Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Die Spitzhacke hat einen weiteren Sieg über die Bürger Wiens errungen: Teile des Casinos Zögernitz und des Grünbestandes rund herum müssen seit einigen Tagen dem Projekt eines von den Bezirks- und Landesbehörden überaus liebevoll behandelten Investors weichen. Das ist für viele Wiener ein schlimmes Omen, dass auch der Abwehrkampf gegen viele andere schlimme Attacken auf die historischen Stadtgegenden verloren gehen wird.
Die allerschlimmsten dieser Attacken sind sicher die Hochhäuser, welche die Gemeinde neuerdings im Ringstraßenviertel ermöglichen will. Ein neues Rathaus-Konzept will nur noch selektive Teile der Ringstraße, nämlich sogenannte „Sichtachsen“ von Hochhäusern freihalten. Der geplante Turm neben dem Konzerthaus dient jetzt als Pilotprojekt für diesen gigantischen Bereicherungsversuch.
Dagegen ist sogar die teilweise Zerstörung des Zögernitz-Areals noch relativ harmlos, wenn sie auch die kulturbewussten Wiener zutiefst schmerzt, weil ja das Etablissement durch Johann Strauß einst in die Musikgeschichte eingegangen ist.
Das besonders Widerliche an vielen Entwicklungen in Wien ist, dass dabei nirgendwo eine Stadtplanung zu sehen ist. Die Stadt wird nicht mehr sinnvoll geplant. Und dort, wo Planung sichtbar ist, entstehen Slums und Ghettos, wie bei den Gasometern oder in der sogenannten „Seestadt“.
Im attraktiven Teil der Stadt läuft es umgekehrt: Ein Spekulant kauft die schönsten Grundstücke – und verlangt dann frech von der Stadt eine entsprechende Umwidmung. Die er auch meist brav erhält (aus welchen Gründen wohl?).
In der Hochhauspropaganda mehrerer Wiener Parteien wird nunmehr zur Verteidigung dieser ungeheuerlichen Vorgangsweise gegen die wachsenden Bürgerproteste weinerlich von „Investorenschutz“ geredet. Kein Investor würde mehr nach Wien kommen, wenn man Investoren-Projekte behinderte, wird behauptet. Verlogener geht’s nimmer. Denn:
Denn gerade das Ringstraßenviertel ist ein wunderbares Beispiel, wie es im wirklichen Kapitalismus zugegangen ist. Die gesamte Verbauung der Ringstraße (einschließlich des Schutzes des Stadtparks vor Verbauung!) bis hin zur sogenannten Zweierlinie ist nämlich gerade ein Produkt der einzigen liberal-kapitalistischen Ära Wiens.
Die damalige liberale Stadtverwaltung hat – in Kooperation mit dem Kaiser – den Bauherren bis auf den Meter genaue Fluchtlinien, Bauhöhen und sonstige Richtlinien vorgegeben. An diese hat sich absolut jeder der damaligen Investoren beinhart zu halten gehabt, wie man heute noch überall sieht. Egal welche Interessen er vorzuschützen versucht hätte.
Dennoch sind damals die Investoren (meist aus dem stark aufblühenden jüdischen wie christlichen Bürgertum, das den Adel zu übertrumpfen begonnen hat) geradezu Schlange gestanden, um bauen zu dürfen. Sie haben so viel für die Grundstücke bezahlt, dass damit die öffentlichen Bauten am Ring finanziert werden konnten. Sie haben von den niedrigen Steuern profitiert und von den vielen Arbeitskräften aus der Monarchie, die in Wien arbeiten wollten (und die noch keine Alternative durch eine komfortable Mindestsicherung gehabt haben).
Dadurch ist einer der schönsten Teile Wiens entstanden, von dem der Wien-Tourismus auch heute noch profitiert, der den Wienern selbst ein enorm positives Identifikationsgefühl mit ihrer Stadt gibt. Oder pointiert formuliert: Der Kapitalismus hat Schönheit entstehen lassen, der Sozialismus zerstört sie.
Während die hochbezahlten PR-Agenturen und Spin-Doctoren neuerdings das Jammerlied von den armen Investoren zu verbreiten versuchen, haben sie die früheren Pro-Hochhaus-Schallplatten inzwischen wieder verräumt:
Im Grund ist jeder Wiener überzeugt zu wissen, warum die sonst so schikanösen Behörden der Stadt bei manchen Projekten so großzügig sind, auch wenn es oft schwerfällt, gerichtsfähige Beweise für manche Vermutungen zu finden (Indizien gibt es ja genug). Dabei geht es ja – ganz, ganz zufällig – immer um jene Projekte, die den meisten schnellen Gewinn versprechen. Das ist irgendwie ähnlich wie bei großen Waffengeschäften: Auch dort vermutet jeder, dass üppige Bestechungsgelder fließen, man kann es nur selten nachweisen.
Deshalb sind jetzt gerade die Grünen so besonders unglaubwürdig geworden: Beim Abfangjägerkauf inszenieren sie sich seit 15 Jahren mit einem Bestechungsverdacht, ohne jemals einen Beweis vorgelegt zu haben. Hingegen sind sie bei den Immobilienspekulationen durch die zuständige Stadträtin unmittelbar involviert – oder sie sind dieser Branche gegenüber plötzlich von grenzenloser Blauäugigkeit.
Bei den beiden Großparteien überrascht mich sowieso nicht ihre mehr als seltsame Rolle bei der Zerstörung der Schönheit Wiens. Abgesehen von allen düsteren Vermutungen hat man bei der SPÖ ja noch nie einen kulturellen Bezug sehen können (die ihr immer eifrig zuapplaudierende Kulturszene ist ja eben nur mediale Adabei-Szene und nicht Kultur; sie ist einzig an den durch die Genossen zu verteilenden Subventionen und Aufträgen interessiert). Auf die einstige Kulturpartei eines Jörg Mauthe namens ÖVP kann man in dieser Frage auch nichts mehr geben, seit sich ausgerechnet der alte Raiffeisenboss Christian Konrad, der immer wieder als ÖVP-Sponsor genannt worden ist, öffentlich für das Hochhaus exponiert hat. Aber auch die FPÖ, die sich lobenswerterweise gegen das Hochhaus ausspricht, könnte viel mehr Engagement zeigen, wäre ihr die Schönheit Wiens und sein kultureller Wert ein echtes Anliegen. Wirklich in die Arena steigt die Partei jedoch nur, wenn es um die Verhinderung von Moscheen in Gemeindebauvierteln geht.
Funktioniert Politik wirklich so? Wenn man die Eigentümer der Kronenzeitung an Bord hat, wenn man den anderen Zeitungen eine Anzeigenflut verspricht, wenn man die Parteien wie auch immer ködert: Dann ist alles möglich, um über die Bürger drüberzufahren?
Ja, vielleicht funktioniert sie meistens wirklich so. Aber dann sollten Parteien und Medien wenigstens aufhören, sich über ihren dramatischen Vertrauens-, Wähler- und Leserverlust zu wundern . . .
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.