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"Beschäftigungsbonus": Ein Exzess an Dummheit und Verantwortungslosigkeit

Kaum liegt (abgesehen von dem seit Sommer fertigen Integrationsgesetz) das erste Thema aus dem von den Medien gefeierten „Arbeitsprogramm“ auf dem Tisch, zeigt sich, welch gewaltiger Pfusch diese PR-Inszenierung des SPÖ-Bundeskanzlers ist. Aber der Finanzminister als einziger Träger verbaler Wirtschaftsvernunft in dieser Regierung schweigt seit Wochen (mit nachträglicher Ergänzung).

Die Qualifikation als Pfusch ist nun unbestreitbar, seit die Koalition versucht, das Kapitel „Beschäftigungsbonus“ für bestimmte Arbeitsplätze zu konkretisieren. Dabei geht es um einen 50-prozentigen Ersatz der Lohnnebenkosten für drei Jahre. Im Kern-Mitterlehner-Programm waren ja alle heiklen und schwierigen Fragen bisher auf- und beiseitegeschoben worden. Statt dessen hat man nur zu jedem Punkt ein Datum hingeschrieben.

Die Details, warum das ein Pfusch ist:

  1. Christian Kern hat die ersten Details seiner Überlegungen dazu jetzt ausgerechnet via Kronenzeitung skizziert, bevor er seinen Koalitionspartner informiert hat. Das ist kennzeichnend für den Stil dieser Regierung. Das ist besonders skurril, da sich Kern selbst laut aufgeregt hat, dass der Innenminister nicht im Arbeitsprogramm enthaltene Vorschläge gemacht hat.
  2. Der Beschäftigungsbonus soll schon am 1. Juli in Kraft treten, was eine sorgfältige organisatorisch, legistisch und ökonomisch durchdachte Realisierung absolut unmöglich macht.
  3. Die noch völlig fehlende Detailabgrenzung allein wird ein unglaubliches legistisches Monster: Soll der Bonus auch für Jobwechsler gelten? Wird dann nicht halb Österreich den Job wechseln? Oder gibt es ihn nur für angemeldete AMS-Kunden, wie Kern einen Tag lang vorgeschlagen hat (die aber zu 30 Prozent Pass-Ausländer und zu einem weiteren hohen Prozentsatz schwer vermittelbare Österreicher „mit Migrationshintergrund“ sind)? Gilt er auch für in den Arbeitsmarkt zurückkehrende Mütter? Für Studienabsolventen? Studienabbrecher? Schulabsolventen? Aufstocker von Teilzeit auf Vollzeit? Von geringfügigen Tätigkeiten auf Teilzeit-Jobs? Gilt er auch für Bezieher hoher Einkommen?
  4. Rechtlich völlig aussichtslos ist es, einen solchen Bonus so zu konstruieren, dass er nur für Österreicher gilt. Das wissen sie alle seit der ersten Stunde, geben es nur bis jetzt nicht zu. Alleine das zeigt: Man will ohnedies nur einen Wahlkampfslogan haben, bis dann halt leider, leider VfGH und EuGH das ganze Gesetz kübeln werden. Da kann ja dann Kern nichts dafür.
  5. Es wird absolut unmöglich sein, alle Umgehungskonstruktionen zu verhindern. Da sind die Menschen immer sehr kreativ. Zum Beispiel: Ein Arbeitsplatz verschwindet, aber die gleiche Arbeit wird bei einer anderen Firma – gefördert – weitergehen. Denn selbst wenn man, wie es jetzt heißt, Verschiebungen innerhalb eines Konzerns per Gesetz ausschließt, kann man nicht verhindern, dass Aufträge an eine rechtlich fremde Firma wandern, die dann naturgemäß deutlich billiger anbieten kann. Egal, ob diese Arbeit bisher konzernintern oder bei einer weiteren Fremdfirma mit voller Nebenkostenbelastung erledigt worden ist.
  6. Auf die Unternehmen kommt – wie auch immer die Details zu all dem aussehen – ein weiteres Bürokratie-Monster samt riesigem Kontrollapparat zu. Anders lässt sich nämlich niemals der Unterschied zwischen Arbeitsplätzen, wo dieser Bonus zustehen wird, und jenen nachvollziehen, wo das nicht der Fall ist.
  7. Es ist sogar sehr zweifelhaft, dass es künftig noch eine nennenswerte Anzahl an neuen Arbeitsverhältnissen ohne Bonus geben wird. Das wird sich einfach für kein Unternehmen rechnen. Das wird aber die  jetzt schon exorbitanten Kosten des Projekts nach oben explodieren lassen.
  8. Nach drei Jahren werden dann viele der echt neu geschaffenen Jobs wieder verschwinden (nur die Umgehungskonstruktionen werden bleiben).
  9. All diese Punkte verblassen aber in ihrer Bedeutung im Verhältnis zur völlig offenen finanziellen Bedeckung dieses Programms. Für diese liegt noch kein einziger Vorschlag auf dem Tisch. Dabei geht es aber, wie nun offiziell zugegeben wird, um gigantische drei Milliarden Euro jährlich! Nur damit man sich eine Vorstellung über diesen Betrag machen kann: Das ist mehr als das gesamte jährliche Budget fürs Bundesheer, einschließlich der nun von der rotgrünen Propaganda so dramatisierten Eurofighterkosten. Und einschließlich der versprochenen Erhöhungen des Heeresbudgets, für die sich Rot-Schwarz so feiern hat lassen.

Ohne Übertreibungen kann man sagen: Wir haben eine Regierung, die weder von Recht noch von Organisation noch von Betriebswirtschaft noch von Volkswirtschaft eine Ahnung hat. So ein unseriöser, populistischer und undurchdachter Vorschlag ist in den letzten 70 Jahren noch nie von einer österreichischen Regierung vorgelegt worden. Das hat schon griechische und italienische Qualitäten.

Daher wird zunehmend besorgniserregend, dass der Finanzminister seit Wochen zu all dem schweigt. Nun, seit dem Wochenende ist er krank gemeldet. Deshalb ist ihm alles Gute zu wünschen. Da wir hoffen, dass es da nicht um etwas Dauerhaftes geht, wird es aber umso dringender notwendig, dass Herr Schelling nach dieser Krankheit sein Schweigen bricht. Dass er dann endlich laut hinausdonnert: So nicht!

Oder ist seine Krankheit gar eine Vorstufe zu einem frustrierten Rückzug des Ministers angesichts der exzessiven Verantwortungslosigkeit der Regierungsspitze? Im Wissen, dass ein solcher Rückzug schon einmal einem Finanzminister (Josef Klaus) eine triumphale Rückkehr ermöglicht hat?

Oder muss er gar gemäß einer schon getroffenen Geheimabsprache der Koalitionsspitzen einem willigen Vollstrecker des Koalitions-Schwachsinns der „Qualitäts“-Klasse Mahrer oder Amon weichen?

In dieser Koalition ist wirklich alles möglich.

PS: Die meisten dieser Punkte, die jetzt zum peinlichen Chaos gerinnen, sind übrigens auf diesem Tagebuch sofort nach Bekanntwerden des „Arbeitsprogramms“ im Wesentlichen schon zweimal aufgezeigt worden (erstens und zweitens). Es ist schwer vorstellbar, dass nicht auch die Akteure all das erkannt haben – bevor sie es dennoch hineingeschrieben haben.

Nachträgliche Ergänzung: In hektisch verzweifelten Verhandlungen haben Bundes- und Vizekanzler jetzt dekretiert, dass das Ganze doch statt drei nur zwei Milliarden kosten dürfe. Freilich: Im Finanzministerium sorgt das nach wie vor für totales Kopfschütteln, weil ja auch dieser Betrag allen Versprechungen des Ministers widerspricht, dass es keine neue Schulden geben dürfe. Bezeichnend absurd ist auch das Wie der Reduktion von drei auf zwei Milliarden: Bundes und Vize wollen das Programm einfach stoppen, wenn die zwei Milliarden erreicht sind.
Noch dramatischer ist, auf was jetzt eine Wirtschaftstreuhänderin hingewiesen hat: Sämtliche Firmen, die den Bonus kassieren, könnten ihn Jahre später zurückzahlen müssen, wenn die EU - erwartungsgemäß - ihn als rechtswidrig einstufen sollte.
Eine unglaublich unseriöse Politik. 

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