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Brauchen wir Regierungen?

Es ist ein interessantes Phänomen. Phasen langer politischer Lähmung führen in der Wirtschaft oft zum unerwarteten Gegenteil: zu einem Aufblühen; zu gutem Wachstum. Das ist erstaunlich und lehrreich.

Derzeit ist das etwa in Spanien zu beobachten, wo im Sommer das Wachstum alle Prophezeiungen und Werte der letzten Jahre übertroffen hat. Gleichzeitig ist das Land aber politisch in Schockstarre, weil sich einfach keine Regierungsmehrheit findet. Die einen wollen mit den anderen nicht. Und die dritten wieder nur dann mit den einen, wenn diese ihren Spitzenmann austauschen.

Ähnliches hat man einst sowohl in Belgien wie auch in Tschechien gesehen. Lange Monate ohne Regierungsmehrheit, nur mit provisorischen Kabinetten und – vor allem – ohne Gesetzesbeschlüsse haben einen wirtschaftlichen Boom ausgelöst.

Noch Erstaunlicheres spielt sich derzeit in Großbritannien ab. Dort haben wirklich sämtliche Experten dem Land nach dem Brexit-Referendum üble Folgen prophezeit. Ein paar Tage lang nach dem Referendum brach in vielen Unternehmen tatsächlich Schock aus. Jedoch ist heute alles schon wieder positiv gestimmt. Die Indikatoren der Industrie sind so gut wie zuletzt im Oktober 2015. Gewiss, die Exportwirtschaft profitiert vom gesunkenen Pfund-Kurs. Aber auch die Bauwirtschaft ist weit weg von depressiver Stimmung. Und immer öfter wird von einem Boom gesprochen.

Zwar ist immer noch wahrscheinlich, dass ein wirklicher Austritt Großbritanniens aus der EU negative Folgen haben dürfte. Aber vorerst einmal hat sich alles völlig beruhigt. Die Wirtschaft freut sich wohl zu Recht, dass jetzt auf längere Frist gar nichts passieren wird. Es wird auf etliche Jahre keine großen Änderungen oder Reformen geben.

Wir lernen: Die Lahmlegung des Gesetzgebers ist oft für die Wirtschaft das Beste. Wenn die Politik mit sich selbst beschäftigt ist, kann sie die Wirtschaft nicht belästigen. Das ermutigt die Unternehmen, die von der Politik vor allem Ruhe und die Gewissheit wollen, dass nicht ständig irgendwelche Rahmenbedingungen geändert werden. Das ist fast immer Gift, selbst wenn die Gesetzgeber es einmal gut mit der Wirtschaft meinen sollten (ist angeblich auch schon vorgekommen).

„Lasst uns in Frieden“ ist die Botschaft aus der Wirtschaft. „Wir wollen uns auf die Märkte, auf unsere Kunden konzentrieren. Wir wollen neue Produkte erforschen und entwickeln. Wir wollen unsere Abläufe immer besser strukturieren. Aber wir wollen uns ganz sicher nicht ständig an neue und oft widersprüchliche Vorgaben einer regulierungssüchtigen Politik anpassen müssen.“

Das heißt zwar nicht, dass es überhaupt keine Gesetze und Beamten braucht. Aber ganz sicher brauchen die Unternehmen nicht ständig neue Regeln und Regulatoren. Diese machen primär nervös und lenken die Energie auf völlig Überflüssiges hin.

Die beste Wirtschaftspolitik ist eine der Ruhe, Gelassenheit und Zurückhaltung. Da das aber viele Politiker in ihrer hektischen Betriebsamkeit nicht begreifen, muss sich die Wirtschaft wenigstens über jene Phasen freuen, da sich die Politik selbst lähmt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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