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Damit hat sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich selbst aus dem Rennen genommen. Sie hat sich von einem Mufti ein „theologisches Gutachten“ bestellt und dieses durch ihren „theologischen Beratungsrat“ absegnen lassen. Der Inhalt: Das Tragen von Kopftüchern sei ein „religiöses Gebot“ im Islam und nicht bloß ein Symbol. Sogar von einer Vollverschleierung der Frauen rät dieser Mufti lediglich wegen der österreichischen „Tradition“ ab. Das passiert zufällig – oder doch nicht zufällig? – gleichzeitig mit immer schlimmeren Exzessen des türkischen Diktators. (mit Karikatur und nachträglicher Ergänzung).
Karikatur: Rachel Gold
Erdogan fühlt sich an die Nazis erinnert…
Zuerst zum Kopftuch: Tatsache ist, dass viele andere islamische Autoritäten im Koran keine Pflicht zum Kopftuch finden. Tatsache ist, dass es im Islam keine oberste Autorität gibt, die über solche Fragen entscheiden könnte. Tatsache ist, dass es islamische Länder gibt, in denen generationenlang keine Kopftücher getragen worden sind. Tatsache ist, dass diese Glaubensgemeinschaft damit voll auf die islamistische Linie eingeschwenkt ist, die der türkische Machthaber Erdogan jetzt in der Türkei zugleich mit seiner Diktatur durchsetzen will.
Tatsache ist in Hinblick auf Österreich vor allem, dass sich die Islamische Glaubensgemeinschaft damit endgültig als Kraft disqualifiziert hat, die einen europäischen Islam des 21. Jahrhunderts realisieren oder auch nur anstreben könnte, die mithelfen wollte, die rund 700.000 Moslems in Österreich aus dem Mittelalter herauszuführen. Damit ist aber auch Tatsache, dass die österreichische Regierung einen schweren Fehler begangen hat, als sie diese Glaubensgemeinschaft im Islamgesetz in eine Schlüsselrolle gehievt hat. Das Kopftuch-Verdikt ist umso gravierender, als die Glaubensgemeinschaft bisher immer so getan hat, als ob sie keine religiöse Autorität wäre und allen innerislamischen Strömungen neutral gegenüberstünde. Und jetzt das.
In Wahrheit lebt maximal die Hälfte der Austromoslems in dem von Ankara, der Glaubensgemeinschaft und einigen Golfstaaten dekretierten Mittelalter. Daher muss jetzt die österreichische Regierung alles tun, den Fehler des Islamgesetzes raschest zu revidieren. Man hat auf die Falschen gesetzt. Die Regierung muss das ohne schönfärberische Rücksicht darauf tun, dass dieses Gesetz schon damals ein schwerer Fehler gewesen war. Denn schon seit Jahren ist erkenntlich – hätte man die vielen Indizien aus Schulen, Kindergärten und Moscheen sorgfältiger analysiert –, dass diese „Glaubensgemeinschaft“ ein Element des Rückschritts ist.
Es wird die nächste große Bewährungsprobe für Außenminister Kurz sein, diesen Schwenk herbeizuführen. Die große Hoffnung ist, dass er es diesmal mit dem Koalitionspartner SPÖ leichter haben wird, sitzt doch jetzt dort erstmals eine Staatssekretärin, die zwar islamischer Herkunft ist, die aber laizistisch-aufgeklärt denkt. Und die sich so wie Kurz sofort über den Kopftuch-Vorstoß der Glaubensgemeinschaft empört hat.
Sie unterscheidet sich damit voll vom zurückgetretenen Minister Ostermayer, der bei Aushandlung jenes Gesetzes noch voll die Interessen der Glaubensgemeinschaft vertreten hat. Die Staatssekretärin hat auf Grund ihrer Abstammung aber auch eine viel größere Glaubwürdigkeit für einen ganz anderen Kurs denn jenen der bisherigen sozialistischen Anbiederung.
Ein gutes Ergebnis müsste darin bestehen, dass die Glaubensgemeinschaft auf den Status eines privaten Vereins zurückgestuft wird. Dass in Österreich kein einziger von ausländischen Staaten bezahlter Imam mehr arbeiten darf. Und: Dass das Verbot von Kopftüchern auf den ganzen staatlichen Bereich ausgedehnt wird, nicht nur auf einige wenige Behörden; dass auch private Arbeitgeber das Recht bekommen müssten, ihren Mitarbeitern während der Arbeit ein Kopftuch erlauben oder verbieten zu dürfen. Dieses Recht hat die Koalition ja den Arbeitgebern skandalöser Weise genommen.
Es gibt also wieder Hoffnung.
Die Realisierung dieser Hoffnung würde auch bedeuten, dass Österreich nun nach der von Kurz organisierten Sperre der Balkan-Route ein zweites Mal einen mutigen und eigenständigen Weg geht, der sich von dem Deutschlands total unterscheidet. Berlin setzt seit einem Jahr auf ein nach dieser Sperre schnell mit der Türkei ausgehandeltes Paket. Das aber in Wahrheit nur die Sperre nachvollzieht – und der Türkei viel Geld bringt.
Deutschland ist gegenüber der Türkei und dem immer aggressiver auftretenden türkisch-islamischen Machtanspruch nun neuerlich voll eingeknickt. Oberflächlich geht es dabei um einen anderen Konflikt: nämlich um die türkischen Wahlkampfauftritte in Deutschland, die dort genauso geplant sind wie in Österreich. Das ist jedoch nur scheinbar ein anderes Thema. Im Grunde geht es um genau Dasselbe. Die Frage heißt: Sind wir noch souverän gegenüber diesem türkisch-islamischen Machtanspruch?
Deutschland hat offensichtlich auf seine Souveränität verzichtet. Die schwarz-rote Koalition dort hat nun ausgeschlossen, dass es ein solches Verbot türkischer Wahlkampfauftritte geben wird. Deutschland liegt offensichtlich vor Ankara bereits im Staub. Dafür ist die SPD genauso verantwortlich wie auch Bundeskanzlerin Merkel. Diese ist jedenfalls nach einem einstündigen Gespräch mit dem türkischen Regierungschef voll eingeknickt.
Man fragt sich nur wieder: Warum? Glaubt sie noch immer an ihren Flüchtlingsdeal mit Ankara? Steht sie unter Druck ihres sozialdemokratischen Koalitionspartners, der schon seit Jahren in all diesen Fragen vor allem Rücksicht auf seine vielen türkischen Wähler nimmt? Hat sie Angst vor den düsteren Andeutungen und Drohungen des türkischen Diktators, die sich schon oft als leer erwiesen haben? Freilich kann man dessen Worte auch ohne allzu viel Phantasie als Drohung mit regierungsfeindlichen Unruhen der Deutschtürken interpretieren!
In Deutschland gibt es damit vorerst die übelste aller „Lösungen“. Der Staat tut nichts. Und Gemeinde für Gemeinde, Saalbesitzer für Saalbesitzer müssen jetzt alleine gelassen selber schauen, mit welchen Tricks sie es verhindern, dass ausgerechnet bei ihnen ein Hassprediger Einpeitscher des türkischen Diktators auftritt. Aber das ist lächerlich und unwürdig und selbst levantinisch, wenn jetzt bei einem Saal nach dem anderen behauptet wird: Leider, leider, die Brandschutzanlage ist unzureichend. Leider, leider, bei uns gibt es zu wenige Fluchtwege.
Ein generelles gesetzliches Verbot solcher Auftritte wäre keineswegs undemokratisch, auch wenn das die Türkei ständig behauptet. Es ist schon gar nicht etwas Nazi-artiges, wie es der Berserker-artig wütende Erdogan abstruser Weise behauptet.
Mit den Nazis vergleichbar ist nur das Erdogan-Referendum selber. Nämlich mit der in Österreich von Hitler durchgeführten Volksabstimmung vom April 1938. Auch damals gab es ja einen total einseitigen Propaganda-Terror der Staatsmacht für ein „Ja“. Damals war auf den Stimmzetteln der Kreis beim Ja viel größer als beim Nein. In der Türkei wird derzeit überall sogar in ganz anderen Zusammenhängen das Wort „Nein“ aus der Öffentlichkeit eliminiert. In Wien ist jetzt schon ein antisemitischer Türkenpolitiker aufgetreten. Wer die Zeichen an der Wand nicht lesen kann, wird Geschichte nie begreifen.
Türkische Wahlkampfauftritte hätten nur dann etwas mit Demokratie zu tun, wenn sie der Gegenseite ebenfalls in gleicher Weise möglich wären. Das ist das Wesen der Demokratie. Das ist aber in keiner Weise der Fall.
Es ist daher geradezu lächerlich, wenn die deutsche Sozialdemokratie und Merkel weiterhin die Türkei, die Zehntausende politische Gefangene hinter Gitter gebracht hat, die noch mehr Menschen unter dubiosen Vorwürfen aus dem Job geworfen hat, die Auslandskorrespondenten einsperrt, weiterhin als demokratisches Land, weiterhin als EU-Beitrittskandidaten behandeln. Dass die Türkei in den Augen Berlins nur dann diesen Status verliert, wenn sie die Todesstrafe beschließt. Als ob ausgerechnet dieser Aspekt der entscheidende wäre. Dann hätte man etwa auch die USA (selbst unter dem von den Sozialdemokraten als Heiligen behandelten Barack Obama) als weniger demokratisch denn die Türkei behandeln müssen.
Unakzeptabel sind die von der Türkei gewünschten Propagandaauftritte aber nicht nur, weil zur Demokratie immer auch die Gleichberechtigung einer Alternative (oder mehrerer) gehört. Nicht nur, weil Erdogan bei seinen letzten Auftritten in Österreich übel und gefährlich die Emotionen geschürt hat. Unakzeptabel ist es vielmehr generell, wenn Politiker ihre nationale Innenpolitik ins Ausland tragen wollen.
Ich habe es oft erlebt, dass österreichische Politiker auf Auslandsreisen sogar bloße Interview-Aussagen zu innerösterreichischen Themen ablehnen, weil sie die Innenpolitik nicht im Ausland betreiben wollten. Und schon gar nicht hat es jemals eine Auslandsreise eines heimischen Politikers gegen den Willen des Gastlandes gegeben. Ganz ähnlich verhalten sich auch alle anderen zivilisierten Länder. Es ist nur die Türkei, die als einziges Land aktiv und aggressiv im Ausland Wahlkampf machen will.
Dieser Wahlveranstaltungs-Skandal zeigt aber ebenso wie der Kopftuch-Vorstoß der türkisch kontrollierten Glaubensgemeinschaft: Die Türkei fühlt sich in Deutschland und Österreich schon so stark, dass sie jetzt auf ganzer Front in die Offensive geht.
Umso erfreulicher ist, dass nun der österreichische Innen- und Außenminister einen Gesetzesvorschlag machen wollen, der solche Auftritte ausländischer Politiker verbietet. Man darf sehr gespannt sein, wie der SPÖ-Bundeskanzler darauf reagiert. Denn dieser hat ja auf die Aussage von Kurz, der schon Ende Februar einen Erdogan-Auftritt als „unerwünscht“ bezeichnet hat, gleich zweimal völlig falsch reagiert. Ganz offensichtlich im krampfartigen Bemühen, Kurz als „den“ kommenden Mann der ÖVP gegen das Schienbein zu treten, ist er jedes Mal auf den eigenen Zehen gelandet.
Zuerst hat Kern so auf diese Kurz-Aussage reagiert: „Es macht keinen Sinn, hier Drohungen auszustoßen“; natürlich habe er „keine Freude“ mit solchen Wahlkampfauftritten. Diese windelweiche Äußerung – die in der Türkei lobend aufgegriffen worden ist! – hat die ÖVP sofort als „Einladung“ an Erdogan attackiert, nach Österreich zu kommen.
Worauf Kern erkannt hat, dass er in seinem Anti-Kurz-Furor einen schweren Fehler gemacht hat – und gleich den zweiten begangen: Nur um ja nicht das Gleiche wie Kurz zu sagen, hat er statt eines österreichischen ein allgemeines EU-Verbot für solche Auftritte verlangt. Damit ist er aber erst recht ins offene Messer gelaufen: Denn der Außenminister konnte völlig zu Recht erwidern, dass so etwas in der EU Jahre dauern und wahrscheinlich überhaupt nie zustandekommen wird.
Wird der SPÖ-Chef nun dem ÖVP-Vorstoß zustimmen – oder gleich seinen dritten Fehler begehen? Man darf gespannt sein.
Noch mehr gespannt sein darf man, ob sich Österreich traut, auch jenen Schritt zu setzen, der der Türkei am meisten wehtun würde: nämlich viel intensiver als bisher die vielen illegalen Doppelstaatsbürgerschaften zu kontrollieren, die Erdogan ja zu vielen Stimmen aus Österreich verhelfen. Wer Österreicher wird (ob zuvor Türke oder einer anderen Nationalität) muss seinen alten (z.b. türkischen) Pass abgeben. Es gibt aber seriöse Hinweise, dass sich viele dieser Neoösterreicher tags darauf einen neuen türkischen Pass geholt haben. Wider österreichisches Recht.
Warum kontrolliert die österreichische Exekutive nicht während des türkischen Referendums, welche Österreicher in die türkische Botschaft gehen, um dort zu wählen? Das wäre zwar eine harte Maßnahme, aber wahrscheinlich die einzige mögliche Maßnahme des Protestes gegen das Verhalten Ankaras (und noch immer harmloser als die Schikanen, mit denen dieser Staat etwa die Registrierkassenpflicht kontrolliert …)
Aber selbst, wenn die Koalition das nicht wagt, würden jedenfalls ein Gesetz gegen Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker, eine deutliche Redimensionierung der „Glaubensgemeinschaft“ und eine Durchsetzung des Verbots türkisch-bezahlter Imame der Wiener Koalition großen Respekt einbringen. Dann damit würde Österreich jedenfalls weit mehr Haltung und Selbstachtung als der große Nachbar im Nordwesten zeigen, wo man die Hosen so voll hat, dass man es in ganz Europa riechen kann.
Dann könnte man nach langem wieder einmal stolz auf dieses Land sein.
Schauen wir mal.
Nachträgliche Ergänzung: Wenige Stunden später bremst die SPÖ schon wieder in Sachen Kopftuchverbot für alle öffentlich Bediensteten. Über die Auftrittsverbote für ausländische Politiker will sie wenigstens verhandeln.