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In Österreich wird sehr viel gehetzt – besonders gegen alles, was nicht links ist, gegen alles, was die Regierung tut. Das bringt einen oft zur Weißglut, wenn es maßlos und aggressiv übertrieben ist. Freilich sollte man diese Hetze immer im Sinne des Voltaire zugeschrieben Zitats zu akzeptieren versuchen: "Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen." Unerträglich wird es nur, wenn üble Aussagen von einem Staatsanwalt kommen, dem dieser Staat ja das Recht in die Hand gegeben hat, Menschen auch ohne Urteil massiv zu schaden. Was jetzt rund um den Grazer Identitären-Prozess offenbar der Fall ist.
Höchste Justiz-Funktionäre sagten mir dieser Tage beschwichtigend: "Regen Sie sich nicht auf, der Prozess in Graz endet eh zu 99 Prozent mit einem Freispruch, spätestens in der Instanz."
Ich fasse es nicht. Solche Aussagen sind doch noch viel mehr Grund, in Zorn zu geraten! Ein linker Staatsanwalt kann also einfach konsequenzenlos Leute auf Monate, wenn nicht länger durch eine gewaltige Strafdrohung aus dem Verkehr ziehen und mit gigantischen Kosten bestrafen (die Anwaltskosten werden ja auch bei einem Freispruch nicht annähernd voll ersetzt), ohne dass es ein echtes Delikt gegeben hätte. Und manche Leute halten das für in Ordnung.
Der Grazer Staatsanwalt hat - zumindest nach dem Eindruck, den man auch nach Bekanntwerden der Anklage haben muss - primär deswegen angeklagt, weil er die Meinungen und Aussagen der Identitären für falsch hält, weil er sie verachtet. Die rauchende Pistole eines konkreten Delikts ist weit und breit nirgendwo aufgetaucht.
Deshalb hält eine große Mehrheit der befragten Juristen und Wissenschaftler diesen Prozess insgeheim oder auch offen für absurd. Sogar der SPÖ-Justizsprecher hält ihn für falsch.
Dabei haben wir zumindest bisher geglaubt, in einem Rechtsstaat mit Meinungsfreiheit zu leben. In diesem Land kann ein Staatsanwalt jedoch Leute öffentlich als "faul" beschimpfen, die – wie er ihnen absurderweise gleichzeitig als offenbar ebenfalls besonders schlimm vorhält – sechsstellige Euro-Beträge Umsatz mit dem Verkauf von T-Shirts, Plakaten & Co zu machen. Er kann sich über alle demokratischen Regeln hinwegsetzen und ungehindert sagen: Wo die Politik versage, komme der Rechtsstaat (also er!). Er kann ungeniert fragen: "Was hat denn Terrorismus mit einer Moschee zu tun?", als ob nicht 90 Prozent aller Terroristen der letzten Jahre Moslems gewesen wären, als ob nicht im Moscheen-Ambiente weit mehr terroristische Anschläge vorbereitet worden wären als in allen Kirchen dieser Welt.
Und schon gar nicht geht der Staatsanwalt auf die vielen wirklichen Gewaltaktionen in Zusammenhang mit den Identitären ein – die aber alle gegen die Identitären gerichtet waren und nicht von ihnen begangen wurden. Freilich: Da waren ja vermutlich Linke die Täter. Damit befassen wir uns offenbar nicht.
Die ganze Anklageschrift ist juristisch ein einziges substanzloses Geschwurbel. Es darf doch nicht wahr sein, dass da einfach mit empörter Attitüde ein Nichtdelikt nach dem anderen aufgezählt und dann jahrelange Bestrafung dafür angedroht wird. Das ist Peter Pilz in der Staatsanwalts-Robe.
Die Identitären seien gut organisiert, machten Stammtische, setzten Aktionen, betrieben einen regen Merchandising-Handel: Stimmt wohl eh alles – nur wo ist da das Delikt? Es kann ja kein Verbrechen sein, Herr Staatsanwalt, dass Grüne und Rote heute nicht mehr so "gut organisiert" sind, dass wohl kaum jemand noch ein Kern- oder Pilz-T-Shirt kaufen würde (wer gerade Grünen-Obmann ist, fällt mir leider nicht ein). Das mag für manche Staatsanwälte persönlich traurig sein. Das kann aber doch nicht dazu führen, dass man in Österreich Menschen anklagt, weil sie die falsche Gesinnung haben! Wir leben doch nicht in Nordkorea, Venezuela oder Katalonien!
Oder doch?
An meinem Entsetzen ändert es nichts, dass ich Null Sympathie für Aktionismus habe, ob er nun von den Identitären, Greenpeace oder Linksradikalen ausgeht. Aber solange es dabei nicht zu Gewalt, zur Einschränkung der Freiheit anderer oder groben Sachbeschädigungen kommt, ist der Aktionismus hinzunehmen. Und selbst diese Exzesse führen nicht zu sonderlich großer Aufregung bei der Staatsanwaltschaft, wenn etwa die vereinten Linksradikalen von Rot und Grün beim FPÖ-Ball schwer randalieren. Da ist noch nie eine Anklage wegen "krimineller Vereinigung" gekommen, obwohl die Querverbindungen zu einigen studentischen und Partei-Organisationen sehr eindeutig zu sein scheinen.
Ein weiterer dubioser Vorwurf des Staatsanwalts: Die Identitären seien "in ein verhetzerisches Milieu" eingetaucht. Das ist zwar nicht gerade deutsch, und auch "Milieu"-Vorwürfe haben nichts mit einem konkreten Strafparagraphen zu tun, aber es klingt irgendwie dramatisch, wenn es auch mit dem Strafrecht nichts zu tun hat – und es ist völlig unklar, was das genau sein soll.
Jedenfalls hat mich diese Formulierung an ganz andere Ereignisse der letzten Tage erinnert. Da waren ein paar Dinge zu hören, die man noch am ehesten unter den seltsamen Begriff "verhetzerisch" einordnen kann:
Diese Aggressivität, dieser Hass, dieser "verhetzerische" Hass macht tief besorgt, übertrifft jedenfalls alles weit, was man an Äußerungen der Identitären kennt. Dennoch sind auch sie zu ertragen.
Manche zynische Juristen kommentieren das Treiben der Grazer Staatsanwälte unter dem Motto: "Es wird zwar nichts bringen, aber schauen wir es uns halt einmal an, weil es da noch keine Judikatur gibt, die könnte interessant werden". Also: Im Zweifel halt einmal anklagen, weil's interessant sein könnte. Das ist eine Perversion des Rechtsstaats, in dem nur angeklagt werden sollte, wenn man von der Schuld überzeugt ist. Jene Juristen, die so denken, haben offensichtlich längst vergessen, dass auch böse Rechte eigentlich Menschen sind. Diese ihre Haltung gleicht medizinischen Versuchen an lebenden Menschen. Wo ja zweifellos auch "interessant ist", was herauskommt …
Berechtigt klingt nur ein einziges Argument aus dem Justizapparat: Die Politik solle sich doch jetzt nicht über den Grazer Prozess aufregen; sie sei es doch selbst gewesen, die in den letzten Jahren die Paragraphen der "Verhetzung" und "kriminellen Vereinigung" mehrfach verschärft hat. Haupttäter: der schwarze Justizminister Brandstetter (skandalöserweise jetzt im Verfassungsgerichtshof versorgt), der rote Justizsprecher Jarolim (der jetzt mutigerweise die Grazer Anklage auch öffentlich kritisiert) und davor die linksradikale SPÖ-Justizministerin Maria Berger (skandalöserweise einst in den EU-Gerichtshof hinauf entsorgt).
Jarolim ist bei seiner Kritik am Prozess zugute zu halten, dass man auch klüger werden kann. Nur: Eigentlich sollte er es nun auch wirklich werden und einen Antrag zur Änderung der Meinungsfreiheits-Knebelungsparagraphen "Verhetzung" und "kriminelle Vereinigung" einbringen.
Und wenn Jarolim das nicht tut, dann könnten – und sollten – die beiden Regierungsparteien aktiv werden und Gesetzesänderungen vorschlagen. Sollten sie jedoch aus Angst vor den Linksradikalen zu feig sein, den üblen Meinungsparagraphen "Verhetzung zu Hass" – also zu etwas völlig Undefinierbarem, zu einem rein persönlichen Gefühl – abzuschaffen, gäbe es ja noch eine Alternative. Man könnte zumindest die skandalöse Ungleichbehandlung in jenem Paragraphen abschaffen. Also dass man zwar unbegrenzt gegen Priester, Unternehmer, Jäger, Bauern hetzen darf, nicht aber gegen Moslems und Migranten.
Man könnte auch Aktionismus strenger bestrafen (also beispielsweise das Anbringen von Plakaten an fremden Häusern oder die Sprengung von Theateraufführungen). Aber das muss dann eben auch wieder für alle gelten.
Gerade dieses Tagebuch hat in all diesen Jahren vehement vor der Entwicklung einer Meinungs- und Politjustiz gewarnt. Und blieb ungehört. Dieser Staat ist in den letzten Jahren sehr tief in einen neuen Vormärz, in die Zeiten einer neuen Meinungsknebelung hineingerutscht. Damals durch die Herren Gentz und Metternich, heute durch die Staatsanwälte.
Wie nahe wir da dran sind, zeigte jetzt auch ein Fernsehauftritt eines Sektionschefs aus dem Justizministerium, der den Staatsanwälten indirekt vorgesetzt ist (dass wir darüber theoretisch auch noch einen Justizminister haben, ist ja schon seit langem niemandem mehr aufgefallen). Der Beamte rechtfertigte die Anklage und berief sich dabei auf ein paar seltsame Zeugen: auf Kritik an den Identitären (die aber weit weg von einem konkreten strafrechtlichen Vorwurf bleibt) ausgerechnet durch das BVT (gegen das gerade andere Staatsanwälte desselben Ministeriums vorgehen …) und durch das DÖW (das ganz zufällig am finanziellen Tropf der Gemeinde Wien hängt); sowie auf Texte der UNO (in deren "Menschenrechtsrat" offenbar für das Justizministerium vorbildliche Länder wie China, Venezuela, Kuba und Kirgisistan sitzen, wobei dieser Rat vor allem durch Kritik an Israel auffällt). Zugleich zeigt er sich stolz, dass es immer mehr Anklagen nach dem Meinungsparagraphen gibt. Ein schlimmer Auftritt.
Treiben sie es wirklich so schlimm, bis nicht nur ein neuer Nestroy, sondern auch ein neues 1848 kommt? Werden sich als Reaktion auf die Hassaktion der Staatsanwaltschaft die Identitären nun tatsächlich radikalisieren? Wird am Ende der Grazer Prozess die gegenteilige der von Justizministerium und den linken Staatsanwälten beabsichtigten Wirkung haben, dass sich nämlich als Reaktion der Zulauf zu den Identitären gewaltig verstärken wird?
Das wäre nicht ganz überraschend. Engagieren sich diese doch ganz gegen das, was auch die meisten Österreicher für das Bedrohlichste halten: gegen Islamisierung und Völkerwanderung. So wie (zum Glück) jetzt auch die Regierung Kurz.