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Ein doppeltes Wunder: Jean-Claude Juncker ist erstens (wieder einmal) schier über Nacht von seinen Jahrzehnte alten "Ischias"-Schmerzen befreit. Und er hat zweitens zusammen mit US-Präsident Donald Trump einen absolut in die richtige Richtung gehenden Konsens zur Vermeidung eines Handelskrieges erzielt, dessen Realisierung Anlass zu großem Jubel wäre.
Damit scheint sich wie im Falle Nordkoreas die hemdsärmlige und in totalem Kontrast zur traditionellen Diplomatie stehende Strategie Trumps als absolut erfolgreich erwiesen zu haben: Zuerst grobe, ja beleidigende Worte und äußerst schmerzhafte Maßnahmen, also Sanktionen beziehungsweise Strafzölle. Und dann der große "Deal".
Weder Nordkorea noch die EU hätten sich ohne dieses dramatische Vorspiel auch nur einen Millimeter bewegt. Dessen Wirkung wird durch die Front der Trump hassenden Medien noch vervielfacht: Je dünkler die Farben sind, in denen sie Trump als wahnsinnigen Primitivling porträtieren, umso mehr fürchtet ihn die jeweilige Gegenseite. Und gibt daher nach.
Nordkorea hat jedenfalls nun schon die zweite Atom- beziehungsweise Raketenanlage abgebaut, wie Satellitenaufnahmen beweisen. Und es hat immerhin schon seit acht Monaten weder einen Nukleartest gemacht noch eine Rakete gestartet. Gewiss: Die Trump-Hassmedien werden das nie als Erfolg akzeptieren. Nordkorea könnte ja morgen schon wieder das Gegenteil machen. Das ist zwar tatsächlich nie auszuschließen, wäre aber wegen der allgemein gefürchteten Unberechenbarkeit Trumps und der Wirksamkeit der erstmals wirklich harten Sanktionen recht unlogisch.
Genauso positiv und für viele überraschend ist das, was jetzt Trump und Juncker nach ihrem Gespräch verkündet haben:
Gewiss: Das sind vorerst naturgemäß nur Vorhaben. Aber es sind gute Vorhaben. Und man kann damit rechnen, dass auch hier der Trump-Effekt eintritt: Gerade weil man ihn so fürchtet, ist zu erwarten, dass sich in der EU nicht wieder die Zögeranten durchsetzen werden.
Dazu kommt der rhetorische Kneipp-Effekt der Trump-Äußerungen, sein ständiges und zermürbendes Kalt-Heiß. Plötzlich preist er Juncker in den höchsten Tönen und redet von "enger Freundschaft" mit der EU – nur wenige Stunden, nachdem er diese wörtlich als "Feind" bezeichnet und signalisiert hat, lieber mit einzelnen Ländern als mit der EU als Ganzes zu verhandeln.
Ein solches Verhalten ist kaum erträglich – aber es wirkt!
Auffällig ist auf der europäischen Seite, dass Frankreichs Bremsversuche schiefgegangen sind. Die Franzosen wollten ja, dass die USA zuerst ihre Strafzölle auf Stahl und Aluminium abschaffen, bevor Europa verhandelt. Die Strafzölle bleiben. Und Europa verhandelt dennoch.
Andererseits stellt das Verhandlungsergebnis für Deutschland einen großen Erfolg dar (und damit auch für die so eng mit Deutschland verbundene österreichische Wirtschaft). In den letzten Tagen hat eine Stimme aus der deutschen Wirtschaft nach der anderen genau das gefordert, was jetzt als Ziel vereinbart worden ist.
Bei Juncker ist gleichzeitig schon seit Beginn seiner Tätigkeit klar, dass er sich primär als verlängerten Arm Deutschlands und vielleicht nicht ganz zu Unrecht von Berlin abhängig sieht. Und seit seinen Alkohol-Eskapaden umso mehr.
Jedenfalls wäre es absolut ideal für die Menschen zu beiden Seiten des Atlantiks, wenn das von Trump und Juncker festgelegte Ziel Wirklichkeit werden sollte: also eine umfassende Freihandelszone samt Angleichung der Standards, der nicht in Zollsätzen bestehenden Handelshindernisse.
Diese Handelshindernisse sind ja fast wichtiger als die reinen Zollsätze – auch wenn sich Politiker oft darüber lustig gemacht haben, dass es (beispielsweise) sogar für Traktorsitze gemeinsame Standards gibt. Aber die sind absolut wichtig, wenn es wirklichen Freihandel geben soll, weil sonst halt der Handel durch (oft gezielt hergestellte) Regel-Unterschiede schikaniert und blockiert werden könnte. Wenn Traktorsitze in jedem Land anders aussehen müssten, dann können sie eben nicht kostengünstig durch jene produziert werden, die das am effizientesten können.
Im Grund heißt das alles: Es wird wieder über ein Freihandelsabkommen TTIP verhandelt. Die diesbezüglichen Verhandlungen sind von Trump bei Amtsantritt schubladisiert und von linken Europäern wild bekämpft worden. Das ist derzeit wohl die größte Gefahr.
Vielleicht kann aber die in den letzten Wochen ausgebrochene Panik wegen der Gefahr eines Handelskriegs die zum Teil absurden Widerstände gegen ein großes transatlantisches Freihandelsabkommen überwinden. Diese Widerstände wird es natürlich genauso wieder geben. Sie werden wieder von grünen und linksextremen NGOs wie auch vom Chef der Handelskette "Spar" kommen, der sich vor einer neuen (für die Konsumenten erfreulichen, für ihn unangenehmen) Konkurrenz fürchtet und der deshalb auch gleich die von ihm mit Inseraten gefütterte "Kronenzeitung" ins Anti-TTIP-Lager treibt.
Eines sollte dennoch jetzt schon klar sein: Das Trump-Juncker-Ziel kann nur realisiert werden, wenn dabei auch ein neutrales Schiedsgericht installiert wird. Denn es wird eine Instanz brauchen, die unabhängig entscheidet, ob jetzt (beispielsweise) irgendeine Traktorsitz-Vorschrift ein erlaubtes Handelshemmnis ist oder nicht. Es kann doch niemand im Ernst glauben, dass sich die Europäer auf eine Situation einlassen dürften, wo ein amerikanisches Gericht solche Fragen klärt. Oder dass die Amerikaner jemals ein europäisches Gericht akzeptieren würden, dass über sie urteilt.
Es gibt neben der Lehre aus dem Handelskrieg-Schock noch einen weiteren neuen Grund, weshalb ein großes transatlantisches Freihandelsabkommen inzwischen wichtiger ist denn je: Dieses wäre die ideale – wenn nicht gar einzige – Formel, wie aus dem keineswegs nur von den Briten verschuldeten und keineswegs nur für die Briten bedrohlichen Brexit-Schlamassel noch eine gute Lösung werden könnte. Mit anderen Worten: Das Vereinigte Königreich müsste in einem TTIP-Neu als gleichberechtigter Dritter Partner werden. Dann wären die zwei größten Probleme Europas mit einem Schlag gelöst.
Gewiss: In all dem liegt noch viel "müsste" und "sollte". Aber seit ein paar Stunden dürfen wir wenigstens wieder hoffen, und zwar mehr denn seit langem. Und Trump kann hoffen, dass die November-Zwischenwahlen für ihn jetzt doch gut ausgehen werden.
PS: So erfolgreich sich zumindest aus heutiger Sicht die Strategie Trumps in Sachen Nordkorea und EU entwickelt, so wenig erfolgreich war er gegenüber Russland bei seinem Gipfeltreffen mit Wladimir Putin. Wobei man über den Grund nur rätseln kann: Ist ihm Putin als Taktiker überlegen? Hat Trump Russland gegenüber den Fehler begangen, im Vorspiel auf ein ähnlich schmerzhaftes Anziehen der Daumenschrauben zu verzichten? Sind ihm der Kongress und Russlandvermittler Mueller mit ihrer übertrieben scheinenden Russland-Phobie in den Rücken gefallen, sodass er keinen Bewegungsspielraum hatte?