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Der Zwölfstunden-Tag: Es läuft ziemlich blöd für die Gewerkschaft

SPÖ und Gewerkschaft hatten geglaubt, mit dem Kampf gegen das neue Arbeitszeitgesetz ein gutes Schlachtfeld gefunden zu haben, um endlich einen Krieg gegen die verhasste schwarz-blaue Koalition zu gewinnen. Sie haben aber zuletzt eigentlich fast alle Scharmützel im Arbeitszeit-Krieg verloren, auch wenn die Gegenseite anfangs sehr schwach agiert hat. In den letzten Tagen aber hat sich vor allem die Rotfront selbst mehrfach lächerlich gemacht.

Der angesagte Krieg verläuft genau nach dem Motto der früheren Friedensbewegung: "Stell' Dir vor, es wird der Krieg ausgerufen und keiner geht hin." Auch wenn die Spin-Doktoren der Rotfront täglich neue "Experten" aufmarschieren lassen, und auch wenn der ORF flächendeckend über jede einzelne regierungskritische Stimme berichtet, ist fast niemand in diesem Land am Kampf der Gewerkschafter und Betriebsräte interessiert.

Die Österreicher hingegen interessiert seit drei Jahren ein ganz anderes Thema. Und genau dieses Thema wird eben von ÖVP und FPÖ – gegen SPÖ und fast alle Medien – exzellent abgedeckt.

SPÖ, Arbeiterkammer und Gewerkschaft stehen aber auch im Arbeitszeit-Krieg chancenlos da. Aus mehreren Gründen:

  1. Erstens ist es eben zu offensichtlich, dass sie aus ihrer tiefen Depression heraus halt einen strategischen Ausbruch unternehmen.
  2. Zweitens ist es zu offensichtlich, dass sie verzweifelt versuchen, mit der Zwölfstundentag-Kampagne vom weitaus wichtigsten Anliegen der Österreicher – dem Verlangen nach einem Stopp der Völkerwanderung – abzulenken. Vor allem will die Linke davon ablenken, dass sie selbst in der Migrationsfrage total gespalten und uneins ist. Während die eine Hälfte der roten Minderheit mit masochistischem Eifer weiter für das "Welcome Refugees" eintritt, will die andere Hälfte unter dem Druck der Basis eigentlich längst ins Lager der Migrationsgegner umschwenken (so etwa die burgenländische SPÖ, die Hälfte der Wiener SPÖ und sehr viele Gewerkschaftsmitglieder; siehe aber auch einen Teil der deutschen Grünen, vor allem in Tübingen beziehungsweise Baden-Württemberg).
  3. Drittens ist es zu offensichtlich, dass der einzige relevante Punkt, den das neue Gesetz bringen wird, schlicht in einer Machtverschiebung von den Betriebsräten zu den einzelnen Arbeitnehmern besteht, dass aber sonst gar nichts "Böses" mehr in dem Gesetz drinnensteht. Während bisher jede Arbeitszeit-Flexibilisierung am Veto eines destruktiven Betriebsrates scheitern konnte (oder einem Betriebsrat teuer – mit nicht immer sauberen Gegenleistungen – abgekauft werden musste), kann künftig jeder einzelne Arbeitnehmer selbst ohne Einschaltung von Apparatschiks über die Bereitschaft zu Überstunden entscheiden. Er kann das nach den eigenen Interessen tun – die halt öfter als bei Betriebsräten auch im Interesse am guten Fortbestand eines Unternehmens und damit des eigenen Arbeitsplatzes bestehen. Betriebsräte hingegen verlieren ja bekanntlich als Letzte den Job, wenn ein Unternehmen in die Krise schlittert. Es geht also einzig um einen Machtkampf dieser – oft dienstfreigestellten und sich wie Betriebskaiser aufführenden – Betriebsräte.
  4. Viertens hat die Rotfront den besten und wohl einzigen Moment versäumt, sich zum Sieger des Konflikts zu erklären. Das war, als die Koalition die Freiwilligkeit ausdrücklich ins Gesetz hineinzuschreiben versprochen hat – eigentlich ein Erfolg der Proteste. Aber statt sich deswegen als Sieger und damit doch noch irgendwie relevant zu feiern, hat man diese Regierungskonzession als bedeutungslos abgetan.
  5. Fünftens gibt es eine klare parlamentarische Mehrheit für die Regierungspläne. Diese Tatsache sollte in einer Demokratie eigentlich respektiert werden – zumindest wenn man demokratisch ist.
  6. Und sechstens wäre dieses Thema eindeutig etwas für eine direktdemokratische Volksabstimmung, wie es die SPÖ verlangt (ebenso wie etwa die Abschaffung von ORF- und Arbeiterkammer-Zwangsbeiträgen oder ein viel restriktiveres Asylgesetz). Freilich halten es auch viele Genossen insgeheim für sehr fraglich, ob sie eine solche Abstimmung gewinnen würden. Aber wir haben eben (leider) keine Direkte Demokratie, denn die jeweilige Regierungsmehrheit war immer daran desinteressiert. Am allerschärfsten hat gerade die SPÖ selbst die Direkte Demokratie abgelehnt - solange sie in der Regierung gesessen ist …

Zu all diesen Problemen ist in den letzten Tagen noch ein zweiter großer Problembereich für die Rotfront SPÖ/ÖGB/AK/ORF gekommen: Sie hat sich mehrfach blamiert und an Glaubwürdigkeit verloren. Die Koalition hingegen scheint sich jetzt erfangen zu haben, nachdem sich am Anfang Arbeitgeber-Vertreter und Sozialministerin durch Unkenntnis der arbeitsrechtlichen Details blamiert haben und die rote Herausforderung nicht ernst genommen haben. Die Erholung dieser Koalition passierte freilich erst, als Bundes- und Vizekanzler selbst die Dinge in die Hand genommen haben.

Umso deutlicher fallen jetzt die vielen Aspekte der roten Blamage auf:

  • So hat die Arbeiterkammer in einer Aussendung über Bundeskanzler Kurz gehöhnt, der ihr die Bezahlung von Teilnehmern an einer Anti-Regierungs-Demonstration vorgeworfen hat: "Die AK muss in diesem Fall die DemonstrationsteilnehmerInnen enttäuschen. Es werden diese Kosten nicht übernommen, auch dann nicht, wenn es der Bundeskanzler in Ordnung findet." So klang es noch am Mittwoch. Aber schon am Donnerstag veröffentlicht die Kronenzeitung ein Faksimile, aus dem klar hervorgeht, dass der ÖGB nicht nur die Fahrtkosten, sondern auch die Hotelkosten in Wien bei Anmeldung zur Demonstration zahlt. Die AK hat also die Unwahrheit, klassische Fake News produziert. Die Kosten der Demo-Teilnehmer werden sehr wohl übernommen. Dass den Spaß nicht die AK – wie Kurz gesagt hat –, sondern der ÖGB zahlt, ist völlig irrelevant. Denn erstens agieren Arbeiterkammer und Gewerkschaft seit jeher wie Siamesische Zwillinge. Denn zweitens hat die AK eben wider besseres Wissen behauptet, die "Kosten werden nicht übernommen". Denn drittens gibt es viele Geldflüsse von der AK mit ihren Zwangseinnahmen zu dem unter Mitgliederschwund leidenden ÖGB. Und viertens kann man sowieso keinem Ausländer erklären, wieso es in Österreich überhaupt neben der Gewerkschaft noch eine Kammer mit Pflichtmitgliedschaft und Zwangsgebühren gibt.
  • So spricht es auch nicht gerade für die Intelligenz der Gewerkschaftsbosse, dass die Rotfront-Demo knapp vor einem Spiel der Fußballweltmeisterschaft beginnt, was wohl bald viele vom ÖGB nach Wien gebrachte Wochenendtouristen zu einem der Wiener Public-Viewing-Plätze abbiegen lassen wird, oder gleich direkt in den Prater.
  • So sorgen die von ÖGB/AK/SPÖ/ORF aufgebotenen – ringsum völlig unbekannten – Gesundheits-"Experten" für Gelächter, wenn sie prophezeien, wie krank doch die Menschen würden, wenn sie gelegentlich zwölf Stunden arbeiten. Wäre das richtig, dann wären von der Polizei bis zur Feuerwehr alle krank. Dann müsste nicht nur ich, sondern zahllose Menschen in meiner Umgebung, die nicht nur gelegentlich, sondern jahraus, jahrein mehr als zwölf Stunden täglich beziehungsweise über 60 Stunden wöchentlich arbeiten (was auch nach dem neuen Gesetz ja eigentlich gar nicht erlaubt wäre), schwer krank sein.
  • So ist die bisher einzig bekannte Kampfmaßnahme ein dreistündiger Streik am Montagmorgen im Frühverkehr bei einigen Zügen der ÖBB, was wie bei den vor einigen Wochen total gescheiterten Dauerstreiks in Frankreich zu etlichen Staus auf den Straßen führen wird. Das ist aber gleichzeitig ein starkes Argument für den zu anderen Zeiten von Rotgrün bekämpften Individualverkehr, der die Bürger unabhängig von der Gewerkschaft macht. Oder bekämpft die Linke genau deshalb das Auto, um die Macht der ÖBB-Gewerkschafter wiederzubeleben? Das wirklich Lächerliche daran ist aber nicht nur, dass ausgerechnet die ÖBB mit ihren kündigungsgeschützten und auch unter Schwarz-Blau weitgehend vom Wettbewerb unberührten Mitarbeitern die stärkste Machtbasis der Gewerkschaft ist. Noch viel absurder ist, dass die Bahn mit ihren fixen Fahrplänen ja wohl der letzte Betrieb in Österreich ist, der vom Arbeitszeitgesetz irgendwie betroffen sein könnte. Bei der Bahn gibt es keine unerwarteten Aufträge. Oder will die Gewerkschaft künftig bei jeder Verspätung eines Zuges – und damit beim automatischen Anfallen von Überstunden – jedes Mal nur dann weiterfahren, wenn wieder eine erpresserische Forderung des Betriebsrates erfüllt wird (vielleicht eine weitere Reduktion des Pensionsantrittsalters? Oder noch ein paar mehr dienstfreigestellte Betriebsräte?). Noch skurriler: Der ÖBB-Generaldirektor hat offen zugegeben, dass es bei der Bahn längst schon die gesundheitlich ach so mörderischen Zwölf-Stunden-Schichten gibt (Was von den Mitarbeitern ja auch gerne zur Kumulierung der Frei- oder Pfuschzeit genutzt wird).
  • So sorgt die Tatsache für Kopfschütteln, dass ausgerechnet ein Mann namens Willi Mernyi die Gewerkschafts-Demonstration organisiert. Wer das ist? Nun, das ist der gleiche Mann, der vor ein paar Wochen als sogenanntes "Mauthausen-Komitee" tagelang ORF & Genossen mit Schauermärchen über das angebliche Faschistischwerden Österreichs beliefert hat.
  • So ist es skandalös und verlogen, wie der ORF und mehrere von der APA abschreibende Zeitungen immer wieder von der Einführung des Zwölfstundentages gesprochen haben. Als ob dieser künftig die Regel wäre. Als ob eine gelegentliche Ermöglichung dasselbe wie eine Einführung wäre. Als ob nicht überdies seit zwei Wochen fixiert wäre, dass die Freiwilligkeit im neuen Gesetz stehen werde.
  • So ist der Standpunkt der Rotfront auch deshalb besonders unglaubwürdig, weil es vielerorts die Möglichkeit eines bisweiligen Zwölfstundentages längst schon gibt! Und zwar mit Zustimmung von (durch welche "Überredungskünste" immer gnädig gestimmten) Gewerkschaften und Betriebsräten. In diesen Fällen gibt es offensichtlich nicht die jetzt von ÖGB, ORF & Co so bewegend geschilderten gesundheitlichen Gefahren eines Zwölfstundentags. Aber vielleicht ist ja die Gewerkschaft ein Wunderheiler …
  • So hat auch der Noch-SPÖ-Vorsitzende Christian Kern einst diese Zwölfstunden-Möglichkeit, deretwegen man jetzt in den Krieg zieht, in seinem "Plan A" explizit angekündigt.
  • So war unter den von der Rotfront in die Schlacht geschickten "Experten" wohl der allergroteskeste ein Soziologe(!) namens Jörg Flecker, der allen Ernstes behauptete: Längere Arbeitszeiten, um Aufträge schneller abarbeiten zu können, würden nicht ein Mehr an Aufträgen bedeuten, sondern, dass ein anderes Unternehmen eben diesen Auftrag nicht bekomme. Großartig, welche Leute an der Universität Wien beschäftigt werden, was sich dort Wissenschaftler nennt. Der Mann hat offenbar keine Ahnung von Wirtschaft, redet aber darüber. Er meint offenbar ernstlich, einem Arbeitnehmer könne es egal sein, wenn das eigene Unternehmen Aufträge verliert und dadurch eventuell in Schwierigkeiten kommt, weil dann halt andere Unternehmen diesen Auftrag bekommen. Er weiß vor allem nicht, dass Österreichs Nationalprodukt zu 60 Prozent im Außenhandel verdient wird: Denn das bedeutet, dass das "andere Unternehmen", das wegen der Verweigerung von Überstunden den Auftrag bekommt,  in der Mehrzahl der Fälle ein ausländisches Unternehmen sein wird. Bravo, Herr "Experte"! Man kann nur hoffen, dass das Geld, das es bei einer Erfüllung der Gewerkschaftsforderungen weniger an österreichischen Steuereinnahmen geben wird, primär bei der Uni Wien gestrichen wird, die solche "Experten" beschäftigt (und die nicht ganz zufällig fast bei jedem internationalen Ranking noch weiter zurückfällt).

PS: Einen Verbündeten im letzten Moment haben Gewerkschaft & Co jetzt in der Bischofskonferenz gefunden. Diese hat sich damit neuerlich als Vorfeldorganisation der SPÖ profiliert - sehr im Gegensatz zur Mehrheit der Kirchenbesucher. Diese agiert aber damit auch besonders unklug: Denn die Koalition muss ja bald nach einem VfGH-Urteil über die Schwulenehe entscheiden. Diese wird ja von den roten Verbündeten der Bischofskonferenz vehement gefordert. Ein solcher offener Affront durch die Bischofskonferenz gegen die Regierung wird die Lust der Koalition nicht gerade erhöhen, sich mit der aggressiven Schwulenlobby anzulegen ("Für diese Bischöfe?"). Die Bischöfe müssten seit einigen Tagen auch vehement dagegen protestieren, dass eine skandalöse Feme-Kommission der EU jetzt im Geheimen eine hochqualifizierte österreichische Professorin als EU-Richterin verhindert hat. Offensichtlicher Grund: Die Frau war von der SPÖ als Abtreibungsgegnerin geoutet worden. Was klar zeigt, wie sehr christliche Werte und Anliegen gerade von der SPÖ in den Schmutz gezerrt werden. Dennoch gibt es kein Bischofswort zur Verteidigung der Professorin, zum Protest gegen die Vorgänge in der EU. Die Bischöfe wissen wohl auch gar nicht, dass der EuGH das weitaus wichtigste Gremium der EU ist. Aber Intelligenz, Mut und das Wissen, wo die eigenen Gläubigen stehen, und was die wirklichen Gefahren sind, werden halt vom Heiligen Geist doch nicht automatisch bei der Bischofsweihe eingepflanzt. Freilich hat man auch schon vorher geahnt, dass eine Renaissance des Christentums nicht gerade von den österreichischen Bischöfen ausgehen wird.

PPS: Der Kampf der Gewerkschaften um die eigene Bedeutung erinnert auch ein wenig an den einstigen Krieg zwischen der britischen Regierungschefin Thatcher und den Gewerkschaften. Diese wollten militant alle Veränderungen, Reformen und den Verlust der damals sehr großen eigenen Macht blockieren; sie streikten; Thatcher blieb aber hart und gewann – was etliche Jahrzehnte des Erblühens und Aufstiegs der Briten aus dem Staub einer langen tiefen Krise ausgelöst hat.

PPPS: Habe ich es schon einmal erwähnt? Auch ich war vor langem einmal Betriebsrat und glaube, mich ganz gut für einzelne Kollegen in Problemlagen eingesetzt zu haben. Ich hätte mich aber geniert, bei einer solchen vordergründigen Parteiaktion mitzumachen.

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