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Das ungarische Referendum in Sachen Migranten-Umverteilung hat eine Schlappe für Viktor Orban gebracht. Gleichzeitig hat auch die kolumbianische Regierung ein als historisch empfundenes Referendum verloren. In Ungarn haben nur 40 Prozent der Bürger an der Abstimmung teilgenommen, womit das in der ungarischen Verfassung stehende Gültigkeits-Quorum von 50 Prozent deutlich verfehlt worden ist. Das hat sowohl sehr negative wie auch sehr positive Seiten.
Massiv negativ und problematisch ist zweifellos, dass das ungarische Resultat bei anderen europäischen Regierungen die Motivation reduziert, aus Angst vor den Wählern die Massenzuwanderung zu beenden. Etliche der professionellen Orban-Prügler auf der Linken stellen sogar den Ausgang des Referendums als indirekte Zustimmung der Ungarn zur Einwanderung von „Flüchtlingen“ dar.
Was freilich völlig absurd ist. Denn:
Nur in Ungarn ist dies möglich. Aus drei Gründen:
Diese Klausel ist ein durch nichts zu rechtfertigender Schwachsinn. Und zwar immer, nicht nur, wenn die linke Migrationslobby jetzt wegen der geringen Beteiligung in Ungarn plötzlich behauptet, die Ungarn wären auf ihrer Seite.
Viktor Organ geschieht aber dennoch recht, wenn er jetzt gedemütigt dasteht. Das sollte ihm und allen anderen Machthabern eine deutliche Lehre sein.
Freilich: Europäisch gesehen sind gegen EU-Recht verstoßende nationale Gesetze sowieso irrelevant. Ob 10 oder 90 Prozent teilnehmen. Die Weigerung Ungarns (und etlicher anderer Staaten), Flüchtlinge zu übernehmen, wird jetzt jedenfalls vor dem EU-Gerichtshof landen.
Daher ist es auch völliger Unsinn, was an diesem Wochenende eine einst bürgerliche Zeitung geschrieben hat: „Die Idee einer zwangsweisen Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Mitgliedsstaaten ist längst vom Tisch, weil zuwenige mitgemacht haben.“ Wahr ist vielmehr, dass ganz im Gegenteil der diesbezügliche EU-Beschluss und die ungarische Weigerung, ihn umzusetzen jedenfalls vor dem EU-Gerichtshof landen wird. (Ebenso unglaublicher Unsinn ist es übrigens, wenn man im gleichen Text liest, dass das „Durchwinken Tausender Flüchtlinge“ durch Orban die deutsche und österreichische Flüchtlingspolitik ausgelöst hätte. Aber offenbar ist jeder Unsinn medial erlaubt, wenn man damit nur Orban attackieren kann.)
Interessant war dieses Referendum aber auch ganz unabhängig von Ungarn, vom Thema Migrantenumverteilung und der EU. Es gehört international gesehen zur Gruppe jener Volksabstimmungen, die von Regierungen mutwillig und ohne objektiven Grund aus rein taktischen Gründen vom Zaun gebrochen worden sind. Solche Referenden enden fast immer mit einer Schlappe für die jeweilige Regierung. Das war bei Kreiskys Zwentendorf-Referendum genauso wie bei Camerons Brexit-Referendum. Und natürlich erst recht bei den SPÖ-Befragungen zu Wehrpflicht und Ceta (auch wenn diese rechtlich eine ganz unterschiedliche Qualität hatten).
Das heißt aber ganz und gar nicht, dass die direkte Demokratie falsch wäre. Im Gegenteil. So wie in der Schweiz kann sie aber nur dann das perfekte demokratische Instrument sein, wenn sie von den Bürgern selbst aktiviert wird. Wenn also ein Teil der Bürger Politik und Gesetzgebung in eine andere Richtung lenken will, als von Regierung oder Parlament gesteuert. Hingegen ist der Einsatz von Referenden durch Regierungen ohne jeden Zwang für rein propagandistische Zwecke ein übles Verhalten. Und wird deshalb von der Bevölkerung immer öfter bestraft.
Regierungen sind zum Regieren da. Und Referenden sollten nur für die Bürger da sein, um die Regierung bisweilen zu korrigieren, wenn es einer Mehrheit als notwendig erscheint.
So bleibt zu hoffen, dass die Politik in Europa künftig die direkte Demokratie nicht mehr für illegitime Zwecke missbrauchen wird. Dass aber zugleich die Verfassungen wie in der Schweiz der direkten Demokratie endlich den dringend notwendigen Platz einräumen:
Dass Referenden oft eine Absage an die Regierung bringen, wenn sie nicht so zur ununterbrochenen Selbstverständlichkeit gehören wie in der Schweiz, zeigt auch der Ausgang des am gleichen Tag stattgefundenen Referendums in Kolumbien. Obwohl dieses als Abstimmung „Wollt ihr Krieg oder Frieden?“ verkauft worden ist, was eigentlich hundert Prozent Zustimmung einbringen müsste, hat sich eine knappe Mehrheit der Kolumbianer gegen den von der Regierung vorgeschlagenen (und ausgerechnet von Kuba ausgehandelten) Frieden mit der FARC-Guerilla gewandt. Denn sie wissen: Dieser Frieden hätte eine Amnestie für die älteste Guerilla-Truppe der Welt bedeutet, deren Wüten unzählige Opfer gefordert hat.
Das will eine – wenn auch knappe – Mehrheit der Kolumbianer nicht akzeptieren. Sie will Gerechtigkeit, die Bestrafung von Mördern und nicht blindes Verzeihen. Was mir freilich – wenn auch aus weiter Ferne – recht riskant erscheint. Denn es könnte jetzt zu weiterem Blutvergießen kommen. Auch wenn das große (und trotz FARC-Rebellion seit Jahren blühende) Land eindrucksvolle Erfolge gegen die Guerilla erzielt hat.