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Die Renaissance der Gewerkschaft

Das Erstaunlichste an der jüngsten Einigung in der Koalition ist die dramatische Renaissance der Sozialpartnerschaft. Gewerkschaft und Wirtschaftskammer haben die von Bundeskanzler Kern angestrebten Neuwahlen verhindert. Sie haben ebenso verhindert, dass der von Kern geplante Transfer wichtiger Sozialpartner-Kompetenzen an die Politik stattfindet. So positiv das klingt, so fragwürdig ist es, ob eine Renaissance der Sozialpartner für Österreich insgesamt positiv ist.

Österreich war nämlich im weltweiten Vergleich schon bisher das Land mit den weitaus mächtigsten Sozialpartnern. Das war in der Nachkriesgzeit auch durchaus hilfreich. Es gab weniger Streiks als im Ausland. Insgeheim galt die Formel: Die Arbeitnehmer bekamen ähnliche Lohnerhöhungen wie die deutschen Kollegen – nur um ein oder zwei Zehntel weniger, sodass sich die Wettbewerbsfähigkeit ständig erhöht und Österreich in den ersten Jahren des Jahrtausends viel internationale Bewunderung errungen hat.

Heute jedoch ist die Sozialpartnerschaft ein Anachronismus. Eine Wirtschaftskammer mit Pflichtmitgliedschaft ist vielen Ländern unbekannt. Eine ebenfalls obligatorische Arbeiterkammer noch viel mehr. Beides wirkt für Investoren abschreckend. Vor allem aber haben die Gewerkschaften – bis auf den öffentlichen Dienst – stark an Kraft verloren.

Genau deswegen haben sie  ihre frühere souveräne Zurückhaltung aufgegeben. Die starken Männer Benya, Verzetnitsch, Hundstorfer sind weg. Die Nachfolger versuchten Stärke zu zeigen, indem sie trotz Krise die Lohnforderungen überzogen und viele für die Wirtschaft belastende Regelungen durchsetzten. Tatsache ist, dass Österreich deswegen heute in der Wettbewerbsfähigkeit und in allen anderen Vergleichsparametern schlechter dasteht als vor zehn Jahren.

Aber nun haben sich die Sozialpartner doch als stark erwiesen, um die Verlängerung der Koalition durchzusetzen und gleichzeitig viele Themen aus der Agenda des neuen SPÖ-Chefs für sich zu reservieren, wie Arbeitszeit und Mindestlohn. Bedeutet das nun eine Versachlichung dieser Fragen oder eine wirtschaftspolitische Entmündigung der Regierung? Das wird wohl erst die Zukunft zeigen. Die Industriellenvereinigung sieht das jedenfalls aus Katastrophe und „Begräbnis erster Klasse“ für die dringend nötige Arbeitszeitreform.

Tatsache ist jedenfalls, dass in ganz Europa (und Amerika erst recht) die Gewerkschaften dramatisch an Bedeutung verlieren. In fast allen Ländern außer Österreich, wo es noch relevante sozialistische Parteien gibt, haben diese sogar einen Konflikt mit der Gewerkschaft riskiert. Man denke etwa an die deutsche SPD, die bei der Agenda 2010 einen Frontalzusammenstoß mit der Gewerkschaft und eine Spaltung in Kauf genommen hat. Dafür hat sie Deutschland einen starken Wiederaufschwung verschafft. Ähnlich hat Alfred Gusenbauer Distanz zur Gewerkschaft gesucht – und ist gescheitert.

Man muss daher zweifeln, ob ausgerechnet jetzt die Gewerkschaft imstande ist, an einem ähnlichen – dringend notwendigen – Aufschwung für Österreich ernsthaft mitzuwirken.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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