen.
Damit kein Missverständnis entsteht: Auch bei Printmedien gibt es unsaubere Praktiken, wo Geld von der werbenden Wirtschaft für Berichterstattung fließt. Das geht über den Umweg von Inseraten (an die Verlage) oder auch direkt (an die betreffenden Journalisten – meist über aufwendige Sachleistungen).
Motor- und Reise-Journalismus sind sogar schon seit langem total verfilzt. Auch ich konnte in meiner Printzeit die in diesen Bereichen seit langem eingewurzelten Praktiken nicht ausrotten. Ich bin aber ein wenig stolz darauf, Anzeichen ähnlicher Usancen im Wirtschaftsteil ausgerottet zu haben, zumindest soweit ich es kontrollieren konnte. Während sich einst zur Weihnachtszeit vor den Türen der Wirtschaftsredakteure oft Pakete stapelten, konnte ich das beenden. Freilich ohne sicher zu sein, ob dann nicht manches halt einfach an Privatadressen ging.
Ähnlich war – ein heute sehr prominenter – Wirtschaftsredakteur sehr erstaunt, als ich ihn nach einem Essen mit zwei Vorstandsmitgliedern eines staatsnahen Unternehmens zur gemeinsamen Rücksendung zweier dabei erhaltener Packerl aufforderte. Denn darin war nicht, wie ich vermutet hatte, irgendein Werbe-Schmonzes – etwa gläserne Briefbeschwerer mit dem Firmenlogo –, sondern es fanden sich zwei (damals) sehr wertvolle Fotoapparate.
Eher unbedenklich erscheint mir hingegen das Akzeptieren von Essenseinladungen. Da widerspräche eine Ablehnung mehr der österreichischen Höflichkeit, als dass man jemanden durch ein gutes Essen wirklich bestechen könnte.
Man kann Journalisten freilich dadurch beeinflussen, dass man ihnen interessante und richtige Informationen zukommen lässt. Das kann man aber auch mit dem gleichen Effekt bei einem Glas Wasser oder Telefonat. Diese – völlig legale – Methode der Medienbeeinflussung durch fast ständiges Zurverfügungstehen und große Gesprächsbereitschaft hat Bruno Kreisky mit Perfektion beherrscht. Er hat so auch eigentlich bürgerlich gesinnte Medienmenschen für sich gewinnen können, wie ich als junger Journalist erstaunt beobachten konnte. Auch ich war zweifellos beeindruckt, als es mir schon im ersten Dienstjahr gelungen war, den Bundeskanzler binnen zehn Minuten am Telefon sprechen zu können.
Hingegen gelten Essenseinladungen ohne Informationswert für die ja heute mehr denn je in Zeitdruck stehenden Journalisten nur noch als Zeitdiebstahl. Selbst wenn das Essen noch so gut sein sollte, werden künftige Einladungen dann meist ins Leere gehen. Auch Anfänger-Journalisten wissen bald, dass es nur bei uninteressanten Pressekonferenzen ein gutes Buffet gibt – weshalb man bei solchen kaum wirkliche Journalisten, sondern meist nur halbseidene Brötchenjäger findet.
Ähnlich unproblematisch sind die Einladungen zu Reisen eines Politikers. Diese werden freilich dann bedenklich, wenn nur politische Sympathisanten mitgenommen werden.
Umgekehrt kann freilich eine egalitäre Einladungsliste bei Journalisten-Mitnahme für den Politiker gefährlich werden, also wenn er unterschiedslos alle und damit auch von Hass getriebene Journalisten mitnimmt. Denn diese suchen in der Regel nur Anlässe, um den von ihnen begleiteten Politiker zu höhnen. Ein berühmtes Beispiel war einst eine Nahostreise von Außenminister Mock: Dieser hatte bei einem Ausflug ans Meer kurze Hosen angehabt – und ein mitreisender SPÖ-naher Journalist hat es verstanden, diesen eigentlich belanglosen Aspekt zum wochenlang dominierenden Thema des gesamten Medienechos hochzuzwirbeln. Motto: "Wie kann man nur bei einer Staatsreise so geschmacklos angezogen sein!"
Wahrscheinlich hat die jetzige Außenministerin Kneissl (die übrigens einst selbst im Kabinett von Mock gedient hatte) in dieser Problematik jetzt die richtigen Konsequenzen gezogen, indem sie keine Journalisten mehr mitnimmt. Für den Steuerzahler ist das jedenfalls günstig. Und in Sachen Sauberkeit ("Compliance") ist das zumindest sicher keine falsche Entscheidung. Freilich hat sich Kneissl bei der Begründung dieses Schritts keineswegs Freunde gemacht, indem sie öffentlich die mitreisenden Journalisten als wenig intelligent hingestellt hat (selbst wenn es stimmen sollte …).
Einladungen zu Flug und Übernachtung, um über die Bilanzpräsentation einer Aktiengesellschaft berichten zu können, scheinen ebenfalls solange unbedenklich, solange man nicht die geringsten Verpflichtungen eingeht. Solche Reisen sind ja ohnedies mehr mit Stress als Annehmlichkeit verbunden.
Allerdings verbieten große westliche und erstaunlicherweise auch einige mittelosteuropäische Qualitätszeitungen prinzipiell die Annahme von Flugreisen oder Essenseinladungen, um nur ja nicht in den Geruch der Bestechlichkeit zu kommen. Das ist durchaus eindrucksvoll – wenn auch mit den Budgets vieler Medien nicht vereinbar.
Letztlich ist es jedenfalls immer eindeutiger Betrug am Leser, am Hörer, am Seher, wenn Geld oder geldeswerte Dinge fließen – und wenn sie die Berichterstattung beeinflussen können. Die diversen Antikorruptionsgesetze haben hingegen ja oft nur Lächerlichkeiten bekämpft – so etwa die berühmten zehn Euro Trinkgeld für einen Polizisten, der einen Gefahrenguttransport begleitet –, aber die wirklichen Sauereien und Betrügereien überhaupt nicht.
Auch diverse Medien-Gremien wie Presserat oder die zahllosen ORF- und Rundfunk-Kontrollgremien weichen dem wirklich Heiklen in großem Bogen aus. Sie verbeißen sich lieber in belanglose Kleinigkeiten.
Die echten Sauereien sind jedenfalls nicht die Influencer-Mädchen. Die nehmen nämlich von ihren Anhängern wenigstens kein Geld. Sie gehören vielmehr in die gleiche Kategorie wie Gratiszeitungen, Free-TV, Billa-Prospekt, Facebook oder Twitter. Bei all diesen Medienarten ist jedem Menschen mit minimaler Intelligenz klar: Gratismedien werden nicht aus Nächstenliebe gemacht, sondern nur weil irgendjemand für die Präsentation seiner Produkte in diesen Medien bezahlt.
Die wirklichen Sauereien sind jene Medien, die vom Konsumenten Geld für Gebühren, für Abonnements oder auch den Einzelverkauf am Kiosk nehmen, die aber gleichzeitig – über die unproblematischen, weil klar erkenntlichen Inserate und Werbespots hinaus – auch von jemand anderem noch Geld nehmen.
Dieses Geld ist absolut immer dazu da, um den Konsumenten zu betrügen. Er bekommt nicht oder nicht ausschließlich das, was er glaubt gekauft zu haben: Berichte, Meinungen und Analysen von Journalisten, die sich allein dem Seher, Hörer, Leser verpflichtet fühlen. Diesem werden vielmehr auch Dinge vorgesetzt, für die hintenherum weiteres Geld geflossen ist.
Dieser Betrug führt zu großen Nett-Artikeln über Firmen und Produkte wie über Politiker und Parteien.
Die noch viel größere Sauerei sind jedoch zweifellos die fast 200 Millionen Euro, die aus österreichischen Steuergeldern völlig unkontrolliert, ohne Ausschreibung und total nach dem (parteipolitischen) Willen einzelner Politiker alljährlich an einzelne Medien fließen. Die praktisch immer nur dazu dienen, damit das Medium den betreffenden Politiker und seine Partei lieb hat, damit das Medium in deren Sinne berichtet.
Bei dieser Sauerei sind sowohl Empfänger wie auch Zahler des Geldes betrügerisch unterwegs. Das ist Betrug am Steuerzahler. Das ist Betrug am Konsumenten. Die Produkt-Platzierungen in Bezahlmedien sind hingegen "nur" Betrug am Konsumenten.
An der doppelten Sauerei der politischen Bestechungen (bei denen die Gemeinde Wien quantitativ weit führend ist) ändert es übrigens auch gar nichts, wenn diese formal über die Schaltung von Inseraten oder als im Kleingedruckten ausgewiesene "Kooperationen" fließen.
Selbstverständlich kann aber auch rein kommerziell scheinende Werbung durch die zahlende Wirtschaft zur Sauerei werden, wenn eine Drohung mit deren Entzug zur direkten Erpressung des Mediums verwendet wird. Was durchaus immer wieder geschieht – auch wenn man es nicht immer erfährt. Aber sehr, sehr oft ahnt …