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Die Deutsche Bank steht in den nächsten Tagen im Zentrum des gefährlichsten Bank-Dramas seit dem Lehman-Crash im Jahr 2008. Das Drama spielt sich aber auf noch viel mehr Ebenen ab als Lehman und ist daher noch explosiver. Denn hinter der Krise stehen erstens: große Fehler der Bank selber. Zweitens: die katastrophalen Auswirkungen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Drittens: die Schwüre der deutschen Regierung, kein Steuergeld zur Rettung der Bank auszugeben. Viertens: die offensichtlich wieder einmal nicht gerade positive Rolle des Großinvestors George Soros. Und fünftens: das Eskalieren eines heimlichen, nie erklärten, aber umso heftiger gewordenen Wirtschaftskriegs zwischen Europa und den USA.
Bleiben wir bei dieser Dimension der Deutsche-Bank-Krise. Die europäisch-amerikanische Eskalation ist extrem beunruhigend. Auch wenn es alle leugnen, so besteht zwischen den Fällen VW, Apple und Deutsche Bank ein enger Zusammenhang. Kaum bedroht die EU Apple (und damit automatisch auch andere amerikanische Konzerne) mit der gigantischen Forderung, an Irland 13 Milliarden Steuern nachzuzahlen – obwohl Irland diese Steuern gar nicht haben will –, wird die Deutsche Bank von einer ebenso gewaltigen Forderung des US-Justizministeriums in Existenznöte gebracht, an die USA eine Strafe von 12 Milliarden Euro zu bezahlen. Das aggressive Verhalten der EU-Kommission im Fall Apple war wiederum offensichtlich eine Retourkutsche auf das aggressive Verhalten der USA gegenüber VW.
Alle drei Mega-Causen sind von kaum bemäntelten chauvinistischen Untertönen begleitet. Auch wenn es keine Regierung zugeben will: Es herrscht ein transatlantischer Wirtschaftskrieg, der immer mehr eskaliert. Wie vor dem ersten Weltkrieg hat zwar niemand wirklich einen solchen Krieg gewollt. Es haben sich aber mehrere undurchdachte Einzelaktionen zu einem gefährlichen Gebräu vermischt.
Niemand soll glauben, dass auch nur in einem einzigen dieser Fälle rein objektive Rechtsmaßstäbe für diese Eskalation gesorgt hätten, an denen man ja nichts ändern könne. Gleich mehrere Gründe sprechen dafür, dass das nicht so ist:
Man kann vorerst nur rätseln, warum die Strafdrohung so plötzlich so stark abgemildert worden ist. Mag sein, dass die amerikanische Politik erkannt hat, dass auch die USA schwer beschädigt würden, wenn die Deutsche Bank umgebracht wird. Oder sei es, dass die deutsche Regierung (von der EU-Kommission ist das wohl weniger zu erwarten) hinter den Kulissen Washington klargemacht hat, dass sie das Vorgehen gegen die Bank als extrem unfreundlichen Akt ansieht und mit anderen unfreundlichen Aktionen zu beantworten plant.
Diese vorläufige Reduktion der angedrohten Strafe ist derzeit jedenfalls der einzige Aspekt, der noch Hoffnung auf einen späten Sieg der Vernunft macht. Wobei freilich die kaskadenartigen Folgen der orbitanten ersten Strafandrohung schon irreversibel eingetreten sind.
Diese drei Großfälle machen deutlich, wie dringend notwendig die Schaffung unabhängiger Schiedsgerichte für Wirtschaftsstreitigkeiten gerade zwischen der EU und den USA wäre. Nur solche Schiedsgerichte könnten wieder das notwendige Vertrauen schaffen. Nur die Entscheidungen von unabhängigen Schiedsrichtern aus nicht direkt involvierten Drittstaaten könnten dazu führen, dass es statt eines Wirtschaftskriegs wieder glaubwürdige Lösungsversuche ohne nationale Schlagseite oder gar Ressentiments geben kann.
Die Anti-TTIP-Argumentation auf Intelligenzniveau Christian Kern (mit vielen Nachplapperern auch auf der politischen Rechten) spricht immer davon, dass durch die Schiedsgerichte „demokratische Rechte“ ausgehebelt würden. Aber in Wahrheit sind genau diese demokratischen, also politischen, also parteipolitischen, also ressentimentgeladenen Dimensionen die Ursachen des Problems. Genau sie verhindern eine ruhige Lösung.
Handelskriege lassen sich nur durch Abbau von Emotionen, durch möglichst unabhängige Sachlichkeit entschärfen. Nicht durch parteipolitisch motivierte „demokratische“ Scharfmacher, die jeweils die eigene nationale Justiz in Stellung bringen. Die Attacken auf VW, Apple und die DB zeigen, wie sehr sich derzeit nationale politische Interessen und Ressentiments austoben.
Seit der Eskalation im europäisch-amerikanischen Wirtschaftskrieg muss sich jedes Unternehmen dreimal überlegen, auf der anderen Seite des Atlantiks zu investieren, Arbeitsplätze zu schaffen oder sich sonstwie transatlantisch zu engagieren. Jedes Management muss damit rechnen, dass eines Tags politisch („demokratisch“) motivierte Aktionen gegen ihr Unternehmen stattfinden. Dass man daher vielleicht besser auf ein Engagement verzichtet. So wie man ja auch aus vielen Drittweltstaaten genau wegen dieser Rechtsunsicherheit draußenbleibt.
Wohlgemerkt: Das alles heißt nicht, dass Deutsche Bank oder VW keine objektiven Fehler und Unkorrektheiten begangen hätten. Aber wenn jetzt beispielsweise jeder amerikanische Käufer eines VW-Dieselautos viel besser für die (den Autofahrer selber in Wahrheit gar nicht belastenden) Abgasmanipulationen entschädigt wird als Käufer in Europa, dann zeigt das schon deutlich, wie nationalistisch geprägt derzeit Recht angewendet wird. Auch die Deutsche Bank wird in den USA für ihre Delikte viel strenger und eben existenzbedrohend bestraft als in Europa. Ebenso hat das Vorgehen der EU gegen Apples Steuerabkommen mit Irland einen massiven antiamerikanischen Hautgout.
Ohne in die medienübliche Hysterisierung ob der demnächst bevorstehenden Wahlen verfallen zu wollen, so ist doch klar: Wenn schon die jetzigen Regierungen ein solches Schlamassel angerichtet haben, dann dürfte ein Präsident Trump oder eine Präsidentin Le Pen mit ihrer jeweils betont nationalen Interessenpolitik schon gar nicht zu einer Entschärfung imstande sein.
Es wäre für uns alle eine Katastrophe, wenn in den nächsten Jahren die Wirtschafts- und Rechts-Räume nicht zusammenwachsen würden, sondern auseinander. Das droht aber auch ohne Trump und Le Pen.
Die Deutsche Bank kann keine internationale Großbank bleiben – derzeit zählt sie noch zu den weltweit sechs wichtigsten Banken –, wenn sie in Amerika nicht mehr aktiv ist. Die Notwendigkeit einer Präsenz auf dem amerikanischen Finanzplatz haben in früheren Jahren etwa auch schon die beiden Schweizer Großbanken teuer erfahren müssen. Gerade Industrienationen brauchen starke Banken, die sie bei ihrem globalen Engagement mittragen.
Auch VW wäre in Existenzproblemen, wenn es auf den amerikanischen Markt verzichten müsste. Und ohne Apple und Google wären viele Europäer – Konsumenten wie Unternehmer – viel schlechter dran. Umgekehrt profitieren aber natürlich auch die Amerikaner in vielerlei Hinsicht von den transatlantischen Aktivitäten.
Der Ruf nach staatsunabhängigen Schiedsgerichten für solche transatlantischen Wirtschaftsstreitigkeiten bedeuten natürlich keinesfalls, dass Unternehmen privilegiert werden sollen. Es bedeutet aber die klare Notwendigkeit von überall und für alle gleichen, von Anfang an klar festgelegten Spielregeln und Rahmenbedingungen. Ohne nationale („demokratische“) Verzerrungen, Ressentiments, Racheaktionen. Ohne die Möglichkeit, dass ein Land zuerst Firmen und ihre Investitionen anlockt und hereinholt – und dann ausraubt.
Zu dieser zentralen Problematik eines eskalierenden Wirtschaftskriegs kommen im Fall der Deutschen Bank auch noch etliche andere schwierige Ebenen. Das ist die ganze Reihe von strafwürdigen und in Deutschland auch schon vielfach bestraften Inkorrektheiten der Bank: Siehe etwa Kirch-Prozess, siehe etwa Bank-Tricks bei Konsumentenkrediten, siehe etwa die Libor-Manipulationen.
Besonders dramatisch ist die nächste Ebene: Das ist die irrwitzige Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Diese treibt damit nicht nur die Deutsche Bank, sondern fast alle europäischen Geldinstitute in schwere Existenzprobleme, ohne dass der EZB damit die beabsichtigte Ankurbelung der europäischen Krisenregionen gelungen wäre. Die Ausschaltung des Marktzinses als entscheidender Regulierungsmechanismus jeder funktionierenden Wirtschaft wird über die Zerstörung der Finanzwirtschaft hinaus zwangsläufig zum Anwachsen vieler Blasen führen (Immobilienpreisexplosion, falsche Platzierung von Investitionen).
„Dramatisch“ ist im Grund nur ein schwaches Adjektiv, um die zu befürchtenden Folgen der EZB-Gelddruck- und Zinspolitik zu beschreiben. Die damit ausgelöste schrittweise Enteignung der Sparer bedeutet mittelfristig unglaublich gefährlichen Explosivstoff für alle betroffenen Demokratien. Und diese Enteignung droht zusammen mit der Heranzüchtung von Blasen und mit den exzedierenden (nur durch die EZB überhaupt möglich gewordenen!) Staatsdefiziten die bisher größte Wirtschaftskrise der Geschichte auszulösen.
Neben diesen dramatischen Ebenen der Bank-Krise verblasst zwar die nächste, darf aber nicht unerwähnt bleiben: An der Spitze der Investoren, die derzeit gegen die Deutsche Bank spekulieren, steht nach seriösen Informationen wieder einmal George Soros. Was schon irgendwie seltsam ist bei einem Menschen, der gleichzeitig der Messias aller Linksliberalen sein will. Freilich kann Soros nur so agieren, weil eben die EZB so marktwidrig agiert, weil Amerika und Europa einen unerklärten Wirtschaftskrieg führen, weil die Deutsche Bank viele Fehler und Inkorrektheiten begangen hat.
Damit kommen wir zur letzten Ebene dieser Causa: Die deutsche Regierung steht vor der überaus schwierigen Frage, ob sie mit Steuermitteln die Deutsche Bank retten soll, wenn diese noch mehr in Schieflage geraten sollte.
Berlin hat immer wieder geschworen, das nicht zu tun. Und auch die überwiegende Mehrzahl der Deutschen will das nicht. Dennoch könnte Berlin bald in Zugzwang geraten. Wobei das Fatale für die deutsche Regierung ist: Absolut jede Entscheidung könnte sie noch stärker beschädigen, als das die Willkommenspolitik von Angela Merkel ohnedies schon getan hat.
Rettet die deutsche Regierung die Bank mit Steuermitteln, dann steht sie als lächerlich blamiert da. Woran auch der Umstand nichts ändern wird, dass die Schuld an der Bank-Krise gar nicht bei ihr liegt.
Lässt Berlin die Deutsche Bank aber fallen, dann löst es damit die ohnedies drohende Weltwirtschaftskrise aus. Denn dann werden zwangsläufig Abertausende deutsche und internationale Unternehmen, die mit der Bank arbeiten, wie Dominosteine ebenfalls in Konkurs geraten. Dann werden binnen weniger Monate Hunderttausende Menschen arbeitslos. Dann kommt eine gar nicht genau abschätzbare Kettenreaktion in Gang.
Viele Dummheiten und Fehler bleiben jahrelang scheinbar folgenlos. Wie eben die Politik der EZB, wie eben das Führen und nationale Aufladen eines Wirtschaftskriegs, wie eben das Fehlen von gemeinsamen Schiedsgerichten. Aber irgendwann – und vielleicht sogar recht bald – treten die Folgen all dieser Fehler mit akkumulierter und geballter Gewalt ein. Und treffen auch all jene, die glauben, an diesen Ursachen unschuldig zu sein.