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An der Türkei ein Beispiel nehmen

Die Türkei hat eine bisher vom „Islamischen Staat“ kontrollierte Stadt in Syrien binnen weniger Stunden offenbar kampflos erobert. Der Grund der türkischen Invasion ist aber keineswegs eine plötzliche Aversion Ankaras gegen den „Islamischen Staat“; dieses grauenerregende Mörderregime hätte im Gegenteil gar nicht jahrelang solchen Erfolg haben können, wenn es nicht gut funktionierende Nachschub-Stränge (Dschihadistenimport, Ölexport, Waffenimport) über die Türkei gehabt hätte. Aber unabhängig von der IS-Frage könnte Europa von der Türkei und ihrem Vorgehen diesmal auch ganz Wichtiges lernen.

Aber zuerst zum türkisch-syrischen Konflikt. Machthaber Erdogan hatte ganz offensichtlich eine Zeitlang den IS direkt, wenn auch geheim unterstützt. Bewegt er sich doch selber immer mehr auf einen sunnitischen Fundamentalismus zu. Ihm ist zwar nie etwas so Radikales vorgeschwebt  wie die IS-Realität. Aber gestört hat ihn diese erst, als die Türkei selbst Opfer von IS-Terroranschlägen geworden ist. Das war Erdogan dann doch zuviel. Er hat die Unterstützung für den IS beendet, weshalb dieser umgehend in existenzielle Probleme geraten ist.

Aber der Einmarsch in Syrien ist dennoch nicht eine plötzliche türkische Kampfansage an den IS. Er war vielmehr einzig von der in der Türkei derzeit alles dominierenden Panik getrieben, dass sonst die syrischen Kurden diese Stadt erobern würden, die ja vom geschwächten IS schon weitgehend verlassen war. Denen wollte man einfach zuvorkommen.

Aber selbst wenn die türkische Behauptung stimmen würde, es ginge nur gegen den IS, ist die Invasion ein dramatischer Wendepunkt. Denn die Türkei hat damit erstmals und als erster Staat direkt am Boden mit ihren Panzern in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen. Dieser ist damit endgültig zu einem Krieg mit mehreren involvierten Staaten geworden. Auch wenn jede Seite ausländische Verbündete hat, ist das ein absoluter Qualitätssprung in diesem Konflikt. Und das noch dazu ohne wirkliche Not und Notwendigkeit. Die Türken sind vielen Anzeichen nach auch einmarschiert, um auf längere Sicht zu bleiben – oder gar weiterzumarschieren.

Das ist Imperialismus pur. Denn nach allen Regeln des internationalen Rechts müsste es der Türkei egal sein, wer eine bestimmte Stadt in einem fremden Land kontrolliert, solange sie nicht von dort angegriffen wird.

Dennoch haben die USA den türkischen Vorstoß ziemlich direkt unterstützt; sie haben die (von ihnen bewaffneten) Kurden unter Druck gesetzt, sich nach Osten zurückzuziehen. Sie wollen offensichtlich trotz ihrer Unterstützung für die Kurden als seriöseste und militärisch effizienteste Gruppierung gleichzeitig an ihrem bisherigen Alliierten in Ankara festhalten.

Nur Syriens Regierung selbst und Russland haben bisher irgendwie gegen die türkische Aktion protestiert. Aber auch sie haben das nicht gerade mit der höchsten Stufe diplomatischer Erregung getan. Alle anderen Länder haben bisher überhaupt geschwiegen. Frankreichs sozialistischer Staatspräsident hat sie sogar ausdrücklich begrüßt.

Diese Vorgänge sind gleich aus drei Gründen interessant:

  • Viel deutet daraufhin, dass jetzt endlich auch etliche Beteiligte zu erkennen beginnen: Eine baldige friedliche Beendigung des grausamen Krieges wird nur dann möglich sein, wenn es zu einer echten Teilung Syriens kommt. Als ich vor drei Jahren eine solche Teilung bei einer Begegnung mit österreichischen und internationalen Diplomaten und Militärs empfohlen hatte, bin ich als unzurechnungsfähiger Utopist abgeschasselt worden. Jetzt, einige Hunderttausend Opfer später, bekommt der Gedanke zunehmend Unterstützung. Denn die einzige Alternative zu einer Teilung – die dann in der verwirrenden nahöstlichen Welt auch bald wieder neue Freundschaften bedeuten könnte – heißt: Noch ein paar Hunderttausend Tote und Verstümmelte mehr.
    Es ginge de facto um eine Teilung Syriens in
    -         einen alewitisch-christlich-schiitisch-proiranisch-prorussischen Assad-Teil;
    -         einen proamerikanischen kurdisch-nationalen Teil mit relativ liberaler Einstellung;
    -         und einen sunnitisch-protürkischen Teil mit sowohl laizistischen wie auch sehr fundamentalistischen Elementen (die Differenzen zwischen diesen Elementen könnten sogar zu einer weiteren, zusätzlichen Teilung führen).
  • Es zeigt sich, dass die Annäherung zwischen Ankara und Moskau, die in den letzten Tagen mancherorts besorgt befürchtet worden ist, nicht wirklich stattgefunden hat. Die beiden autoritären Mächte haben offensichtlich zu viele Differenzen in Ideologie und Interessen. Das kann man mit Erleichterung registrieren. Aber dennoch scheint ebenso klar, dass für die Türkei längst nicht mehr der Sturz des Moskaufreundes Assad in Damaskus, sondern die Kurden zur Hauptpriorität in Syrien geworden sind, die den Russen wieder völlig wurscht sind.
  • Dass ausgerechnet Moskau zumindest formell gegen den türkischen Vorstoß protestiert, ist pikant. Ist Moskau selbst doch das einzige Land auf der Welt, das in den letzten Jahren neben der Türkei den Boden fremder Staaten militärisch erobert hat (man könnte auch noch China mit seinen Aktionen gegen unbemannte, aber in Hinblick auf Bodenschätze interessante Inseln im Meer als weiteres Land auf diese Liste nehmen).

Aus diesen Vorgängen sollte aber auch Europa dringend etliches lernen. Es ist für die EU die letzte Chance, zur relevanten außenpolitischen Akteurin zu werden. Die EU gibt ja immer vor, eigentlich eine Weltmacht sein zu wollen. Jetzt hätte sie die Chance.

  1. Erstens sollte sich auch Europa endlich so wie der Rest der Welt Freunde im künftigen geteilten Syrien suchen und nicht weiter wirklichkeitsfremden Utopien von einem einheitlichen demokratischen Syrien nachhängen.
  2. Zweitens könnten bei einer solchen Teilung alle nach Europa geflüchteten Syrer in ihr Land – freilich oft nicht in ihre Heimatstadt – zurückkehren. Sie könnten auch gegen ihren Willen zu einer Rückkehr in jenen Landesteil aufgefordert werden, welchem sie sich geistig (was meist bedeutet: religiös oder ethnisch) verbunden fühlen.
  3. Drittens sollte Europa endlich auch insofern in der realen Welt ankommen, als spätestens das syrische Exempel gezeigt hat, dass auch alle anderen Großgebilde – Russland, die Türkei, China, die USA – außerhalb ihrer eigenen Grenzen fundamentale Interessen zu verfolgen und durchzusetzen suchen. Daran wagt man jedoch im politisch-korrekten Europa noch immer nicht einmal zu denken.

Was Europa lernen müsste

Dabei hat Europa zumindest im einzigen relevanten Fall, wo es außerhalb seiner Grenzen militärisch aktiv werden sollte, viel bessere und legitimere Gründe dafür als die meisten dieser Mächte. Nämlich im Fall Libyen. Denn von dessen Staatsgebiet (der Staat selber ist ja auf lange Zeit chaotisch zerfallen) geht eine massive Bedrohung Europas aus. Nicht anders kann man es qualifizieren, wenn von einem Land aus Hunderttausende Menschen von mit regionalen Kriegsherren kooperierenden Schleppern völlig unkontrolliert nach Europa geschleust werden, ohne dass sich dieses wehrt.

Das ist schon von der Quantität her eindeutig ein Aggressionsakt. Aber auch qualitativ ist es das in einem hohen Ausmaß: terroristisch-islamistische Täter haben ja schon mehrfach die „Flucht“-Kanäle benutzt, um in die EU zu gelangen; Aggressionen müssen ja nicht immer mit Panzern und Maschinengewehren erfolgen.

Das gleicht jedenfalls haargenau jenem Grund, den die Türkei für ihre Invasionen in Syrien und früher im Irak nennt: von dort würden Terroranschläge ausgehen.

Man darf sich wehren, Europa muss sich wehren

Gegen einen Aggressionsakt muss man sich wehren, man darf sich dagegen laut Völkerrecht auch außerhalb der eigenen Grenzen wehren. Gegenüber Syrien, gegenüber dem Irak, gegenüber Libyen. Dabei sei nur am Rand darauf verwiesen, dass zumindest die kurdischen Aktionen gegen türkisches Gebiet ja eigentlich völlig den von der UNO immer als rechtmäßig unterstützten nationalen Befreiungskämpfen gleichen. Während es für das Eindringen fundamentalistischer Terroristen in Europa nicht einmal diese Rechtfertigung gibt.

Wenn Länder nicht selbst imstande sind, Ordnung zu schaffen und von ihrem Territorium ausgehende Aggressionsakte zu unterbinden, dann hat eindeutig die Außenwelt das Recht dazu. Aber statt daraus klare Konsequenzen zu ziehen, machen sich Europas Politiker die Hosen voll.

Ja, dürfen wir denn das wirklich? Sollten wir nicht doch noch ein paar Jahre warten, bis sich in Libyen eine der vielen rivalisierenden Regierungen vielleicht einmal durchsetzt und dann gegen viel Geld die Völkerwanderung doch wieder unterbindet wie einst Gadhafi?

Das ist Warten auf Sankt Nimmerlein, während täglich weiter Hunderte und an manchen Tagen Tausende Afrikaner über Libyen nach Europa eindringen. Dieses nur auf Feigheit, Verdrängung und romantischer Ideologie beruhende Denken macht Europa endgültig wehrlos gegen die größte Bedrohung seit vielen Jahrzehnten.

Dabei geht es natürlich nicht darum, dass Europa libysche Städte oder Orte erobern soll. Wie es etwa jetzt die Türkei in Nordsyrien tut oder Russland auf der Krim und in der Ostukraine.

Es geht einzig darum, auf ein paar libyschen Quadratkilometern ein militärisch geschütztes Lager zu errichten. In dieses Lager sollten alle Migranten (zurück)gebracht werden, wie auch immer sie Europa erreicht haben.

Es geht also genau um das, was der österreichische Außen- und Verteidigungsminister dringend vorschlagen. Was viele osteuropäische Staaten und neuerdings auch das Berliner Finanzministerium vorschlagen. Was im Grund genau das australische Modell ist, auch wenn es manchen europäischen Bedenkenträgern sogar schon zu weit geht, das Wort „Australien“ nur in den Mund zu nehmen. Jedoch: Wenn man sich noch lange um diese ewigen Bedenkenträger schert, ist Europa eh bald untergegangen.

Von diesem Lager auf libyschem Boden aus könnten dann alle Asyl beantragen – aber bekommen dürften es nur jene, die gemäß der Genfer Konvention wirklich individuelle Verfolgung aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen nachweisen können (Krieg ist nur gemäß Angela Merkel, aber nicht gemäß der Flüchtlingskonvention ein Asylgrund!). Alle anderen würden in dem Lager zwar verpflegt und gesundheitlich versorgt werden. Und sie bekämen auch Gratis-Flugtickets, könnten überallhin ausreisen – nur nicht nach Europa.

Die EU hat zweifellos die Mittel, um eine solche Aktion zu starten. Sie hätte auch die moralische und rechtliche Legitimation, das zu tun. Sie würde sich damit noch immer weit gesitteter verhalten als alle anderen genannten Großmächte.

Wenn sie hingegen weiterhin nichts tut, wenn weiterhin nur unverbindlich und unkonkret herumgeschwätzt wird (wie etwa: „Europa muss seine Außengrenzen besser schützen“), dann hat Europa seine Existenzberechtigung verloren. Dann bleibt den vernünftigeren unter den Nationalstaaten leider nichts anderes über, als ihre eigenen Grenzen penibel zu schützen. Was der viel schlechtere Weg ist.

PS: Natürlich sollte das „australische“ Modell auch auf (etwa) zwei griechischen Inseln wiederholt werden. Dafür würde man nicht einmal militärischen Schutz benötigen, Das wäre auch deshalb umso leichter , als Griechenland der EU sehr viel Geld schuldet. Dann hätte die wahnwitzige Rettungspolitik nachträglich sogar einen Sinn bekommen.

PPS: Natürlich muss die Errichtung solcher Lager auch juristisch dringend ergänzt werden, damit nicht wieder gutmenschliche Richter wieder fast allen Migranten – halt durch die libysche Hintertür – die Einreise nach Europa erlauben. Dann könnte man sie gleich weiter frei einreisen lassen.

PPPS: Selbstverständlich sollten jene Länder, die ein Einwanderungsprogramm für benötigte – also meist qualifizierte – Arbeitskräfte haben, dieses weiterlaufen lassen. Nur sollte nach den Erfahrungen des letzten Jahres niemand mehr glauben, dass der „Fluchtweg“ die benötigten Arbeitskräfte nach Europa brächte. Wer das noch immer glaubt, ist entweder grenzenlos dumm oder bösartig.

 

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