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Das Budget verdient viel Lob und etlichen Tadel

Hartwig Löger hat seine Sache gut gemacht. Er zählt seit seiner unaufgeregten Budgeterstellung und seiner Budgetrede zweifellos zu den – noch eher wenigen – Aktivposten dieser Regierung. Die zwei vorgelegten Staatshaushalte gehen absolut in die richtige Richtung – auch wenn man diesem Lob einige gravierende Einschränkungen hinzufügen muss. Demgegenüber tut sich die Opposition derzeit verteufelt schwer. Rotgrün profiliert sich neuerlich als Lobby der Mindestsicherungsbezieher und Migranten, was der Linken wohl nicht aus ihrem historischen Tief heraushelfen wird. Und auch das, was den Neos eingefallen ist, ist nicht sonderlich durchdacht, sondern eher Gedankengut des vorigen Jahrtausends.

Beginnen wir mit einigen Gründen, warum das Budget zu loben ist:

  1. Der Finanzminister – und mit ihm die Regierung – hat sich ruhig, aber konsequent über viele populistische Ausgabenversprechungen des Wahlkampfes hinweggesetzt und diese ignoriert.
  2. Am meisten Aufmerksamkeit bekamen genau jene zwei Fundamente, auf denen einzig eine gute Zukunft Österreichs erwachsen kann. Das ist zum einen die Familie; und zum anderen der leistungs- und steuertragende Mittelstand (via Familienbonus). Gerade diese beiden Gruppen sind ja in den letzten Jahren immer stark vernachlässigt worden. Jetzt können wir zumindest hoffen, dass dieser Impuls auch Wirkung zeigt, also dass die Lust an Leistung und am Kinderkriegen endlich wieder signifikant wächst.
  3. Man hat sich auch getraut, bei den wuchernden Ausgaben für Migranten einmal kräftig hineinzuschneiden. Auch hier ist die auf den Änderungen aufbauende Hoffnung am wichtigsten: nämlich, dass dadurch die Attraktivität Österreichs als Zuwanderungsland endlich abzunehmen beginnt.
  4. Sehr positiv ist auch die Senkung der Lohnnebenkosten für Niedrigverdiener: Das macht es attraktiver, von Arbeit statt vom Sozialstaat zu leben.
  5. Völlig richtig ist es ferner, in einer Phase der Hochkonjunktur die Investitionen – etwa in Schienen-Infrastruktur – kräftig zurückzufahren. Ist doch die Bauwirtschaft ohnedies deutlich überhitzt.
  6. Positiv ist auch, dass nach langem die Ausgaben des Bundes langsamer steigen werden als die Preise.
  7. Und natürlich ist insbesondere die Ankündigung eines Nulldefizits, wenn auch erst für 2019, ein Signal von historischer Bedeutung. Allein dieser Gedanke galt ja, solange die SPÖ und ihr schuldengieriger Neokeynesianismus den Ton angegeben haben, geradezu als neoliberal-kapitalistische Unsittlichkeit. Und es ist einfach absurd, wenn es SPÖ und diverse Linksjournalisten jetzt das für 2019 versprochene Nulldefizit als "Selbstverständlichkeit" abzutun versuchen.

Soweit das Lob für den jetzt präsentierten Budgetkurs. Wir sollten aber nicht vergessen, dass in der Vergangenheit die großen Sündenfälle ja weniger durch Budgets und Budgetreden, sondern vor allem bei irgendwelchen Krisenklausuren zwischendurch passiert sind. Löger wird sich also erst jetzt wirklich beweisen müssen, ob er den zahllosen teuren Wünschen und "Notwendigkeiten", die in den nächsten Jahren außerhalb des Budgets von allen Seiten, auch aus den Regierungsparteien auf ihn einprasseln werden, ein kräftiges "Nein" entgegenzusetzen imstande ist.

Den Lobespunkten steht aber auch etliches gegenüber, was zu kritisieren ist:

  1. Die Rahmenbedingungen – die Hochkonjunktur und die dank der EZB rapid sinkende Zinsenlast für die Staatsschulden – müssten eigentlich schon heuer zu einem Budgetüberschuss führen. Dazu trägt auch bei, dass die Sanierungskosten für die geretteten Banken (Hypo, Volksbank, Kommunalkredit) deutlich niedriger ausfallen, als lange prophezeit. Und was nachträglich einen guten Teil der damaligen Panikrufe – samt Strafverfahren! – eigentlich delegitimiert.
  2. Dass ausgerechnet die Tourismus-Branche eine besondere Zuwendung erfahren hat, ist nicht ganz einzusehen, auch wenn es richtig ist, dass der Tourismus unter Rot-Schwarz besonders geschröpft worden war. Aber es ist Tatsache, dass der Tourismus weltweit und in Österreich ganz besonders blüht. Und an diesem Aufblühen hat auch die Mehrwertsteuer-Erhöhung für die Branche durch Rot-Schwarz nichts geändert. Überdies ist gerade die Mehrwertsteuer in all ihren Formen die einzige Steuerform, wo Senkungen am wenigsten sinnvoll sind.
  3. Eine besonders üble Vorwahlsünde, wo damals Schwarz-Blau beim roten Populismus mitgezogen haben, blieb leider unkorrigiert: Das ist die Abschaffung des Pflegeregresses, die viel teurer kommt als – von fast allen Parteien – damals angenommen. Das trifft zwar vor allem die Gemeinden und Länder, kaum den Bund, müsste aber gesetzlich trotzdem auf Bundesebene rückgängig gemacht werden. Denn es ist geradezu widerlich, in welch großen Massen jetzt alte Menschen in öffentliche Pflege abgeschoben werden, seit kein Regress auf deren Vermögen zur Deckung der Kosten möglich ist. Zwar macht Löger jetzt diesbezüglich Andeutungen, aber ein Konsens über die Abschaffung der Abschaffung scheint kaum denkbar.
  4. Die Regierung unternimmt im Gegensatz zur letzten schwarz-blauen Regierung keine seriösen Versuche, die beiden größten Strukturfehler des Landes zumindest anzugehen. Deren Sanierung bräuchte freilich den Kraftaufwand einer Verfassungsänderung. Die sehr zögerliche Haltung der Regierung mag zwar realistisch sein, weil die für eine Verfassungsmehrheit nötigen Neos nur sehr begrenzt kooperativ wirken (die SPÖ überhaupt nicht). Sie ist aber trotzdem bedauerlich.
    1. Dabei müsste es einerseits um die verschwenderische Finanzpolitik der mit Subventionen um sich werfenden Bundesländer gehen, die weitergehen wird, solange sie nicht selbst die dafür nötigen Steuern verantworten müssen.
    2. Dabei müsste es andererseits um das viel zu niedrige Pensionsantrittsalter und andere Beschneidungen des üppigsten Pensionssystems der Welt gehen.

Die Opposition kann diesen Budgets gegenüber nur schwer punkten. Die SPÖ ist ja zum Teil selbst für die genannten Defizitpunkte verantwortlich. Ihr fiel daher als erstes nur der dümmliche Vergleich mit Karl Heinz Grasser ein. Sie übersieht dabei freilich, dass dieser (mit Hilfe des damaligen Kanzlers) der für die Steuerzahler erfolgreichste Finanzminister seit Reinhard Kamitz gewesen ist. Was auch immer bei dem mit vielen Merkwürdigkeiten behafteten Prozess gegen Grasser herauskommen mag.

Falsch ist auch das SPÖ-Argument, dass sich beim Budget die stärksten Lobbys durchgesetzt hätten. Das stimmt zwar beim Tourismus, aber beim allergrößten Reformbrocken stimmt es überhaupt nicht: bei den Familien. Diese haben keine Lobby, sie haben weder bei den Sozialpartnern noch bei den Schrill-Feministinnen irgendeine Unterstützung. Ganz im Gegenteil, ausgerechnet der Familienbonus ist fast das einzige, was die Industriellenvereinigung am Budget kritisiert.

Eine Schuldenbremse kann nicht wirken

Aufs erste interessant klingt jener Akzent, mit dem sich die Neos einzubringen versucht haben. Sie fordern eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse. Ähnliches fordern etliche Zeitungskommentare. Ähnliches steht auch im schwarz-blauen Regierungsprogramm. Diesem Gedanken stimmen viele Österreicher gleichsam automatisch zu. Wenn die Politiker nicht mehr höhere Ausgaben machen dürfen, dann werden sie es auch nicht mehr tun.

Jedoch: Die Erfahrung des Auslandes, wo in den letzten Jahrzehnten vielerorts Schuldenbremsen eingeführt worden sind, zeigt leider: Diese Bremsen können gar nicht wirken. Denn sie können jederzeit mit der gleichen rechtlichen Mechanik, mit der sie eingeführt worden sind, auch wieder ausgehebelt worden. Und sie werden.

Etwa die USA zeigen sehr anschaulich, was passiert, wenn eine Schuldenbremse wirklich zu greifen beginnt: Dann muss dort der Staat zugesperrt werden – was die Abgeordneten dann regelmäßig und sehr schnell dazu bringt, doch die neuen Schulden zu genehmigen.

In Österreich braucht man gar nicht nachzudenken, was bei einer verfassungsrechtlichen Bremse passieren würde. Es ist völlig klar, was passieren würde, wenn ein Finanzminister im Oktober sagt: "Pensionen und Beamtengehälter sowie alle anderen Ausgabenverpflichtungen müssen wir wegen der Schuldenbremse in den restlichen beiden Monaten leider halbieren." Dann wird es wohl nur ein paar Stunden dauern, bis das Parlament mit Zweidrittelmehrheit die nötigen neuen Schulden beschließt.

Auch ein Modell, bei dem jede budgetwirksame zusätzliche Ausgabe nur noch mit Verfassungsmehrheit angenommen werden kann, wäre unsinnig. Man denke etwa an aktuell ausbrechende Katastrophen oder an die jährlichen Gehaltsrunden mit den Beamten. Dabei würde mit hoher Wahrscheinlichkeit etwa die Reaktion der Sozialdemokraten so klingen: "Ja, wir helfen euch zur Zweidrittelmehrheit. Aber da, da und dort müsst ihr noch mehr ausgeben, damit wir Ja sagen." Dazu kommt, dass sich in den vernunftbefreiten Tagen vor einer Wahl spielend leicht eine Zweidrittelmehrheit findet, um aus dem Nichts neue Unsinnigkeiten wie das Aus für den Pflegeregress zu beschließen.

Und jede Budgetbremse unterhalb des Verfassungsrangs ist überhaupt nur rhetorische Folklore. Auch wenn die Koalition jetzt solche Lösungen anregt.

Alternativen zur Schuldenbremse

Nein, die Schuldenbremse bringt es nicht. Es braucht den viel mühsameren Weg, sich, der Politik und der Öffentlichkeit ständig die langfristige Verderblichkeit von Schulden wie auch der hohen Steuerlast bewusst zu machen. Nur aus dieser Gesinnung heraus kann es gelingen, die Ursachen der Schulden wirklich abzubauen.

Bei diesem Abbau gibt es viele ToDos, aber vor allem zwei, ohne die es gar nicht funktionieren wird. Die aber die Regierung dennoch nur sehr am Rande im Visier hat (die rot geführte Vorgängerregierung hatte sie überhaupt nicht als notwendig angesehen):

  • Erstens eine zügige Erhöhung des Pensionsantrittsalters.
  • Und zweitens die Verstoßung der Bundesländer in die finanzielle Eigenverantwortung.

Da man ja für beides eine Zweidrittelmehrheit bräuchte, damit die Dinge funktionieren, wäre es auch an den Neos, klar zu sagen, ob sie – ohne fiese Gegenforderungen – als angebliche wirtschaftsliberale Partei beides mittragen würden. Und die ÖVP müsste in Sachen Föderalismus über ihren Schatten springen. Und die FPÖ beim Pensionsthema.

Sollten Regierung und Neos (auf die Kern-SPÖ muss man ja bei sinnvollen Reformen generell vergessen) jedoch genau diese beiden Ziele kraftvoll und rasch angehen, dann werden sie zwar kurzfristig kräftigen Gegenwind der Reformverweigerer ernten, aber langfristig dicke Lorbeerkränze als Sanierer der Republik ernten.

Aber ist das überhaupt notwendig? Zeigen doch die vom Finanzminister kommunizierten Zahlen ohnedies einen überaus erfreulichen Rückgang der Staatsverschuldung.

Doch, es ist notwendig. Denn die prophezeite Schuldenmilderung baut erstens auf einer Extrapolation einer momentan positiven Entwicklung auf. Diese Propezeiung hat überhaupt keine Widerstandskraft gegen negative Schocks, gegen unerwartete, fast immer kostspielige Entwicklungen.

Zweitens hängt sie von gleich zwei rein externen Faktoren ab, für die Österreich absolut nichts kann, und die nicht auf Dauer gegeben sein werden. Der eine ist die gegenwärtige globale Hochkonjunktur. Der andere ist die massive Hilfe durch die Euro-Zentralbank. Diese betreibt ja seit fast zehn Jahren eine massive Staatsfinanzierung via Banknotendruckerei, wodurch sich alle Euro-Finanzminister zum Nulltarif fast grenzenlos finanzieren können. Diese Hilfe von Signore Draghi bezweckt zwar primär die Dauer-"Rettung" und Alimentierung Italiens und Frankreichs, die ja beide ohne EZB-Hilfe pleite gingen. Aber auch alle anderen Euro-Staaten profitieren von dieser Maßnahme, eben auch Österreich.

Klar ist freilich: Diese Dauerrettungspolitik der EZB ist grob fahrlässig, weil sie mit Sicherheit eine massive Inflation auslösen wird, weil sie alle Sparer Europas ständig noch mehr enteignet, und weil sie zu gefährlich-explosiven Blasen im Immobilien- und Aktiensektor geführt hat.

Im Windschatten von Konjunktur und EZB kann Löger heute im Vergleich zum ersten Schwarz-Blau viel leichter einen Schuldenabbau vorantreiben. Damals war man ganz ohne EZB-Hilfe gezwungen, von sich aus einige wichtige Reformen im Pensionssystem in Angriff zu nehmen, um das in den 90er Jahren kriselnde Land zu sanieren. Heute hingegen müsste die ganze Kraft allein aus der Sorge um die Zukunft kommen. Die verschiebt man in der Politik aber immer gerne auf morgen.

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