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Da muss Strache noch einiges lernen

Wenn sich ein amtierender Vizekanzler außenpolitisch betätigt, dann sollte er begreifen: Da muss man jedes Wort zehnmal genauer überlegen als in der Innenpolitik. Denn jede unbedachte öffentliche Äußerung wird da von vielen Seiten und Staaten genau untersucht. Da kann man nicht so einfach vor sich hin reden. Deswegen haben ja viele Politiker gelernt, viel zu reden, ohne etwas zu sagen.

Das macht freilich viele Interviews todlangweilig. Inbegriff der Nichts-Sager ist in Österreich neuerdings etwa Kanzleramtsminister Blümel, der in wohlgesetzten Worten zu all seinen Themen – Europa, Kultur, Medien – noch absolut nichts von konkreter Substanz gesagt hat. Jetzt etwa zu erklären, dass nach dem Brexit das EU-Budget nicht größer werden dürfe, ist so eine Nullaussage. Das hat nämlich niemand verlangt. Es geht natürlich nur darum, um wieviel dieses EU-Budget kleiner wird. Aber mit solchen Aussagen kommt man halt ohne politische Verletzungen über die Runden.

Aber zurück zu Strache und seiner Aussage gegenüber einer serbischen Zeitung: "Kosovo ist zweifellos ein Teil Serbiens. Die seinerzeitige Anerkennung durch Österreich haben wir heftig kritisiert, sie ist allerdings jetzt Tatsache und kann wohl nicht mehr geändert werden." Das ist gleich doppelter Unsinn:

  • Denn erstens kann das Kosovo nach allen Definitionsdimensionen des Völkerrechts – Gibt es Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt? – kein Teil Serbiens sein.
  • Zweitens ist diese Aussage in sich selber Unsinn, weil Strache gleich im zweiten Satz dem ersten diametral widerspricht. Einmal "zweifellos", einmal "Tatsache" - beides zugleich kann nicht stimmen.

Damit hat sich Strache in einen Wirbel hineingeredet (statt eben mit vielen Worten nichts zu sagen). Damit sind auch seine Mitarbeiter blamiert, denen die Formulierungen Straches von der serbischen Zeitung vor Drucklegung zur Genehmigung vorgelegt worden sind. Wenn ihnen nicht aufgefallen ist, was für ein Unsinn da drinnensteht, dann sind sie halt schlicht überfordert.

Freilich: Gerade durch den auf den ersten Blick erkennbaren inneren Widerspruch der Strache-Worte sind diese zwar für ihn peinlich, aber auch die Aufregung nicht wert, die sie in den Mainstreammedien wieder einmal ausgelöst haben.

Zugleich kann man die Sache heiter sehen: Denn ausgerechnet Strache personifiziert damit den ganzen Widerspruch, den auch die EU beim Thema Kosovo in sich trägt. Auf der einen Seite hat die große Mehrheit der EU-Länder so wie Österreich die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo längst als Tatsache anerkannt. Eine Minderheit weigert sich: Das sind jene Staaten wie Spanien, die sich selbst vor Sezession eines Teils ihres Staatsgebiets fürchten, die jeweils behaupten, ihre Verfassung stünde über Völkerrecht, Menschenrecht, Selbstbestimmungsrecht.

Wie aber soll man sich in solchen Konflikten wirklich verhalten? Die richtige Haltung kann letztlich nur in den zwei Prinzipien Friede und Selbstbestimmung liegen:

  • Friede. Es muss primär in allen internationalen Fragen um friedliche Lösungen gehen. Gewaltanwendung ist nur zur Selbstverteidigung gegen Gewalt einer Gegenseite oder zur Beendigung einer großen humanitären Katastrophe legitim.
  • Selbstbestimmung. Im Zentrum einer menschenwürdigen, demokratischen Lösung sollte immer die Suche nach dem Willen der Betroffenen stehen. Dieser kann nur in einem fairen und freien Referendum gefunden werden, vor dem alle Seiten unbehindert Werbung für ihren Standpunkt machen können. Nur Lösungen entsprechend dem Selbstbestimmungsrecht haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, langfristig friedlich zu halten.

Wenn man an Hand dieser Kriterien die freiheitliche Haltung zu diversen Konflikten analysiert, kommt man ins Kopfschütteln: Denn die Partei – zumindest der von Klubobmann Gudenus geführte Flügel – sagt einerseits laut und deutlich Ja zur Annexion der Krim durch Russland, kritisiert aber andererseits ebenso heftig die Loslösung des Kosovo von Serbien.

Das ist ein eklatanter Widerspruch.

Denn man kann erstens vermuten, dass in beiden Fällen eine Mehrheit der betroffenen Bevölkerung der Neuziehung der Grenzen befürwortet. Korrekte, objektiv überwachte Referenden hat es freilich da wie dort nicht gegeben. Proukrainische Stimmen hatten auf der Krim überhaupt keine Artikulierungschancen; die Serben im Kosovo hatten eine solche auch nur sehr teilweise.

Zweitens: Auf der Krim hat es vor dem russischen Einmarsch keinerlei Auseinandersetzungen gegeben; im Kosovo gab es hingegen – noch vor dem westlichen Eingreifen – ganz massive Konflikte, ja sogar den Beginn ethnischer Säuberungen großen Umfangs.

Die FPÖ stünde es daher gut an, ihre außenpolitische Haltung zu überdenken. Immer auf der Seite Russlands und Serbiens zu stehen, ist vorsichtig ausgedrückt noch keine gut argumentierbare Linie. Auch wenn es bei österreichischen Wahlen etliche Stimmen unter den Austroserben bringt. Schon 1914 war Panslawismus vielleicht nicht die allerbeste Rezeptur für Europa. Und von Wien aus betrieben wird er überhaupt zur historischen Kuriosität.

Sollten am Ende jene Recht haben, die hinter dem Freundschaftspakt der russischen Putin-Partei mit der FPÖ mehr vermuten als einen bloßen Höflichkeitsakt?

Aber selbst wenn man sich primär als Serbenfreund definiert, kann man mit einer solchen Haltung Serbien nicht mehr glaubwürdig in jenen Fragen unterstützen, wo es viele gute Argumente auf seiner Seite hat. Also dort, wo Belgrad gerade auf der Grundlage friedlicher Selbstbestimmung im Recht ist. Das ist zweimal der Fall:

  • beim Wunsch der fünf serbisch bewohnten Gemeinden im Nordkosovo, sich an Serbien anzuschließen:
  • beim Wunsch der Republika Srpska, sich vom nie funktionsfähig gewordenen und nur unter internationalem Diktat vegetierenden Bosnien loszulösen.

Freilich: Wenn man in diesen Fragen die guten Argumente der Serben unterstützt, dann muss man umgekehrt auch den kleinen albanischen Gemeinden in Südserbien den umgekehrten Weg gestatten, sich ans Kosovo anzuschließen. Nur so kann es eine große und vor allem friedliche Lösung geben.

Es ist zwar schwachsinnig, wenn die Strache-Kritiker diesem jetzt gleich eine Neutralitätsverletzung oder einen schweren Schaden für Österreich vorwerfen. Aber es ist ebenso eindeutig, dass eine gute Außenpolitik nicht einfach danach ausgerichtet werden kann, wie man innenpolitisch Wähler optimiert. Deswegen ist ja auch die Orientierung der deutschen, aber zum Teil auch österreichischen Sozialdemokraten Richtung Türkei eine solche Katastrophe.

Ebenso eindeutig ist, dass weder die Linie Strache-Belgrad-Moskau noch die Linie der EU letzten Endes ausgewogen, logisch und demokratisch sind. Dass keine zu einer friedlichen, gerechten und nachhaltigen Lösung führen kann.

In dieser Situation kann man als österreichischer Politiker entweder mutig eine gute, gerechte und zielführende Lösung verfechten, die beiden Seiten halt nur zum Teil entgegenkommt. Oder man kann eben in alter Diplomaten- und Politiker-Manier jahrelang nichts sagen.

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