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Der Wahlkampf, die OSZE und neue sozialdemokratische Patzer

Es wäre gut, wenn die Nationalratswahlen weit schneller als geplant stattfinden würden. Denn seit vielen Wochen überlagert ein jetzt schon untergriffig gewordener Wahlkampf wirklich jedes andere Thema. Das konnte man auch rund um das soeben abgelaufene Ministertreffen der OSZE im niederösterreichischen Mauerbach ablesen. Hätte sich Österreich etwa an Großbritannien ein Vorbild genommen, dann wären die Wahlen schon mehrere Wochen und nicht erst fast ein halbes Jahr nach der Festlegung darauf abgehalten worden. Wir müssen das hingegen noch weitere drei Monate aushalten.

Die parteipolitische Überlagerung des OSZE-Treffens ist an mehreren Indizien festmachbar (obwohl die OSZE seit vielen Jahren keinen einzigen Parteipolitiker interessiert hat):

Der deutsche Außenminister Gabriel – ein Sozialdemokrat – schwänzte das Treffen. Ebenso die EU-Außenkommissarin – ebenfalls eine Sozialdemokratin. Dabei sind solche Treffen für Außenminister eigentlich Pflichttermine. Wer die politischen Spielchen kennt, weiß, dass das keine Zufälle sind. Und der weiß auch, dass Sozialdemokraten international auch in schlechten Zeiten zusammenhalten. Da will man offenbar nicht einen Termin unter Leitung des ÖVP-Obmannes aufwerten.

Nie werden wir natürlich erfahren, ob es diesbezüglich auch diskrete Anrufe aus dem Büro des SPÖ-Vorsitzenden gegeben hat. Mies ist das Verhalten von Gabriel und Mogherini jedenfalls auch dann, wenn die beiden ganz eigenständig gehandelt haben sollten (beziehungsweise "krank" geworden sind). Und sei es nur,  wenn beide von sich aus über die beharrliche Kritik von Sebastian Kurz an ihrer Immigranten-Welcome-Linie verärgert sind und ihn deshalb meiden.

Die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, eine bisher völlig unbekannte Christine Muttonen – höchstwahrscheinlich eine Quotenfrau –, hat in den Tagen vor dem Ministertreffen Kurz plötzlich schwer angeschüttet. Er kümmere sich zu wenig um die OSZE (obwohl er dafür intensiv herumgereist ist). Offenbar kann Kurz derzeit nicht einmal aufs Klo gehen, ohne dass die SPÖ dies anrüchig fände.

Solcherart einen nationalen Wahlkampf in internationale Gremien zu tragen, gehört sich zwar überhaupt nicht. Aber die Anti-Kurz-Attacke schien ein aufgelegter Elfer für die SPÖ zu sein, da derzeit aus diversen Gründen gleich vier wichtige OSZE-Funktionen unbesetzt sind und da ja jede einzelne Neubesetzung eine extrem schwierige Einstimmigkeit unter allen 57 Mitgliedsstaaten erfordert. Da schienen eine Blamage für Kurz und ein kleiner Punktegewinn für die Sozialdemokraten fast vorprogrammiert.

Doch völlig überraschend konnte Kurz nach dem Mauerbacher Treffen einen Konsens zumindest aller hier versammelten Minister über alle vier von ihm vorgeschlagenen Neubesetzungen verkünden. Das ist ein neuer großer Erfolg für ihn. Und es wäre eine zusätzliche Blamage für die Sozialdemokratie, wenn Gabriel jetzt noch nachträglich die Sache unter irgendeinem Vorwand blockieren würde. Sind doch überdies zwei der vier Neuen deklarierte Sozialisten.

Noch interessanter ist, was oder genauer wer Kurz den Weg zum Erfolg geöffnet hat: Das war nämlich eindeutig der russische Außenminister Lawrow. Dabei hat dieser wie viele seiner Vorgänger das Image, – nicht nur in der OSZE – ständig ein Minister Njet zu sein. Aber jetzt hat er die Chance genutzt, in Mauerbach – in Abwesenheit anderer wichtiger Minister – als der einzig wichtige Weltpolitiker und zugleich freundliche Konsensbringer dazustehen.

Für dieses Verhalten Lawrows gibt es darüber hinaus zwei verschiedene Erklärungsstränge, die auch beide parallel zutreffen können:

Einerseits scheint das erste Treffen zwischen den Präsidenten Putin und Trump vor wenigen Tagen in Hamburg eine ost-westliche Tauwetterphase eingeläutet zu haben, die viel intensiver ist als bisher gedacht. Dieses Tauwetter äußert sich nun auch in anderen Fragen als einem begrenzten Waffenstillstand in Syrien. Das wäre für die Welt überaus erfreulich (und macht die verbissene Kampagne von Medien und Opposition in den USA gegen jeden amerikanisch-russischen Kontakt umso dümmer und geschmackloser).

Andererseits könnte Lawrow auch durchaus eine kleine Wahlhilfe für Kurz beabsichtigt haben, indem man diesem einen politischen Erfolg zuschanzt. Ohne dass das jemals gesagt worden wäre, dürfte Moskau nämlich ein Wechsel im Wiener Kanzleramt von Rot auf Schwarz durchaus genehm sein. Man denke nur an den sich derzeit zeigenden Hass der amerikanischen Sozialdemokraten – also der US-Demokraten – auf Moskau, der heute größer ist als zu Zeiten, wo in Russland noch die brutale Diktatur des real existierenden Sozialismus geherrscht hat. Da ist den Russen derzeit überall ein rechter Politiker lieber.

Das ist verständlich. Das darf freilich nicht dazu führen, dass man vergisst, dass Russland zwar keineswegs mehr der mörderische Gulag-Staat von einst, aber deswegen noch lange kein demokratischer Rechtsstaat ist. Und vor allem, dass Russland mehrere Territorien anderer Länder einfach mit seiner überlegenen Waffengewalt erobert hat und besetzt hält.

Wer sich wirklich über eine solche Wahlhilfe für Kurz ärgern muss, sind freilich die Freiheitlichen. Haben sie doch erst vor wenigen Monaten einen Freundschaftsvertrag mit der russischen Staatspartei abgeschlossen. Dieser aber scheint jetzt in Moskau niemanden mehr zu interessieren.

Das beweist wieder einmal die alte Weisheit: In der Politik gibt es keine Freundschaften, sondern nur Interessen.

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