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Er war ein großer Mann wie aus einer anderen Welt. Kein großer Intellektueller, aber ein Mann mit eindrucksvollem Charakter im politischen wie im privaten Leben, mit altmodischem Anstand und unglaublicher Zielstrebigkeit. Er war vor allem ein Mann mit Zielen von historischer Bedeutung, für die er sich bis zur Vernichtung des eigenen Körpers eingesetzt hat.
Mit Alois Mock tritt einer der ganz wenigen Österreicher ab, die in den letzten Jahrzehnten über die Grenzen des eigenen Landes hinaus Wertschätzung und Reputation errungen haben. Sein Tod nach Jahrzehnten des Leidens, in denen er schließlich total incommunicado geworden ist, erinnert an die großen drei Ziele, die sich der langjährige Außenminister, Vizekanzler und ÖVP-Chef in seiner politischen Zeit gesetzt hatte. Zwei davon hat er erreicht und eines völlig verfehlt.
Sein wichtigstes Ziel war der Beitritt zur heutigen EU, zu den Europäischen Gemeinschaften, wie das damals geheißen hat. Nach Jahrzehnten der neutralen Isolation, nach Jahrzehnten der ständigen Einmischung der sich auf den Staatsvertrag berufenden Sowjetunion, nach Jahrzehnten als exponiertes Niemandsland vor dem Eisernen Vorhang, nach Jahrzehnten des Minderwertigkeitskomplexes gegenüber dem deutschen Nachbarn war das ein wirklich geschichtlicher Schritt für das Land.
Mock hat zwar erst nach einem Jahr im Außenamt, das damals noch voll von Bedenkenträgern war, dieses Beitrittsziel voll ausgesprochen. Aber dann hat er es zusammen mit dem genialen Spitzendiplomaten Manfred Scheich umso hartnäckiger verfolgt. Bis er schließlich auch seinen Koalitionspartner Franz Vranitzky überzeugt und die Widerstände in der EU überwunden hat, wo viele Länder Angst vor der Sowjetunion hatten, wo aber Helmut Kohl den Österreichern schließlich entscheidend geholfen hat.
Mocks zweites großes Ziel und großer Erfolg war die Unterstützung für Slowenien und Kroatien am Weg in die Unabhängigkeit. Auch dabei ist er im In- und Ausland ebenso wild angefeindet worden, wie er entschlossen auf Kurs geblieben ist. Die Geschichte gibt ihm recht – ebenso wie der Umstand, dass an keinen Österreicher so viele Straßennamen in Slowenien und Kroatien erinnern wie an Mock.
Am dritten Ziel ist er schließlich gescheitert: Er wollte schon in den 80er Jahren als Alternative zur damals noch großen Koalition den schwarz-blauen Weg gehen. Mock ist damit aber in seiner eigenen Volkspartei nicht durchgekommen, wo sich sein Erbfeind Erhard Busek, die Wirtschaftskammer und etliche Landesfürsten „ohne Wenn und Aber“ an die SPÖ gekettet haben.
Das hat der ÖVP fast den Untergang gebracht – bis dann Wolfgang Schüssel im letzten Moment doch noch die Wende geschafft hat.
Vieles von den Etappen des Mock-Weges kommt einem auch heute wieder sehr bekannt vor. So etwa die üblen Folgen des Kurses von Reinhold Mitterlehner, sich bedingungslos an die SPÖ zu ketten, oder die Wichtigkeit des Balkans für Österreich: Denn ohne gute Beziehungen zu den Balkanstaaten hätte Sebastian Kurz die Sperre der Balkanroute wohl nie durchsetzen können.
In Hinblick auf die EU, sein drittes großes Ziel, kann man Mock wohl nicht vorwerfen, dass diese in den letzten Jahren in vielen Fragen schwere Fehler begangen hat (von der Euro-Politik über die Griechenland-Hilfe bis zur Hilfe für die Schlepperei). Aber aus gutem Grund wird die Notwendigkeit der österreichischen Mitgliedschaft in der EU trotzdem von keiner einzigen österreichischen Partei bezweifelt. Erfreulicherweise.
PS: Was völlig in Vergessenheit geraten ist: Mock war auch ein Mann mit großem österreichischem Geschichtsbewusstsein. Bei ihm wäre es mit Garantie nicht passiert, dass ein Herr Rathkolb mit seinem kontrafaktischen Geschichtsbild auf Kosten der Republik ein Haus der österreichischen Geschichte entwickeln darf. Heute weiß man freilich nicht einmal, mit wem man in der ÖVP noch sinnvoll über Geschichte reden kann.