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Wenn Kurz jetzt nicht abhebt …

… dann kann er schon fliegen. Eine aktuelle Meinungsumfrage zeigt absolut sensationelle Werte für den neuen ÖVP-Obmann und eine der größten Verschiebungen der Wählermeinung, die es je binnen weniger Tage im öffentlichen Stimmungsbild gegeben hat. Die aber auch dazu führen wird, dass sich die erbitterten und teilweise untergriffigen Attacken auf ihn von links wie rechts jetzt dramatisch intensivieren werden (mit nachträglicher Ergänzung)

Wie wird es nun bis zum Wahltag weitergehen? Jetzt stehen wohl zwei sehr unterschiedliche Effekte bevor.

Der eine ist der oft beobachtete „Bandwagon-Effekt“: Das heißt, dass noch weitere Menschen auf den Kurz-Zug aufspringen könnten. Das sind jene, die immer gern mit der Masse gehen, die selbst unsicher und politisch wenig interessiert sind, die sich gerne anpassen, die aber auch meinen: Wenn schon alles auf Kurz hinläuft, dann soll er auch eine wirkliche Chance bekommen. Gleichzeitig haben gute Umfragewerte auch einen Mobilisierungseffekt auf die eigenen Funktionäre, die in der ÖVP ja immer eine besonders träge Masse sind, welche erst in Bewegung gebracht werden muss.

Der andere Effekt muss Kurz nach unten ziehen. Der tritt dadurch ein, dass Kurz jetzt in den nächsten Wochen konkreter als  bisher Inhalte vorlegen muss und nicht mehr nur auf seine Leistungen (sowie sein überzeugendes Auftreten und den Liebster-Schwiegersohn-der-Nation-Effekt) bauen kann. Dann kann er nicht mehr nur von den schweren Fehlern der anderen Parteien leben, die vor allem dem SPÖ-Vorsitzenden in den letzten Tagen unterlaufen sind.

Denn es gibt einige Felder, wo jede Festlegung auch Gegner mobilisiert. Etwa wenn Kurz die dringend notwendigen Maßnahmen zu einer Belebung und Befreiung der Wirtschaft ansprechen muss, die natürlich von den Gewerkschaften, aber zum Teil auch von der Wirtschaftskammer sofort scharf attackiert werden (zu diesem ureigensten Feld von Reinhold Mitterlehner hat er ja bisher geschwiegen). Etwa wenn er Äußerungen macht, welche die große Zahl der Wertkonservativen wieder dauerhaft an die ÖVP binden sollen, welche ja zu einem signifikanten Teil in den letzten Jahren zur FPÖ abgewandert sind (was aber einige Zeitgeistige in der Berührungszone zu den Neos und Grünen stören würde). Etwa wenn er sich in Sachen Bildung festlegt, wo die große Mehrheit der Bürger, Eltern und Lehrer etwas anderes will als die meisten Wirtschaftsexponenten und Medien.

Vorerst allerdings sieht man jedoch nur in der SPÖ Unruhesignale, wo das taktische Talent von Kern erstmals kritisch gesehen wird, wo nach einem Jahr zunehmend die politischen Inhalte Kerns vermisst werden, wo die Gewerkschaft zunehmend auf Distanz geht, wo die Linke schon wieder mit Unterschriftsaktionen aktiv geworden ist (wenn auch vorerst nur in dreistelligen Dimensionen erfolgreich), wo der (einst?) mächtige Wiener Bürgermeister schon deutliche Distanz signalisiert.

Aber es wäre dennoch ein Wunder, wenn Kurz es jetzt auch noch schaffen sollte, die ÖVP weitere fünf Monate konfliktfrei zu halten. Die derzeitigen Zahlen sind jedenfalls sehr aussagekräftig und zeigen einen gewaltigen Kurz-Effekt.

Die Ergebnisse der sogenannten Sonntagsfrage (Wen würden Sie am Sonntag wählen …) von unique-research, die in der ablaufenden Woche abgetestet wurde (in Prozent; und zum Vergleich die Jänner-Ergebnisse und dann die der letzten Nationalratswahlen):

ÖVP            33               19               24

SPÖ            26               29               27

FPÖ            26               32               21

Grüne          8               12               12

Neos            5                 6                 5

Stronach     1                 0                 5

Diese für die Zeitung "Heute" gemacht Umfrage hat eine Schwankungsbreite von +/- 4 Prozent, ist also nicht total, aber in hohem Ausmaß signifikant. Bei den Rohdaten (wo also die Unentschlossenen noch nicht geschätzt werden), liegt die ÖVP bei 26, die SPÖ bei 20 und die FPÖ bei 19 Prozent.

Noch deutlicher ist das Ergebnis der Agentur Research Affairs (für "Österreich"): Dort liegt die ÖVP sogar auf 35 Prozent und die SPÖ nur auf 20 Prozent (die FPÖ hingegen ebenfalls auf 26).

Etwas anders (und vor allem für H.C.Strache persönlich enttäuschend) sind die Ergebnisse einer fiktiven Bundeskanzler-Direktwahl bei unique. Da liegt Kurz mit 31 Prozent an der Spitze, während Reinhold Mitterlehner im Jänner nur 6 Prozent hatte. Dieser Wert für Kurz ist allerdings eine Spur geringer als jener der ÖVP. Kern schneidet hingegen mit 29 Prozent eine Spur besser als seine Partei ab, muss aber auch bei dieser Frage einen Absturz von zuletzt 34 Prozent hinnehmen.

Strache liegt hingegen mit 15 Prozent weit schlechter als seine Partei. Er hatte im Jänner 17 Prozent - lag damit aber damals noch weit deutlicher hinter seiner damals auf 34 Prozent stehenden Partei. Das sind deutliche Anzeichen, dass die FPÖ weiter primär als Protestpartei gesehen wird, die man aus Ärger unterstützt, die man aber nicht unbedingt regieren lassen will. Was regelmäßig für die FPÖ zu einem Problem wird, sobald sie mitregiert.

Besonders katastrophal ist der Stand der Umfragen aber jedenfalls für die Grünen. Eine lange stabil gewesene Partei, deren Präsidentschaftskandidat im Vorjahr noch erfolgreich war, die binnen weniger Monate ein Drittel ihrer Umfragewerte einbüßt, hat ein ernstes Problem. Das war mit Sicherheit auch die Hauptursache des plötzlichen Rücktritts von Eva Glawischnig. Bei den Rohdaten liegt die Grünpartei gar nur noch bei 6 Prozent.

Überhaupt ein ständiges Zittern, ob überhaupt der Wiedereinzug ins Parlament gelingt, steht den Neos bevor (Rohdaten 4 Prozent). Auch diese haben ja interne Konflikte. Während Parteichef Strolz für eine Öffnung Richtung FPÖ ist, ist der alte LIF-Flügel doktrinär dagegen.

Und vor allem: Wer in Sachen Welcome-Euphorie so daneben liegt wie Grüne und Neos, sollte sich nicht wundern, wenn er nur noch an der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

Aber auch Reinhold Mitterlehner sollte sich nicht wundern, dass – bis auf die Herren Karas, Leitl und Konrad – das gesamte ÖVP-Lager schon seit längerem intern für den Wechsel zu Sebastian Kurz eingetreten ist. Da spricht es halt nur gegen Mitterlehner, wenn er zum Abgang auf patzig-beleidigt tut und völlig unkoordiniert und zum falschen Zeitpunkt den Job hinschmeißt.

Nachträgliche Ergänzung: Ein deutscher Spitzenjournalist weist mich zu Recht darauf hin, dass auch in Deutschland ein ähnlicher Effekt nach Nominierung des SPD-Spitzenkandidaten Schulz entstanden ist, der aber bei drei Landtagswahlen inzwischen wieder völlig verglüht ist.

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