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Gewiss ist es ein wenig oberflächlich, Politik als Wettrennen zu sehen. Aber nicht nur Journalisten, sondern auch viele politikinteressierte Normalbürger tendieren nun einmal dazu. Der Vergleich Deutschland-Österreich bringt aber auch auf vielen Ebenen interessante Perspektiven. Daher werden zweifellos von vielen die nur drei Wochen auseinanderliegenden Wahlen in Deutschland und Österreich intensiv verglichen werden. Und zwar als dreifaches Wettrennen.
Erstens: Spannend wird jedenfalls einmal der Vergleich zwischen den Ergebnissen von CDU/CSU und dem der ÖVP. Denn die derzeitigen Umfrageergebnisse für Sebastian Kurz und das Wahlergebnis der Unionsparteien liegen extrem knapp beieinander. Kurz hat bei vielen Umfragen seit längerem kontinuierlich genau jene 33 Prozent, welche Angela Merkel jetzt erreicht hat.
Die beiden Parteien liegen damit knapper beieinander, als noch am Beginn des Jahres jemand annehmen hätte können. Und vieles spricht derzeit dafür, dass Kurz am Ende die Nase vorne haben könnte. Denn von einem Abwärtstrend ist bei der ÖVP derzeit absolut nichts zu spüren. Im Gegenteil. Alleine die Tatsache, dass die Partei mit 10.000 Menschen in der Wiener Stadthalle die größte Wahlversammlung der Nachkriegsgeschichte zustandegebracht hat, zeigt, dass in der österreichischen Mitte-Rechts-Partei eine dort wirklich ungewöhnliche Aufbruchsstimmung herrscht.
Dieser Vergleich ÖVP-CDU ist aber nicht nur von sportlichem Interesse. Sein Ergebnis wird auch ein internationales Signal bedeuten, in welche Richtung eigentlich die christdemokratisch-liberalkonservative Parteienwelt in Europa gehen soll. Außer in Deutschland sind die zugehörigen Parteien derzeit fast nur noch in Luxemburg und wenigen anderen Ländern Nordwesteuropas auf einem klaren Linkskurs unterwegs. So wie das die ÖVP in einem Großteil der letzten zehn Jahre war. Heute steht Kurz hingegen dort, wo die anderen Parteien dieser Familie hinwollen, nämlich in eine liberalkonservative Richtung. Wo übrigens auch noch 2002 die CDU gestanden ist, wie interessante Zitate aus ihrem damaligen Programm zeigen.
Wer noch Zweifel hatte am tiefen Zerwürfnis zwischen Kurz und Merkel, der wurde am Abend der Wahl endgültig belehrt. Von Kurz wurde nämlich im Gegensatz zu etlichen anderen internationalen Politikern keine Gratulation an Merkel gemeldet. Er veröffentlichte statt dessen über einen Sprecher einen sehr distanzierten Kommentar, der im O-Ton so lautet: "Das Ergebnis ist für mich wenig überraschend. Es gibt in Deutschland bei vielen Unzufriedenheit mit der Position der Regierung in der Flüchtlingspolitik. Die Flüchtlingskrise ist von vielen Politikern und traditionellen Parteien in Europa nicht ernst genug genommen worden." Nun, heiße Liebe und echte Parteifreundschaft sehen anders aus.
Zweitens wird der Vergleich zwischen den Sozialdemokraten hüben und drüben interessant. Christian Kern liegt bei den Umfragen mit 24 bis 26 Prozent zwar ein wenig über den katastrophalen 21 Prozent von Martin Schulz, die diesen nur eine Minute nach Vorlage der ersten Zahlen veranlasst haben, den "unwiderruflichen" Gang in die Opposition anzukündigen. Aber die SPD hat am Wahltag einen massiven Rückschlag gegenüber den Vorwahlumfragen erleiden müssen.
Ideologisch sind im Gegensatz zu Kurz und Merkel nur wenige Unterschiede zwischen Schulz und Kern festzumachen. Sie sind vielmehr sehr vergleichbar. Beide sind jeweils nur knapp vor der Wahl angesichts trüber Umfrageergebnisse und parteiinternen Richtungsstreits von außen geholt worden. Beide haben sich ideologisch nie klar festgelegt, nie ein klares Thema gefunden, sondern sind einen verwirrenden Zickzack-Kurs mit täglich neuen Akzenten gefahren.
Bezeichnend ist übrigens auch, dass im Gegensatz zu den früheren Gewohnheiten weder der deutsche Sozialdemokratenchef irgendwie in Österreich als Wahlhelfer in Erscheinung getreten ist, noch umgekehrt. Keine Partei sieht heute die andere noch als besonderen Magnet an.
Drittens: Sehr aussagekräftig wird auch, wie sich die Ergebnisse der drei jeweiligen Linksparteien unterscheiden werden. Die in Deutschland haben zusammen 38,7 Prozent erreicht. Die österreichischen liegen laut Umfragen bei 34 bis 35 Prozent, haben also nach diesen Zahlen im Gegensatz zu Deutschland nicht einmal zusammen mit den Liberalen eine – theoretische – Mehrheit. Wobei das ideologisch gesehen in Österreich viel leichter denkbar wäre. Haben sich doch die Neos hier deutlich linker positioniert als die FDP in Deutschland, die eindeutig migrationskritisch ist und die sogar deutlich weniger Hass gegen die AfD artikuliert als der Merkel-Flügel in der CDU. Dazu kommt, dass in Österreich zwei dieser drei Linksparteien (Pilz und Grüne) nicht sicher sein können, am Wahlabend überhaupt über vier Prozent und damit ins Parlament zu kommen.
Kein seriöser Vergleich ist hingegen zwischen FPÖ und AfD möglich. Nicht nur weil die FPÖ bei den Umfragen fast doppelt so viel Prozent hat wie die AfD bei ihrem Wahlerfolg, sondern auch weil die deutsche "Alternative" eine überaus junge Partei ist und – abgesehen vom Zentralthema Migration/Islamisierung/Terror – noch jede Menge personeller und inhaltlicher Orientierungsprobleme hat. Allerdings hat die FPÖ ja durch die neue Kurz-ÖVP und wie auch durch SPÖ-Rechtsaußen Doskozil inhaltlich Konkurrenz bekommen – während die AfD dieses Zentralthema weitgehend alleine besetzen kann.
Es gibt also viele Gründe, warum Deutschland jetzt sehr intensiv nach Österreich blicken wird.
PS: Der deutsche Wahlabend drängt auch noch einen weiteren, freilich ganz anders gearteten Vergleich auf: Österreich ist jedes Mal viel schneller und präziser mit der Auszählung der Stimmen, während Deutschland viel länger braucht und sich nur mit ungefähren Zahlen begnügen muss. An diesem – irgendwie überraschenden – Effizienzvorsprung für Österreich kann auch die Tatsache nichts ändern, dass Deutschland zehnmal größer ist (es hat ja auch dementsprechend mehr Wahlkommissionen). Und dass die letzte Präsidentenwahl durch den VfGH aus formalen Gründen aufgehoben worden ist.