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Es war zu befürchten gewesen: Von Tag zu Tag stellt sich die „Nachdenkpause“ mehr als übler Trick heraus, welche die Wiener Grün-Chefin Vassilakou wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Hinblick auf das geplante Hochhaus neben dem Konzerthaus verkündet hat. Was aber dennoch mehr als erstaunlich ist: Es ist ausgerechnet die Wiener ÖVP, die sich jetzt nach der Wahl als erste Partei und am lautesten für eine Wiederbelebung der Bebauungsabsichten stark gemacht hat.
Offenbar wollen einflussreiche Teile der Stadtschwarzen den Todesmarsch der Partei fortsetzen, der durch den neuen Parteiobmann Blümel und eine von ihm ausgelöste Dynamik unterbrochen schien. Jetzt sorgt sich nämlich die ÖVP-Landstraße allen Ernstes wörtlich: „Den Projektbetreiber immense Planungsschritte setzen zu lassen, die auch mit erheblichen Kosten verbunden sind und dann aus heiterem Himmel das Projekt zu stoppen ist mehr als unprofessionell.“ Und weiters verlangt sie, dass am Heumarkt „jetzt rasch etwas passiert!“ Das dürfe „nicht auf die lange Bank geschoben“ werden. Ein zentraler Punkt Wiens dürfe „nicht dem Verfall preisgegeben werden“.
Freilich: Zwischen Konzerthaus und Stadtpark ist weit und breit kein Verfall zu sehen. Der Klotz des Hotels Intercontinental ist zwar hässlich, aber auch nicht in „Verfall“ (und wohl auch gar nicht gemeint). Daher kann man nur annehmen, dass es der ÖVP ähnlich den beiden Rathaus-Parteien und der Kronenzeitung vielmehr um einen ganz anderen Verfall geht.
Die Äußerung der ÖVP-Landstraße fällt umso mehr auf, als gerade diese der einzige Teil der Volkspartei gewesen ist, der sich früher (neben der - deswegen? - in der Innenstadt gefeuerten Ursula Stenzel) gegen das Monsterprojekt ausgesprochen hatte. Der neue ÖVP-Chef des angrenzenden ersten Bezirks hat hingegen noch knapp vor der Wahl im Gespräch mit mir behauptet, dass er sich noch keine Meinung zu dem Projekt gemacht hätte: Er wolle nicht den Gremien vorgreifen. Und Ex-Parteiobmann Juraczka hat vor etlichen Monaten in einem anderen Gespräch das Projekt sogar mit dem absurden Argument verteidigt, dass Wien Wohnraum brauche. Als ob sich auch nur eine der Wohnraum suchenden Wiener Familien die zweifellos im satten fünfstelligen Bereich befindlichen Quadratmeterpreise in einem Hochhaus im Stadtzentrum leisten könnte.
Es ist jedenfalls nur schwer zu verdauen, dass der ÖVP eine eventuelle Fehlinvestition eines millionenschweren Investors mehr Sorgen bereitet als der schlimmste Anschlag auf das Stadtbild der Wiener seit 1945. Aber der ist ihr offensichtlich völlig egal. Das zeigt insbesondere die ungeheuerliche Formulierung im nächsten Satz: „wie auch immer das Ergebnis der jetzt laufenden Nachdenkpause aussehen mag“.
Ästhetik? Stadtbild? Bürgerproteste? Alles wurscht. Hauptsache es wird gebaut. Und es fließt Geld.
Auch Blümel selbst formuliert so, dass man erkennt, seine größte Sorge gilt dem Investor Tojner: „so kann man mit Unternehmern und Investoren nicht umgehen. So werden noch die letzten leistungsbereiten Menschen aus Wien vertrieben.“ Als ob Spekulation mit teuren Immobilienpreisen im Stadtzentrum zu jenen Investitionen gehören würde, die man besonders benötigt.
Aber auch der freiheitliche Gemeinderat Dietrich Kops ist laut einer FPÖ-Aussendung offenbar um jenen Investor besonders besorgt, der nach den vorliegenden Plänen neben das Konzerthaus ein (noch dazu architektonisch völlig einfallsloses) Hochhaus platzieren will, das ungefähr doppelt so hoch werden soll wie jetzt schon das Hotel (das er überdies aufstocken will). Im O-Ton dieser Aussendung, samt Rechtschreibfehlern: „Nach dem wahltaktischen Stopp des Hochhausprojektes durch Maria Vassilakou ist es keinem der Beteiligten, also Investoren, Anrainer und Bürgerinitiativen zuzumuten, noch länger auf ein für alle akzeptables Projekt zu warten kritisiert Kops.“
Aber auch von Rot und Grün kommt seit der Wahl kein einziges Wort mehr, demzufolge neben dem Konzerthaus kein Hochhaus gebaut werden würde. Es gibt nicht einmal eine klare Garantie, dass man keinesfalls den Status Wiens als Unesco-Weltkulturerbe gefährden würde. Daher scheint es ziemlich sicher, dass man jetzt sehr rasch – weil keine Wahlen in Sicht – das Projekt nur minimal abgewandelt durchziehen wird.
Besonders absurd sind die jetzt von vielen Seiten geäußerten Sorgen um den auf diesem Areal liegenden Eislaufverein, den der Investor – zu Lasten des öffentlichen Grunds neu zu gestalten versprochen hat. Mag sein, dass dieser Verein Finanzprobleme hat. Aber es darf ja eigentlich nicht wahr sein, dass die Gemeinde Wien alljährlich viel Steuergeld ausgibt, um den Rathausplatz jeweils für ein paar Wochen in einen Eislaufplatz zu verwandeln, während ein traditionsreicher Eislaufverein nicht mehr finanzierbar sein sollte.
Gewiss sind die Umkleidekabinen und Espressos rund um den Platz nicht der letzte und schönste Schrei der Architektur. Aber sie sind niedrig und stören daher überhaupt nicht das Stadtbild. Außerdem könnten sie um wenig Geld neugestaltet werden.
Jeder Politiker, der sich jetzt scheinheilige Sorgen um den Eislaufplatz macht, ist daher ein mieser Heuchler. Es geht ihnen allen einzig darum, dass das attraktivste Grundstück Wiens millionenbringend verwertet wird. Was man als Wiener nur empört und frustriert kommentieren kann: Schande über diese Politik! Und alle jene Medien, die dabei Helfershelfer sind!
PS: Kleine Korrektur: Velleicht ist das Grundstück neben dem Konzerthaus gar nicht der finanziell attraktivste Bauplatz Wiens: Heldenplatz und Stadtpark könnten ja nach der letzten Wiener Bauordnungsnovelle ebenfalls fast beliebig bebaut werden. Und da wird sich doch ebenfalls ein großzügiger Investor finden…
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.