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Wer geglaubt hat, der Präsidentschaftswahlkampf hätte eine über bloße Camouflage hinausgehende echte Verbürgerlichung der Grünen eingeleitet, der irrt. Im Gegenteil: Bei den Grünen herrscht derzeit linker Triumphalismus. Man hat gesiegt. Jetzt kann durchgegriffen werden. Jetzt kann man auf die rechtsstaatlich-demokratisch-liberale Tarnung endlich wieder pfeifen, die man ein Jahr lang krampfhaft aufrechterhalten hat müssen. Einen besonders üblen Beweis dafür lieferte dieser Tage der grüne Abgeordnete Dieter Brosz.
Es gibt aber auch etliche andere Beispiele, wie sofort nach der Wahl wieder die alte, überaus problematische Partei durch die Tarnung bricht.
Besonders signifikant – wenn auch thematisch neben diesen Großthemen scheinbar untergehend – ist das Verhalten des Herrn Brosz. Er hatte den parteilosen Abgeordneten Marcus Franz (Ex-Stronach, Ex-ÖVP) angezeigt, weil dieser ein Massenmail an 182 Adressen statt der theoretisch nur erlaubten 50 verschickt hat (zur Bewerbung seines neuen Blogs). Diese Anzeige ist dann übrigens schon von der Parlamentsmehrheit selbst abgedreht worden, weil das Mail mit der politischen Tätigkeit von Franz zusammenhängt.
Außerdem: Jeder von uns wird täglich von Massenmails belästigt, ohne dass sich die Grünen darum kümmern würden. Sie versenden solche vielmehr auch selber. Nur bei politischen Gegnern wird sofort angezeigt.
So weit so alltäglich. Denn die ständigen Anzeigen der Grünen rufen selbst in der mehrheitlich linksdominierten Staatsanwaltschaft nur noch ein verzweifeltes Augenverdrehen aus. Erstatten doch die Grünen mehr Strafanzeigen als alle anderen Parteien zusammen. Übrigens ist Peter Pilz dabei Haupttäter, der aber wenigstens meist keinen Meinungsdelikten, sondern vermeintlichen oder echten Korruptionsfällen nachjagt, wie vor allem seit mehr als zehn Jahren dem Abfangjägerkauf. Die anderen Grünen haben sich hingegen in den letzten Jahren total als oberste Political-Correctness-Aufseher und Tugend-Gouvernanten etabliert (freilich mit einem sehr spezifischen Tugend-Begriff, der mit dem traditionellen nichts zu tun hat).
Was die Anzeige von Brosz gegen Franz aber wirklich zum üblen Skandal macht, ist die Begründung, die er bei einer dazu knapp vor Ausbruch der Weihnachtsferien ausgebrochenen Parlamentsdebatte geliefert hat. Laut Brosz sei der Grund seiner Anzeige gewesen, dass Franz „fast täglich Angriffe auf andere Abgeordnete an der Grenze zur Strafbarkeit“ formuliere. Der parteifreie Abgeordnete, so Brosz weiter, „belästigt Abgeordnete mit biologistischen und sexistischen Dingen, die unerträglich sind“.
Also, so weit sind wir schon wieder! Wenn Abgeordnete mit ihren Auffassungen andere Abgeordnete „belästigen“, wenn irgendetwas für inhaltlich „unerträglich“ gehalten wird, dann sollen sie sofort rechtlich verfolgt werden. Brosz hat also gar nicht das Massenmail (182 statt 50), sondern die Meinung des Absenders gestört. Die Brosz-Aussage bedeutet also nichts anderes als: Man soll ungestraft nur noch jene Auffassungen haben dürfen, die den Grünen recht sind.
Das ist eine zutiefst undemokratische Haltung. Mit solchen Auffassungen stellen sich die Grünen weit außerhalb des Geistes und des Buchstabens von Verfassung und Menschenrechtskonvention. Und noch weiter jenseits der Aufklärung mit ihrem zentralen Toleranz- und Meinungsfreiheits-Postulat. Diese Haltung entspricht hingegen genau jenem kommunistischen Links-Totalitarismus, aus dem ein Teil der Grünen ja hergekommen ist (der andere Teil der Grünen waren ehrlich besorgte Umweltbewegte, die in ihrer politischen Naivität freilich nicht begriffen haben, mit wem sie sich da in ein Bett legen).
Aber, so werden manche schlichte Gemüter sagen, „Angriffe an der Grenze zur Strafbarkeit“ sind doch schon wirklich arg. Mit Verlaub: Arg ist es vor allem einmal, so etwas einfach zu behaupten, ohne Beweise vorzulegen. Ich habe schon öfter in den Franz-Blog hineingeschaut, und nie auch nur eine Zeile entdeckt, die die Frage nach der Strafbarkeit aufkommen lassen würde.
Und noch einmal mit Verlaub: Wenn Herr Brosz einen solchen Angriff wirklich entdeckt haben sollte, dann kann er ja diesen anzeigen, dann kann er auch auf Unterlassung und/oder Gegendarstellung klagen (wo ja nicht einmal die parlamentarische Immunität ins Spiel kommt). Aber einfach unerwünschte Meinungen unter ganz anderen Vorwänden zu bekämpfen, ist mies und demaskierend.
Das ähnelt der Strategie der Linken aller Schattierungen ja seit langem: Weil sie in der Sache kaum Argumente haben, greifen sie immer sofort zum Argument gegen die Person.
Was aber verbirgt sich hinter dem für die Meisten unverständlichen Vorwurf, dass Franz „biologistisch und sexistisch“ sei? Mit diesen Schlagworten wird immer die offenbar auch von Brosz geteilte Theorie vom „sozialen Geschlecht“ verfochten. Das ist die seit einem halben Jahrhundert von linken Theoretikern verbreitete Behauptung, die Unterschiede zwischen Mann und Frau seien bloß „sozial“ erworben, also durch Umwelt und Erziehung.
Das peinliche Problem der Linken dabei: Diese skurrile Theorie wird zwar von einigen Genderistinnen an den Unis gelehrt, ist aber durch keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis untermauert. Sie bewegt sich auf der gleichen Ebene wie etwa der Glaube mancher Religionen an Teufelsaustreibungen.
Von Jahr zu Jahr gibt es in Wahrheit mehr Evidenz durch viele echte Wissenschaften, die diese weit über die Genitalien hinausgehenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern beweisen. Eine dieser auf diesem Gebiet besonders viel forschenden Disziplinen ist die Biologie.
Das ist daher von den Linken – eine bei ihnen seit langem verbreitete Agitationstaktik – sofort zum Anlass eines Gegenangriffs genommen worden. Man denunziert all diese Erkenntnisse einfach pauschal als „biologistisch und sexistisch“. Hat man eine Gegenposition einmal erfolgreich denunziert, braucht man sich nicht mehr wissenschaftlich mit ihr auseinanderzusetzen. Was man auch überhaupt nicht könnte, schon gar nicht in Debatten mit einem Arzt wie Marcus Franz.
PS: Parteichefin Glawischnig, die wegen Pilz jetzt nach dessen an sich völlig harmlosen Meinungsäußerung öffentlich cholerische Anfälle bekommen hat, hat bei Brosz kein Wort der Distanzierung oder gar Kritik gesagt. Bezeichnend.
PPS: Dass Franz in der Replik auf Brosz von „Grün-Faschisten“ gesprochen hat, war gewiss auch nicht feiner Umgangston. Aber dennoch ist eindeutig: In Zeiten von Nationalsozialismus und Kommunismus sind alle unerwünschten Meinungen und deren Vertreter erbarmungslos bekämpft worden. Mit einer Vielzahl von Mitteln. Mit Verwaltungsrecht, Strafrecht, Terror, Psychiatrie…
PPPS: Ein Strafrechtsprofessor amüsierte sich in meiner Studienzeit über die Polizei. Dort würde als oberstes Prinzip unabhängig vom jeweiligen Sachverhalt gelten: „Eingspirrt wird!“ Heute scheint dieses Prinzip nicht mehr bei der Polizei, sondern bei den Grünen zu dominieren.