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Wer ist Wirtschaft?

Viel Beifall hat sich die Regierung für ihr „Wirtschaftspaket“ gespendet. Ist dieser Beifall auch berechtigt? Zwar wurde im Gegensatz zum Steuerpaket des Vorjahres diesmal nicht primär der Gewerkschaftsbund auf Kosten der Wirtschaft bedient. Aber in vielerlei Hinsicht zeigt sich erneut, welch verkürzte Vorstellungen die Politik von Wirtschaft hat.

Sie versteht darunter fast immer nur jene Personen, die der Gewerbeordnung unterliegen. Hingegen bleiben dabei Industrie und freie Berufe auf der Strecke. Das sind jedoch (mindestens) ebenso wichtige Selbständige, die netto das restliche Land – Beamte, Arbeitnehmer, Pensionisten, Arbeitslose, sowie alle Menschen in Ausbildung, Asylanten und Asylwerber – sponsern.

Für Industrie wie freie Berufe sind aber nicht neue bürokratische Förderprogramme wichtig, sondern Steuersenkungen sowie eine massive Deregulierung der unerträglichen Vorschriftenlast. Aber beides findet in Österreich nicht statt.

Die Industrie verschiebt deshalb immer mehr Investitionen ins Ausland. Damit können sich die Unternehmen zwar ganz gut helfen – aber für den Standort wird das zur Katastrophe.

Die meisten Freiberufler hingegen können mit Ausnahme der Ärzte nicht einmal das tun. Sie haben zugleich ein gemeinsames Problem: Sie werden öffentlich kaum wahrgenommen. Die Parteien halten sie für eine vernachlässigbare Größe. Dabei zählen die Angehörigen dieser Berufe zusammen mit ihren Familien und jenen Menschen, die bei ihnen Arbeit finden, mehrere Hunderttausende. Nur: Sie waren zum Unterschied von den alles dominierenden Sozialpartnern nie imstande, ihr Gewicht gemeinsam auf die Waagschale zu bringen. Statt strategisch und öffentlichkeitswirksam zu kooperieren, befassen sich viele dieser Gruppen primär mit gegeneinander gerichteten regulatorischen Konflikten. Etwa Rechtsanwälte vs. Notare vs. Steuerberater. Oder Ärzte vs. Apotheker.

Kaum jemand weiß, wer überhaupt aller zu den freien Berufen gehört. Das sind einmal die in den kleinen Kammern – also außerhalb von Arbeiter- und Wirtschaftskammer – organisierten Berufe. Wie die zuvor genannten, wie die Tierärzte, Zahnärzte oder Architekten. Zu den freien Berufen  zählen aber auch alle anderen Selbständigen ohne Gewerbeschein: Journalisten, Musiker, Künstler, Schriftsteller, Dolmetscher, Hebammen und all die „Neuen Selbständigen“ wie Programmierer oder Layouter.

Das sind Berufe, die durchwegs sehr individuell agieren, die oft in harter Konkurrenz zueinander stehen. Daher widerspricht es ihrer Denkwelt, gemeinsam zu agieren. Daher aber kommen sie ständig bei fast jeder Maßnahme der Politik unter die Räder.

Dabei zählen sie zu den kreativsten und dynamischsten Menschen des Landes, zu denen, die am meisten Steuern zur Finanzierung der Allgemeinheit aufbringen – wenngleich auch etliche Freiberufler in großen Existenznöten stecken. Jedenfalls aber sind sie öffentlich nicht als Gruppe existent, zu ihrem gemeinsamen Schaden. Werden sie eines Tages doch noch erwachen?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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