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Ist Deutschland noch eine Demokratie?

In Deutschland finden am Sonntag demokratische Wahlen statt. Dieser Satz klingt nach einer banalen Selbstverständlichkeit. Und doch ist er es nicht. Denn er ist nur noch mit besorgten Einschränkungen richtig.

Natürlich: Für jene, die etwa behaupten, in der Türkei und in Russland gäbe es noch eine Demokratie, ist diese Aussage richtig. Aber solche Maßstäbe sind völlig unakzeptabel, wenn man die leiseste Ahnung hat, wie es dort zugeht. Die Indizien sind ja überwältigend, dass es weder in Russland noch in der Türkei korrekte Stimmabgaben oder Auszählungen gegeben hat. Dabei ist es in diesen beiden Ländern in den 90er Jahren noch durchaus demokratisch zugegangen. Aber auch ein schleichend gekommener Umsturz ist eben ein Umsturz.

Ebenso haben all jene Mainstream-Medien, die auf der anderen Seite den amerikanischen, den türkischen und den russischen Präsidenten in einen Topf gleicher Undemokratie werfen, jeden Maßstab verloren, was Demokratie, was demokratische Wahlen bedeuten. Um nur den wichtigsten Unterschied zu nennen: In den USA gibt es zum Unterschied von Russland und der Türkei durchaus eine unabhängige Justiz, die den formalen Wahlablauf kontrollieren kann. Wo es hingegen keine unabhängige Verfassungsjustiz gibt, ist der Verfall der demokratischen Standards die automatische Folge.

Als Gegenbeispiel sei hier der österreichische Verfassungsgerichtshof ausdrücklich gelobt. Seine Mitglieder sind zwar so wie die in den USA parteipolitisch bestellt, sie sind aber da wie dort unabsetzbar und jedenfalls brennend am Erhalt der Demokratie interessiert. Der österreichische VfGH hat deshalb im Vorjahr die Präsidentenwahlen wegen einer Summe typisch österreichischer Schlampereien bei der Wahldurchführung aufgehoben. Ich habe das damals zwar als etwas übertrieben angesehen, weil es ja nicht den geringsten Hinweis gegeben hat, dass dabei auch das Ergebnis in irgendeiner Hinsicht beeinflusst worden sein konnte. Aber im Vergleich zur Entwicklung in anderen Ländern muss man wohl ehrlicherweise sagen: Besser einmal zu streng, als es zuzulassen, dass beim fundamentalen Machtbegründungsakt der repräsentativen Demokratie irgendwelche auch scheinbar bloß formale Ungenauigkeiten eintreten dürften.

Ähnlich ist das nigerianische Höchstgericht zu loben, das vor kurzem ebenfalls wegen vieler  scheinbar bloß formalen Unsauberkeiten die dortigen Wahlen aufgehoben hat. Man vergleiche das etwa mit der Verfassungsjustiz in Venezuela, die zum speichelleckerischen Handlanger eines miesen Diktators degeneriert ist.

In Hinblick auf Deutschland bin ich sicher, dass die deutschen Oberstrichter ebenso penibel den Wahlakt zu kontrollieren bereit sind und dabei nichts durchgehen lassen würden. Eben so wie ihre Kollegen in Österreich oder Nigeria.

Was korrekte Wahlen wirklich ausmacht

Jedoch: Damit Wahlen insgesamt als demokratisch angesehen werden können, gehört viel mehr dazu als die Korrektheit der geheimen Stimmabgabe am Wahltag und der Auszählung. Dazu gehört vor allem die gleiche und freie Möglichkeit für alle Parteien, im Wahlkampf wie auch zwischen den Wahlen unbehindert agieren und sich präsentieren zu können, in der Öffentlichkeit und in den Medien. Dazu gehört auch ein korrektes Verhalten der Justiz, die gerade gegenüber den Parteien wirklich "blind" sein sollte.

In dieser Hinsicht jedoch sind diesen deutschen Wahlen die schlechtesten Noten seit Jahrzehnten auszustellen. Denn gegen die "Alternative für Deutschland" hat sich eine kollektive Hetze entwickelt, die einer Demokratie unwürdig ist.

80 bis 90 Prozent der Wahlplakate dieser Partei wurden regelmäßig beschädigt, alle anderen hingegen kaum. Die AfD fand kaum noch Säle oder Gastwirtschaften, wo sie Versammlungen abhalten konnte. Ihre Parteilokale waren ständiges Ziel von Attacken. Und bei Straßenversammlungen wurde sie ununterbrochen gestört und attackiert.

In den Medien strömte der Partei so viel kollektiver Hass entgegen wie sonst keiner anderen. Der Chef des Springer-Verlags nannte sie sogar in einem Atemzug mit den islamistischen Terroristen. Im Gegensatz zur AfD fand sich in den meisten Medien hingegen nie ein kritisches Wort über die postkommunistische "Linke", also die direkte Erbin der massenmörderischen Einheitspartei SED.

Gewiss: Privatwirtschaftliche Medien dürfen hassen, wen sie wollen. Wie das auf ihre Auflage wirkt, müssen sie selbst beurteilen.

Ganz anders ist das aber bei öffentlich-rechtlichen Medien, die Zwangsgebühren kassieren. Hier hat sich in Deutschland übrigens ein klarer Unterschied zu Österreich gezeigt: Der ORF macht ganz einseitig Stimmung für die SPÖ, drängt deshalb sogar die massiven persönlichen Sympathien vieler Redakteure für die drei Kleinparteien in den Hintergrund und behandelt ÖVP und FPÖ gleich schlecht und untergriffig. Die deutschen Gebührensender hingegen gehen mit gezielter Aggression nur auf die AfD los, während die übrigen Parteien etwa gleichbehandelt werden. So wurden Angela Merkel zuliebe bei "Bürger"-Diskussionen Angehörige von Terroropfern sogar wieder ausgeladen, weil sie unangenehme Fragen stellen könnten!

Aber auch die hasserfüllte Äußerung des CDU-Ministers Peter Altmeier ist ungeheuerlich: Er sagte, ein Nichtwähler sei "selbstverständlich" besser als ein AfD-Wähler. Und der SPD-Justizminister Maas behauptete sogar, wenn auch ohne jeden konkreten Beweis, dass die AfD "gegen unser Grundgesetz" verstoße. Dem kann man nur entgegenhalten: Ganz sicher gegen die oberste Grundregel der Demokratie verstößt vor allem, wer eine wahlwerbende Partei eindeutig diskriminiert.

Noch ärger ist, dass auch die Justiz eindeutig parteipolitisch agitiert. Anders ist es gar nicht vorstellbar, dass ausgerechnet in der Woche vor der Wahl ein Strafverfahren gegen einen AfD-Spitzenfunktionär bekannt geworden ist. Natürlich über einen öffentlich-rechtlichen Sender. Der von der deutschen Staatsanwaltschaft dabei verfolgte "Anfangsverdacht" ist aber nicht nur durch den Zeitpunkt, sondern vor allem inhaltlich an skandalöser Lächerlichkeit nicht zu überbieten: Der Mann – ein Beamter – habe Anfang 2016 "zum damaligen Zeitpunkt noch geheime Flüchtlingszahlen" an andere AfD-Funktionäre weitergeleitet ("eine halbe Million in zwei Monaten").

Also wohlgemerkt: Die Justiz findet den Rechtsbruch nicht etwa in der Tatsache, dass die Machthaber einfach ohne gesetzliche Basis die Grenzen geöffnet haben, oder dass diese damals die Zahlen über die Massenmigration geheimhalten wollten, sondern in der Weiterleitung dieser Zahlen.

Das erinnert lebhaft an die griechische Justiz: Dort hat es kein einziges Verfahren wegen der Fälschung der volkswirtschaftlichen Zahlen gegeben, aber neuerdings gibt es eines gegen einen Ökonomen, weil dieser korrekte Zahlen veröffentlichen wollte.

Die skandalöse Hetze gegen die AfD heißt nun gewiss nicht, dass bei dieser Partei alles in Ordnung wäre. Mit ständigen Streitigkeiten in der Parteispitze schadet sie sich selber. Und die häufigen AfD-Pfeifkonzerte bei Auftritten von Angela Merkel sind das Gegenteil eines Beweises demokratischer Reife. Sie können auch nicht als verzweifelte Reaktion einer undemokratisch behandelten Partei entschuldigt werden.

In der Summe stimmen die Signale aus Deutschland besorgt. Zumindest wenn einem wirklich an der Demokratie gelegen ist. Sehen wir die Vorboten einer aggressiven Polarisierung, wie sie aus der Zwischenkriegszeit bekannt ist? Jedenfalls ist die verhetzende Ausgrenzung der AfD durch nichts rechtfertigbar, auch nicht durch deren unreifes Verhalten. Und schon gar nicht durch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die AfD am Sonntag einen der größten Zugewinne verzeichnen dürfte, den je eine deutsche Partei in der Nachkriegszeit errungen hat.

Zur Qualifikation als demokratische Partei sollte nämlich an alleroberster Stelle die Fähigkeit zählen, auch potenzielle Niederlagen und Rückschläge würdevoll zu ertragen.

PS: Als besonderes – ausnahmsweise AfD-freies – Gustostückerl der linkskorrekten Hysterie sollte noch eine weitere Aufregung der letzten deutschen Wahlkampfstunden erwähnt werden: Zahlreiche Medien erregen sich, weil beim Münchner Oktoberfest eine Tiroler Schützenkapelle einen in der Nazi-Zeit komponierten Marsch gespielt hat. Ganz ohne Text, also eigentlich total unpolitisch. Und dennoch sorgt das in einem Land für helle Empörung, das dieselbe Nationalhymne spielt wie unter Hitler (wenn auch mit anderem Text als unter diesem und als noch früher im k. und k. Österreich).

PPS: Auch die US-Demokraten machen sich lächerlich mit ihrer ständigen Kampagne, Russland habe die amerikanischen Wahlen beeinflusst. Facebook hat trotz intensiver Suche aus der Zeit des letzten Wahlkampfs bloß Anzeigen im Wert von 84.000 Euro gefunden, die eventuell russisch beeinflusst sind. So dumm kann doch auch kein Linker sein, dass er glaubt, dass mit solchen Beträgen amerikanische Wahlen beeinflussbar wären.

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