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Nachdem die Mathematik-Zentralmatura heuer vor allem in den berufsbildenden Schulen besonders schlecht ausgefallen ist, ist nun vom Ministerium heimlich der Auftrag gegeben worden, dort Noten "unabhängig von der Punkteanzahl" zu vergeben. Das wird bewusst deshalb nur geheim ausgegeben, weil es glatt rechtswidrig ist. Denn im entsprechenden Erlass des Bildungsministeriums heißt es ja: Der Lösungsschlüssel ist bei "Korrektur und Bewertung" – also beim Notengeben – "verbindlich anzuwenden" (mit nachträglicher Ergänzung).
Auch wenn es im nunmehrigen Schreiben an berufsbildende Schulen – das sind etwa Handelsakademien oder die Anstalten für Kindergartenpädagogik – nicht ausdrücklich steht, so ist eindeutig klar, dass man mit diesem nachträglichen Schreiben die Zahl der negativen Noten reduzieren will, die ja für beträchtliches Aufsehen sorgt. Unklar ist nur das dahinterstehende Motiv: Will man politischen Ärger vermeiden – oder will man vertuschen, dass bei der Formulierung der Mathematik-Zentralmatura-Themen durch unverständliche Formulierungen und (absichtlich?) versteckte Fallen gewaltig gepfuscht worden ist?
Jedenfalls stellt dieser heimliche Gnadenakt für die berufsbildenden Schulen eine glatte Diskriminierung der AHS dar. Das bekommt auch deshalb einen zusätzlichen Hautgout, weil in diesen berufsbildenden Schulen der Ausländeranteil deutlich höher ist als in den allgemeinbildenden.
In der offiziellen Beurteilungsanleitung, die ja auch den Schülern kommuniziert worden ist, steht hingegen eine ganz eindeutig Liste, welche Note man mit einer bestimmten Punkteanzahl bekommt. So gibt es beispielsweise ab 43 Punkten ein "Sehr Gut", und unter 22 Punkten ein "Nicht genügend". Jetzt gilt alles plötzlich nicht mehr.
Übrigens: Diese "Anleitung" des Bildungsministeriums hat schon vor dem nunmehrigen Manipulationsskandal ein Nicht Genügend verdient, nämlich in Sachen Klarheit der Kommunikation. In guten alten Zeiten wären da überdies vor der Veröffentlichung schwere Rechtschreibfehler eliminiert worden, etwa im Satz: "Entsprechend der Verordnung Leistungsbeurteilung ist eine qualitative, den pädagogischen und fachdidaktischen Erfordernissen gemäß dem gültigen Lehrplan entsprechende Bewertung und Beurteilung der erbrachten Leistungen vorzunehmen." Auch wenn man noch so verschroben, verhaspelt und unverständlich formuliert, sollte da halt statt des Wortes "ist" eindeutig ein "sind" stehen. Aber gut: Es ist ja nur das Bildungsministerium.
Und zugegeben: Beim Allerwichtigsten, beim Gendern, ist den "führenden Mathematik-Fachdidaktikerinnen und -Fachdidaktikern" absolut kein Fehler unterlaufen. Angesichts dieser gewaltigen Leistung hat man dann halt offensichtlich nicht mehr viel Energie für verständliche und korrekte Kommunikation in Erlässen oder Matura-Aufgaben. Oder hält jemand die Formulierung "ganzheitlich qualitativ betrachtet" für verständlich, klar und nachvollziehbar?
Man kann nur hoffen, dass die eigenen Kinder und Enkel bessere Lehrer haben, als es die Oberpädagogen aus dem Ministerium sind.
Hier noch der Wortlaut des an einige oder alle BHS ergangenen Mails, das mir aus Tirol zugespielt worden ist (ebenfalls samt allen sprachlichen Holperstrecken und Deutschfehlern):
"Sehr geehrte Frau Direktor, sehr geehrter Herr Direktor,
liebe Kollegin, lieber Kollege,
nach Rücksprache mit Mag. Martin Hofer, dem Hauptverantwortlichen für sRDP Angewandte Mathematik im bmbwf, und LSI Brigitte Stolz gibt es noch eine Ergänzung zum Mail von gestern:
In der Korrektur- und Beurteilungsanleitung zur SRDP steht:
"Nach der Punkteermittlung soll die Arbeit der Kandidatin/des Kandidaten nochmals ganzheitlich qualitativ betrachtet werden. Unter Zuhilfenahme des Punkteschemas und der ganzheitlichen Betrachtung ist von der Prüferin/vom Prüfer ein verbal begründeter Beurteilungsvorschlag zu erstellen, wobei die Ergebnisse der Kompetenzbereiche A und B in der Argumentation zu verwenden sind."
Laut Mag. Hofer kann jede Lehrperson – unabhängig von der Punkteanzahl– eine entsprechende Note beantragen. Jede Arbeit ist einzeln qualitativ zu betrachten und dafür ein Gesamtgutachten abzugeben. Daher kann nicht generell eine Punkteanzahl von beispielsweise 20 Punkten angegeben werden, die für eine positive Beurteilung reichen. Es kommt wirklich auf die Argumentation an.
Die Entscheidung über das Stattgeben des Antrages obliegt dem Vorsitz.
Dies gilt für alle Noten und nicht nur für das Nicht genügend. Insbesondere beim Genügend ist die Spanne zum Befriedigend sehr groß (10 Punkte sprich 10 Aufgaben). Was man jetzt auf jeden Fall empfehlen kann ist, dass man bei Arbeiten, die klar Befriedigend sind, aber laut Punkteschlüssel doch Genügend wären, von der Möglichkeit Gebrauch macht, aufgrund der qualitativen ganzheitlichen Betrachtung für Befriedigend zu argumentieren.
Insofern sollten bei allen Arbeiten das Gesamtbild entscheiden, um ein gerechtes Bild zu liefern.
LG
U. Kersten
HLWEst Innsbruck
Technikerstraße 7a
6020 Innsbruck
Wir entnehmen diesem Mail also, dass nicht nur (sowohl in Innsbruck wie in Wien) die Frage Singular vs. Plural ein überschätztes Detail ist. Das ist darüber hinaus auch die seit Jahren bei Zehntausenden Maturaarbeiten streng beachtete Punktezahl. Vielmehr gilt ab jetzt nur noch ein ganz anderes oberstes Prinzip: "Es kommt wirklich auf die Argumentation an".
Nachträgliche Ergänzung: Dieser Bericht hat nun eine lobenswerte Reaktion des Bildungsministeriums ausgelöst. Dieses stellt ausdrücklich fest, von Frau Kersten, der Arbeitsgemeinschafts-Leiterin der Tiroler Mathematiker, "falsch zitiert" worden zu sein. Es bleibe dabei, "dass die erreichte Punkteanzahl der Klausurarbeit einer Kandidatin/eines Kandidaten" mit der Note, die durch den Beurteilungsschlüssel dieser Punkteanzahl zugeordnet ist, übereinstimmen muss". Im Ministerium wird freilich überdies klargemacht, dass die Zentralmatura im kommenden Jahr komplett reformiert werden muss.