Israel oder: Mauern wirken
21. März 2017 00:30
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 4:30
Es gibt kaum ein Land, von dem man bei jedem Besuch so viel lernen kann wie von Israel. Gerade weil das Land klein und von vielen Feinden umgeben ist, sucht es immer kompromisslos und mutig die am besten scheinenden Lösungen. Für die unterschiedlichsten Probleme, vom Migrationsdruck aus der Dritten Welt bis zur Unabhängigkeit der Justiz.
Freilich, für das allergrößte Problem des Landes – das sogenannte Nahostproblem, die besetzten Gebiete und den radikalen Islamismus – findet Israel seit seiner Gründung keine Lösung. Eine solche bräuchte allerdings auch auf arabischer Seite lösungsorientierte Partner. Umso spannender ist, was einem bei einem Besuch in Israel an Nachahmenswertem auf vielen anderen Gebieten aufgefallen ist:
- Der für europäische Besucher erstaunlichste und lehrreichste Satz stammt aus dem Munde eines Richters des Obersten Gerichtshofs (welcher in Israel auch die Funktion eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs hat): „Seit wir die Mauer in der Wüste Richtung Ägypten fertiggestellt haben, haben wir kein Problem mehr mit illegalen Migranten.“ Der Richter sagt das mit durchaus zufriedenem Unterton. Damit zeigt Israel, das früher vor allem für Schwarzafrikaner ein begehrtes Ziel gewesen ist, dass Mauern funktionieren können. Und dass ein ständig an sein eigenes Überleben denkender Staat auch ganz klar das Recht in Anspruch nimmt, sich gegen illegale Migration zu schützen. Dieses Vorgehen gegenüber solchen Migranten ist völlig unabhängig davon, dass sich Israel weiterhin als Einwanderungsland für Juden aus aller Welt definiert und realisiert.
- Diese Mauer Richtung Ägypten ist etwas ganz anderes als die zweite Mauer, die Israel in der Westbank errichtet hat. Diese ist ja durchaus umstritten, weil sie nicht entlang der alten völkerrechtlichen Grenze Israels, sondern zum Teil tief auf palästinensischer Seite gebaut worden ist. Aber auch sie wirkt: Sie hat ganz eindeutig den palästinensischen Terrorismus auf israelischem Boden stark reduziert.
- Israel sperrt die wenigen trotz der Mauer ins Land gelangenden illegalen Immigranten in ein Lager, geht also ganz anders vor als etwa Österreich. Das israelische Oberstgericht hat daran lediglich die Dauer des Zwangsaufenthalts kritisiert, und diesen auf sechs Monate limitiert. Das ist eine Vorgansweise, die übrigens der Ungarns sehr ähnelt, während sie für die österreichische Linke völlig unakzeptabel erscheint.
- Israel hat auch mit zwei afrikanischen Ländern geheime Abkommen geschlossen, um illegale Immigranten dorthin abschieben zu können. Das ist zwar zweifellos mit israelischen Zahlungen verbunden, aber jedenfalls wirksam. Das eine Land ist Uganda. Das andere wird geheimgehalten.
- Was in Österreich vielen nicht bewusst ist: Rund ein Fünftel der israelischen Staatsbürger sind islamische Araber. Dennoch scheint von diesen kaum eine Gefahr auszugehen – sehr zum Unterschied von radikalen Islamistengruppen außerhalb der streng bewachten Grenzen des Staates. Auch wenn Israel seine diesbezüglichen Methoden nicht öffentlich macht, so hat es jedenfalls ausreichende Wege gefunden, die islamistischen Predigern und Propagandisten bei den israelischen Arabern keine Chance lassen.
- Was mir nicht bekannt war und vermutlich vielen anderen Österreichern nicht bekannt ist: Im heutigen Israel lebte einst auch eine kleine deutsch-protestantische Minderheit, deren Angehörige zu Zeiten der Nazis deren Parolen übernommen haben, die sogenannten Templer. Das haben sie etwa auch durch das Hissen von Hakenkreuzfahnen gezeigt. Das hat dann dazu geführt, dass diese Templer „heim ins Reich“ geschickt und gegen Juden aus dem Hitler-Reich ausgetauscht worden sind. Dennoch sind heute etwa in Tel Aviv ehemalige Templer-Häuser als historische Besonderheit einschließlich der darauf angebrachten deutschen Sinnsprüche als historische Denkmäler erhalten und gut gepflegt.
- Israel ist ein Land, das enorm viel Wert auf (Natur-)Wissenschaft und Forschung legt. Da das Land nicht reich ist – viele Menschen verdienen durch Arbeit nicht mehr, als in Österreich die Mindestsicherung beträgt! –, wird enormer Wert auf die Umsetzung geeigneter Forschungsergebnisse durch profitorientierte Unternehmensgründungen gelegt, die direkt an Universitäten erfolgen. Das ist für viele österreichische Unis noch immer igitt (ganz abgesehen vom hiesigen Übergewicht wertloser Billigst- und Ideologiestudien à la Politologie, Publizistik oder Gender).
- Selbst ausgesprochen linksliberale Israelis verurteilen den früheren US-Präsidenten Obama wegen des sogenannten Iran-Atomdeals, der zu einem Ende der gegen Iran verhängten Sanktionen führen soll – sofern er nicht von Donald Trump noch beendet wird. In Europa hingegen findet der Deal die Unterstützung praktisch aller Politiker.
- Besonders interessant ist die Bestellung von israelischen Richterposten (einschließlich der am Höchstgericht). Darüber entscheidet eine neunköpfige Kommission aus zwei Ministern, zwei Vertretern des Parlaments, zwei Rechtsanwälten und drei Richtern. Da einer der Parlamentsvertreter der Opposition angehört, ist die Regierung eindeutig in der Minderheit. Was sich auch an vielen regierungskritischen Urteilen des Höchstgerichts zeigt. Unter den 15 Richtern dieses Gerichts findet man etwa auch einen maronitischen Araber. Die Justiz ist dadurch wirklich unabhängig. In Österreich wird hingegen bei der Bestellung etwa des Verfassungsgerichts, des mächtigsten Oberstgerichts, ein beinharter und totaler Mehrheits-Durchgriff des rotschwarzen Proporzes praktiziert, was für die Reputation des VfGH alles andere als positiv ist.
Vieles regt zum Nachdenken an, vieles auch zum Nachahmen. Aber auch zur Erkenntnis, dass mutige und lösungsorientierte Ansätze im heutigen erstarrten Rot-Schwarz-Österreich leider fast immer ein Fremdwort sind.
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