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Das Grazer Wahlergebnis zeigt: Die Bürger sind flügge und mündig geworden. Sie entscheiden bei jeder Wahl neu – auf lokaler und regionaler Ebene vor allem an Hand der antretenden Persönlichkeiten und lokaler Themen. Nur noch ganz wenige Österreicher sind bereit, stur immer für die gleiche Partei zu stimmen. Alle Versuche, bundespolitische Schlüsse aus der Grazer Wahl zu ziehen, sind jedoch falsch.
So sensationell sie auch klingt, so ist doch die Tatsache nicht mehr neu, dass eine der beiden Koalitionsparteien der Bundesebene – in Graz ist es die SPÖ – an die fünfte Stelle zurückfällt. Erst vor einem Jahr haben die Kandidaten der beiden einst großen Parteien sich bei der Präsidentenwahl „Kopf an Kopf“ an vierter und fünfter Stelle gefunden.
Das Ergebnis – ÖVP (mit starken Zuwächsen) vor der (konstanten) KPÖ vor der (einer leicht wachsenden) FPÖ vor den (leicht verlierenden) Grünen vor der (einer stark verlierenden) SPÖ und vor den (erstmals in den Gemeinderat einziehenden) Neos – ist zu 98 Prozent durch Grazer Faktoren und die Grazer Kandidaten zu erklären.
Dennoch kann gerade auf dieser Ebene eine allgemeinpolitische Regel abgeleitet werden: Entscheidend bei Lokalwahlen ist der Spitzenmann, die Vertrautheit und Zufriedenheit mit diesem, seine persönliche Ausstrahlung. An dem hält man fest, solange keine gravierenden Gründe gegen ihn sprechen. So ist nicht nur der Triumph des ÖVP-Bürgermeisters Nagl erklärbar, der nun endgültig zum Langzeitbürgermeister wird.
Auch der vom Rest der Republik abweichende Dauererfolg der Grazer Kommunisten ist nur mit den überaus bieder-nett wirkenden Grazer Kandidaten zu erklären, und nicht damit, dass sich jeder fünfte Grazer Wähler Gulag, Verarmung, Massenmord und Eisernen Vorhang wünschen würde – obwohl das die historisch einzigen „Erfolge“ des internationalen Kommunismus sind.
Der tiefe Absturz der Grazer Sozialdemokraten gleicht ganz der langjährigen Talfahrt der Wiener ÖVP. Die ÖVP wird in Wien ähnlich wie die SPÖ in Graz nur noch von jedem Zehnten gewählt. An der Spitze ist es genau umgekehrt: In Wien steht Rot an erster Stelle, in Graz Schwarz, mit jeweils knapp unter 40 Prozent.
Die Schwarzen in Wien und die Roten in Graz haben beide den gleichen Fehler begangen: Sie haben in hektischer Verzweiflung im Lauf der Jahre ständig neue Spitzenleute präsentiert, keinem die Chance gegeben, dass sich die Wähler bei mehreren Wahlkämpfen an ihn gewöhnen könnten. Statt dessen wurden Menschen an die Spitze gereiht, deren Namen sich kaum die Journalisten gemerkt haben.
Als Bestätigung für diese These sei auch mit der Entwicklung der Landtagswahlen in Salzburg und der Steiermark mit ihren Machtwechseln von Schwarz zu Rot und zurück zu Schwarz verglichen. Auch dort sehen wir: Eine zurückliegende Partei kann – natürlich nur: kann – auf lokaler und regionaler Ebene immer nur dann Erfolg haben, wenn der jeweilige Spitzenkandidat über mehrere Wahlen gleich geblieben und dadurch langsam aufgebaut worden ist. Der strategische Grundfehler vieler Parteien: Wer‘s nicht bringt, wird beim ersten Misserfolg sofort wieder weggeräumt. Die Bürger brauchen aber nun einmal länger als die politische Klasse, um sich an ein Gesicht zu gewöhnen. Diese Chance lässt ihnen die Hektik vieler Parteien jedoch nicht.
Auf Bundesebene funktioniert freilich nicht einmal dieses Prinzip. Dort sind zu viele sachpolitische Faktoren dominierend. Dort kann sogar der gegenteilige Effekt eintreten: nämlich dass es Erfolg verspricht, wenn ein neuer Mann nicht mit den Hypotheken vieler unpopulärer Entscheidungen belegt ist und daher leichter gewinnen kann als ein verbrauchter Spitzenkandidat. Deshalb tut auch die ÖVP gut daran, Sebastian Kurz erst knapp vor einer Wahl an die Spitze zu heben.
So eindeutig dieser Persönlichkeitsaspekt ist, so klar ist auch, was Graz jedenfalls nicht bedeutet:
Am ehesten legitim ist eine Hochrechnung aus Graz auf den Bund wohl bei den Grünen. Der Erfolg Van der Bellens bei der Präsidentenwahl war ganz eindeutig sein Erfolg und nicht ein Zeichen eines Aufwinds für die Partei. Vielmehr sind die Grünen im langsamen Rückwärtsgang. Haben sie doch nach dem alten Professor nirgendwo mehr Persönlichkeiten mit Ausstrahlungskraft; sind doch die Ökologie-Themen teils von den anderen inhaliert, teils abgelutscht; wirken sie doch zunehmend als Partei verkrampft-korrekter Oberstudienräte; nerven sie doch ganz Österreich mit ihrem Genderismus-Getue; und sind sie doch jene Partei, die am heftigsten den Zuwanderungs-Tsunami unterstützt.
An ihrer Stelle können zumindest in Universitätsstädten die Neos reüssieren. Diese begehen freilich den Fehler, ähnlich wie Rotgrün auf „Refugees Welcome“, Feminismus und Political correctness zu setzen, weshalb sie das liberale Potential in keiner Weise ausschöpfen können.
PS: Den Grünen hat nicht einmal das fast schon übliche Unterstützungsfoul des ORF geholfen, der einen Tag vor der Grazer Wahl die grüne Parteichefin im Hörfunk-„Journal-zu-Gast“ hatte und dort faserschmeichelweich behandelte. Das ist trotz der Erfolglosigkeit solcher Aktionen absolut skandalös. Graz ist ja immerhin die zweitgrößte Stadt Österreichs. Der dortige Wahltag hätte in einem eigentlich zu parteipolitischer Neutralität verpflichteten Programm unbedingt berücksichtigt werden müssen. Das war alles andere als ein Zufall. Es ist im rotgrünen Gebührenfunk ja auch noch nie passiert, dass vor Wahlen Schwarz und Blau einen netten Auftritt bekommen hätten …