Der Boom blieb ungenutzt
17. Juli 2018 01:27
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 2:30
Vieles deutet darauf hin, dass die kurze Phase eines Konjunkturbooms jetzt schneller zu Ende geht, als wir gedacht und gehofft haben. Gleichzeitig müssen wir uns der bangen Frage stellen, ob wir den Boom genutzt haben, um diesmal besser auf die nächste Flaute oder gar Krise vorbereitet zu sein.
Die Summe der besorgt machenden Signale ist jedenfalls gewaltig:
- Da haben die neuen italienischen Regierungsparteien so viel versprochen, dass die nunmehrigen Mäßigungsversprechen des Finanzministers nicht mehr ernst zu nehmen sind. Dabei hat Italien jetzt schon zusammen mit Griechenland die weitaus höchste Staatsverschuldung. Sollten die Zinsen nur ein wenig steigen, dann gehen etliche große Banken pleite.
- Da verlangen von Italien über Griechenland bis Frankreich viele Mittelmeerstaaten, dass Deutschland, Österreich & Co noch mehr als bisher ihre nie abgebaute Schuldenlast teilen. Und zumindest die deutsche SPD samt der schwankenden Bundeskanzlerin zeigt etliche Bereitschaft, auf diese Wünsche einzugehen.
- Da hat der US-Präsident in so viele Richtungen einen Zoll- und Handelskrieg erklärt, dass das unweigerlich zu einem Absacken der Weltwirtschaft führen muss. Zugleich schwindet die Hoffnung, dass diese Kriege bald durch einen "Deal" beendet werden könnten. Denn auch wenn Handelskriege als alle Seiten beschädigend zu verdammen sind, so ist ebenso zu kritisieren: Von Europa bis China fehlt die Einsicht, dass sich auch die USA zu Recht diskriminiert fühlen, von höheren Zollsätzen der Gegenseiten auf amerikanische Produkte bis zum Diebstahl von Technologie durch Chinesen.
- Da schaden zusätzlich die politischen Sanktionen gegen Iran, gegen Russland und (noch immer) gegen Nordkorea der Weltwirtschaft, selbst wenn sie inhaltlich voll berechtigt sein sollten.
- Da besteht am Golf echte Kriegsgefahr, wenn Iran wie angedroht als Rache für die Sanktionen die Straße von Hormuz zu verminen beginnen und damit den gesamten Ölexport auch Saudiarabiens und der Emirate lahmlegen sollte.
- Da wurden durch die Nullzinspolitik der EZB nicht nur die Sparer um Hunderte Milliarden beraubt, nicht nur gefährliche Blasen insbesondere am Immobilienmarkt angefüllt, sondern auch viele Lebensversicherungen in echte Existenzgefahr getrieben.
- Da sind große Länder wie die Türkei, aber auch Russland und Iran (die beiden Letztgenannten nicht nur durch die Sanktionen, sondern auch) durch schwere eigene wirtschaftspolitische Fehler schon jetzt in einer schweren Krise.
- Da droht der Brexit zu einem unkoordinierten Bruch zu werden.
Jetzt steht Europa vor bangen, und von der Politik verdrängten Fragen:
- Haben wir den Boom genutzt, um die Staatsverschuldung unter das Niveau vor der Krise 2008 zu drücken?
- Haben wir dereguliert, damit die Wirtschaft in Europa wieder bessere Startchancen hat?
- Haben wir unsere Steuerlasten gesenkt, damit wir im internationalen Wettbewerb besser dastehen?
Wir alle kennen die traurigen Antworten auf diese Fragen.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".
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