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Für das fast schon im Koma liegende Projekt Europa bedeutet die Wahl von Donald Trump gleich in dreifacher Hinsicht ein lautes Wecksignal: im Bereich Handelspolitik, im Bereich des politischen Stils und im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Sollte auch nur ein Teil der Trumpschen Aussagen aus dem Wahlkampf in die Realität umgesetzt werden, dann wird das Verhältnis zwischen Amerika und EU-Europa komplett anders werden als in den letzten 70 Jahren.
Am klarsten scheint es im Handel zu sein: Da wird es wohl nicht zum TTIP-Abkommen kommen, von dem sich Wirtschaftsexperten zu beiden Seiten des Atlantiks einen positiven Input für Investitionen, Jobs und Rechtssicherheit erhofft haben.
Jetzt wird jede Regierung einseitig das nationale bzw. europäische Interesse gegen Unternehmen der anderen Seite betonen und durchzusetzen versuchen. Jede Seite wird mehr denn je aus Firmen von der anderen Seite des Atlantiks Milliarden herauszupressen versuchen. Hier heißt es: Europa gegen Apple, Google und Amazon. Dort heißt es: Amerika gegen Deutsche Bank, Voest und VW (der Autokonzern muss für seine Abgasschummeleien in Amerika ein Vielfaches jener Summe zahlen, wie sie im Rest der Welt zusammen fällig werden dürfte!).
Und das sind nur die prominentesten Opfer des drohenden Handelskriegs. Genauso betroffen werden auch unzählige kleiner Investoren und Exporteure ohne Investitionen sein. Man bedenke nur: Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Markt für Österreich – noch vor allen anderen Nachbarn. Am meisten betroffen vom Handelskrieg werden Konsumenten und Jobsuchende, Investitionen und Wirtschaftswachstum sein.
Keines der betroffenen Unternehmen wird den Schutz eines neutralen Schiedsgerichts anrufen können, wie ihn TTIP gebracht hätte, sondern es bleibt der zunehmend einseitig und politisch agierenden Judikatur der anderen Seite ausgesetzt.
Die Europäer haben freilich dennoch keinen Grund zu weinen, haben sie doch auch selbst nicht gerade zielstrebig bei den TTIP-Verhandlungen agiert. Und haben doch insbesondere die europäischen NGOs – die ja immer gegen alles sind – und in ihrem Gefolge Rotgrün und dann auch die österreichischen Freiheitlichen (diese wieder im Gefolge der grün mutierten Kronenzeitung) gegen TTIP agitiert. Jetzt hat ihnen Trump den Erfolg beschert – von dem sie alle nichts haben werden.
Sie werden sich in der Zukunft nur wundern können, warum eine Konjunkturflaute nahtlos in die andere übergeht. Aber die Mehrheit und eine populistische Politik hüben wie drüben haben es ja so gewollt.
Zweiter Problemkreis: Die gegenseitige Verachtung und Präpotenz. Trump hat im Wahlkampf nur negativ über Europa geredet. Und Juncker, Hollande, Merkel, Schulz wie auch etliche andere Exponenten der EU-Länder haben sogar noch nach der Wahl öffentlich ungehobelt und negativ auf Trump reagiert. Der amerikanische Präsident ist noch nicht geboren, der sich einen solchen Ton von den eigenen Verbündeten gefallen ließe.
Merkel hat sich sogar dazu hinreißen lassen, ein eher widerwillig klingendes Zusammenarbeitsangebot an Trump mit präpotenten „Bedingungen“ zu knüpfen: Amerika müsse Werte wie Demokratie, Freiheit, Recht und Respekt vor Minderheiten achten.
So zu reden ist in den Augen jeden Amerikaners eine abgrundtief dumme und überflüssige Hybris. Immerhin hatten die USA schon Jahrhunderte vor Deutschland Verfassung und Grundrechte. Immerhin haben nur die USA Siege des (von Deutschland ausgehenden) Nationalsozialismus und des Kommunismus in ganz Europa verhindert.
Ursache dieser Hybris ist schlicht primitiver Medienpopulismus. Merkel hat einfach den Mainstreammedien, die seit langem alle US-Republikaner verachten, nach dem Maul geredet und deshalb auf Trump hingedroschen.
Eine diplomatische „Meisterleistung“, die doppelt dumm wird, schaut man sich das dritte, das schwierigste Themenfeld an: Sicherheit und Verteidigung. Da verlangt Trump ungeschminkt von den Europäern massiv höhere Verteidigungsausgaben, soll es weiter transatlantische Bündnissolidarität geben. Die Europäer haben aber kein Geld dafür, fließt doch all ihr Geld in den Konsum des Wohlfahrtssystems. Von diesem Wählerbestechungspopulismus traut sich aber niemand in Europa abzugehen.
Die Amerikaner haben jeden Grund, ein höheres Engagement Europas zu fordern. Haben sie doch nicht nur in beiden – in Europa ausgelösten – Weltkriegen im Interesse Westeuropas mitgekämpft. Haben sie doch vor allem auch in den Nachkriegsjahrzehnten den alten Kontinent vor einem Vorstoß von 40.000 durchaus angriffig aufgestellten osteuropäischen Panzern geschützt.
Gleichzeitig ist heute Westeuropa genauso reich, wie es die Amerikaner sind. Daher sieht das Trump-Lager keinen Grund, weiterhin ungleich verteilte Rüstungslasten zu tragen. Trump sieht ja in den hohen Rüstungsausgaben der USA auch jenen Topf, aus dem er seine sonstigen Ankündigungen finanzieren könnte.
Tatsache ist, dass die Amerikaner alljährlich einen viel höheren Anteil ihrer nationalen Wirtschaftsleistung für Armee, Navy und Luftwaffe ausgeben als irgendein EU-Staat.
In Ziffern beträgt der Anteil des Verteidigungsbudgets am BIP (wobei in manchen Ländern die diesbezüglichen Angaben relativ geheim gehalten werden, daher nicht unbedingt exakt stimmen müssen; aber tendenziell sind die Werte sicher richtig):
In den USA |
3,5 Prozent |
In Deutschland |
1,2 Prozent |
In Großbritannien |
2,2 Prozent |
(ausgerechnet) in Griechenland |
2,4 Prozent |
In Polen |
2,0 Prozent |
In Russland |
4,6 Prozent |
In Österreich |
0,7 Prozent |
Keinem amerikanischen Bürger ist mehr erklärbar, wieso er auch weiterhin so überproportional viel mehr für die Verteidigung und Sicherheit auch Europas zahlen soll als die Europäer selber. Das wäre selbst dann nicht mehr erklärbar, würden sich Europas Spitzenpolitiker besser benehmen. Das war auch schon bisher von vielen amerikanischen Regierungen kritisiert worden.
Gleichzeitig ist nicht nur in Trumps Augen eindeutig: Die Bedrohungen durch den expandierenden Islamismus, durch die russischen Eroberungen benachbarter Territorien, durch die türkische Politik sind durchwegs für Europa viel größer als für Amerika. In dem durch zwei Ozeane geschützten Amerika ist der Hang zum Isolationismus immer schon groß gewesen (deshalb wollte sich das Land ja auch in beiden Weltkriegen anfangs aus europäischen Händeln heraushalten). Unter Trump wird er noch größer.
Die eigene Sicherheit wird daher für Europa deutlich teurer werden –sollte es sich überhaupt noch der dreifachen Bedrohung aus dem Osten und Süden erwehren wollen. Viele sehen ja Europa ohnedies schon auf dem Totenbett.
Will aber Europa etwas tun – in den letzten Monaten hat wenigstens die ständige Talfahrt der diversen Verteidigungsbudgets ein Ende erfahren –, dann taucht sofort die nächste Frage auf: Wie? Denn da gibt es nicht nur das Problem, dass Verteidigung jedenfalls teuer ist.
Man sieht: Auf Europa kommt gewaltiger Handlungsbedarf zu. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Europa als Folge der Griechenland/Euro/EZB(usw.)-Politik wirtschaftlich so geschwächt dasteht wie noch nie seit seiner Gründung. Und da es durch die Völkerwanderung politisch und geistig so gelähmt und uneinig ist wie noch nie.
Andererseits ist genau das der Grund, warum sich Trump so verachtungsvoll von Europa abwendet. Er hat keine Lust, Europa als Märchenprinz wachzuküssen.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.