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Die zwei Regierungswechsel in Italien und Spanien gehen in die jeweils entgegengesetzte politische Richtung. Das ist an sich nicht aufregend – außer dass eine politische Linksverschiebung, wie sie in Spanien stattgefunden zu haben scheint, in Europa etwas absolut Ungewöhnliches geworden ist. Aber beide Exempel zeigen weit darüber hinaus eine geradezu atemberaubende Ironie der Geschichte.
Besonders Spanien. Dort muss sich jetzt der gestürzte konservative Premier Rajoy – sollte er ehrlich sein – sagen: Hätte ich nicht so hasserfüllt die nach Autonomie und Selbständigkeit strebenden Katalanen verfolgt, wäre ich jetzt noch Regierungschef.
Das wäre vor allem dann der Fall, wenn Rajoy Katalonien in die Unabhängigkeit gehen hätte lassen. Dann hätte die Linke keine Sekunde eine Chance auf eine Mehrheit in Spanien bekommen.
Der Sturz Rajoys ist aber nicht nur Anlass zu homerischem, ja geradezu schadenfrohem Gelächter über die Selbstbeschädigung eines Politikers. Er ist auch Anlass zur Hoffnung: Die Sozialisten werden zwar sicher auch in Spanien keine funktionierende Wirtschaftspolitik zusammenbringen. Sie sind aber die einzige Hoffnung, dass das Katalonien-Problem friedlich gelöst werden wird. Die Hoffnung darauf ist zwar nicht groß, aber die Sozialisten sind eben die einzige Hoffnung.
Der zentralistische Nationalismus von Rajoy – von dem eine direkte Spur zurück zu Franco führt – war dumm und schlimm und eine große Bedrohung für den europäischen Frieden. Gerade ein Spanier, der stolz auf sein Land sein will, darf doch nicht glauben, dass man auf ein Land wirklich stolz sein kann, dass andere Völker beherrscht, die nicht von ihm beherrscht werden wollen.
Verdient nicht auch die aufgedeckte Korruption von Rajoys Partei – der aktuelle Anlass seines Sturzes – eine saftige Strafe? Im Prinzip ja. Aber bei nüchterner Betrachtung sollte man sich schon im klaren sein, dass die Beträge, um die es da in Spanien geht, nur ein Trinkgeld im Vergleich zu den Beträgen sind, die in Österreich an Bestechungskorruption alljährlich aus Steuergeldern an willfährige Medien fließen, vor allem, aber nicht nur aus dem Wiener Rathaus. Dabei aber macht die Staatsanwaltschaft seit Jahren hemmungslos die Mauer.
Auch Italien macht in diesen Stunden glauben, die Geschichte wäre wirklich ein handelnder Akteur und würde sich bisweilen einen Spaß erlauben. Anders ist es fast nicht erklärlich, dass ausgerechnet im Heimatland von EZB-Chef Draghi der gesamten EZB-Politik eine so lange Nase gedreht wird. Draghi hat seine abenteuerliche Politik ja sogar ganz eindeutig im Interesse seiner Heimat gemacht, die ihre Schuldenfreudigkeit seit Jahren nur mit Gratiskrediten der EZB finanzieren kann. Und jetzt das! Jetzt droht ausgerechnet wegen Italien das gesamte wider alle ökonomischen Gesetze betriebene EZB-Haus in sich zusammenzubrechen.
Es braucht freilich nicht extra betont zu werden, dass Herr oder Frau Geschichte der einzige Zaungast wäre, der darüber lachen kann. Für uns Europäer wird das hingegen alles sehr bitter werden. Denn Italiens neue Regierung wird natürlich nicht von sich aus dem Euro austreten, sondern viele ihrer demagogischen Versprechungen an die Wähler durch noch mehr EZB-Kredite finanzieren. Und mit Sicherheit wird Draghi alles finanzieren.
Er und viele andere Europapolitiker werden zwar hie und da böse mit dem Finger drohen. Aber es scheint völlig unvorstellbar, dass die EZB jetzt gegenüber Italien das tut, was das einzig Richtige wäre: dem Land nämlich den Kredithahn abzudrehen, wenn es noch undisziplinierter agiert, als es das jetzt schon unter der bisherigen Linksregierung getan hat. Dieser Kredithahn hat sogar zwei Auslässe: Der eine ist der ständige Kauf von Staatsanleihen durch die EZB; der andere sind die sogenannten Target-Schulden, die Italien über die gemeinsame Währung als scheinbaren Zahlungsausgleich geradezu unbegrenzt eingeht, ohne dass jemand etwas dagegen tun kann.
So sehr die Geschichte über die verlogenen Europäer lacht, so traurig ist es für uns, dass die großartige Idee einer gemeinsamen Währung kaputt gemacht worden ist. Nicht weil die ursprünglichen Spielregeln falsch waren, vielmehr weil sie brutal gebrochen worden sind.
Allgemeines Lachen ist hingegen zum Fall jenes Ministers am Platz, wegen dessen EU- und Euro-kritischer Haltung der italienische Staatspräsident zuerst die Regierung verhindern wollte. Nun wird der Mann zwar nicht wie ursprünglich vorgesehen Wirtschaftsminister, statt dessen wird er – Europaminister! Also als Strafe, weil er zu europafeindlich sei, darf er zwar nicht Wirtschafts-, aber Europaminister werden.
Das bestätigt: Italiens Politik ist wirklich bei allen tragischen Aspekten immer auch eine köstliche Komödie. Köstlich sind aber auch noch ein paar weitere Fußnoten zur italienischen Regierungsbildung:
PS: Apropos Schwulenfestival: Es würde sicher zu weit gehen, auch die schweren Regenfälle in Klagenfurt, deretwegen das Fußballspiel Österreich-Deutschland in den Abend hinein verschoben werden musste, und den viele Fußballfans begeisternden Sieg der Österreicher in die Rubrik "Ironie der Geschichte" einzuordnen. Aber es war schon köstlich, dass deswegen die Zwangsbeglückung des ORF, der über den Schwulenball und die dort auftretenden B-Promis im Hauptabendproprgamm intensiver und länger berichten wollte als etwa über den Opernball, um Stunden nach hinten verdrängt worden ist. Viele Österreicher haben jedenfalls beides als sehr erfreulich empfunden.