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Es ist Reinhold Mitterlehners große – und wohl letzte Chance. Die besteht nicht darin, dass der ÖVP-Obmann derzeit amtierender Regierungschef ist. Sie besteht vielmehr darin, dass die SPÖ jetzt seine Zustimmung zur Neubildung der Regierung braucht, wen auch immer die Genossen für das Faymann-Erbe letztlich vorschlagen.
Mitterlehner hat jetzt die nie mehr wiederkehrende Chance, sein Image loszuwerden, dass er bloß ein gehorsamer und letztlich immer nachgebender Mehrheitsbringer für die sieche SPÖ wäre. Auch noch in den letzten Stunden haben ihn die rotzigen Bemerkungen des Wiener Bürgermeisters erneut so abzustempeln versucht, ohne dass er es gewagt hätte, zurückzurotzen. Auch alle SPÖ-nahen Zeitungen setzen die ÖVP ständig mit dem uralten Schmäh „Arbeiten, nicht streiten“ unter Druck, die SPÖ-Wünsche zu apportieren. Und Mitterlehner hat sich ja in der Tat bei allen Entscheidungen in der Koalition bisher regelmäßig von der SPÖ über den Tisch ziehen lassen.
Die allerletzte Chance Mitterlehners, nicht selbst endgültig unterzugehen, nicht selbst so wie Faymann parteiintern in Raten zerfleischt zu werden, besteht freilich in einer schwierigen Doppelherausforderung: Er muss sowohl personell wie auch inhaltlich ein kräftiges Zeichen setzen.
Personell hat Mitterlehner in der VP-Regierungsmannschaft bisher weitgehend das suboptimale Erbe seines Vorgängers übernommen. Inzwischen hat er hoffentlich die ärgsten Schwachpunkte erkannt. Dazu zählen jedenfalls Justiz- und Familienminister. Dazu gehört wohl auch der Landwirtschaftsminister, auch wenn der in letzter Zeit das Handwerk ein wenig besser gelernt hat.
Das Familienministerium hat nie die Erwartungen erfüllen können und sollte daher wieder aufgelöst werden. Da liegt‘s nicht nur (aber auch) an der Person. Gleichzeitig müsste Mitterlehner auch sein eigenes Wirtschaftsressort wieder vom Wissenschaftsministerium trennen. Das hat nie zusammengepasst. Die Zusammenlegung war ein schwerer Fehler Spindeleggers. Die Wissenschaft ist auch nie Mitterlehners Heimatterritorium geworden.
Dringenden personellen Handlungsbedarf müsste der VP-Chef aber auch bei seinen eigenen Personalernennungen erkennen: Sowohl Staatssekretär Mahrer wie auch Generalsekretär McDonald haben sich als Fehlbesetzungen erwiesen.
Das ist gewiss ein sattes Paket. Aber ein notwendiges. Freilich auch ein schwieriges. Denn in der ÖVP laufen – so wenig wie in den anderen Parteien – die politischen Talente nicht gerade scharenweise herum, die man in diese Ämter heben könnte. Dennoch muss der Mann aus Oberösterreich das versuchen, wenn er sich und die ÖVP noch retten will. Schlechter kann es in den genannten Positionen nicht werden. Und manches Mal – siehe Sebastian Kurz – gehen mutige Personalbeschlüsse auch sensationell gut aus.
Noch wichtiger als die Personalia ist es aber auch, dass die ÖVP auch inhaltlich wieder zu einer kantigen Identität findet. Das ist ihr in letzter Zeit überhaupt nicht gelungen. Das hat Mitterlehner aber auch nie ernsthaft versucht. Ist er wirklich nur ein kleinlicher Bürokrat, der über Winzigkeiten a la Handwerkerbonus hinausgehend keinerlei Visionen und irgendjemanden mitreißende Ziele hat? Dann sollte er umgehend abtreten.
Will Mitterlehner aber statt Totengräber der einst großen konservativen Partei doch noch zum Politiker mit Führungsstärke werden, dann muss er jetzt öffentlich und mutig inhaltlich spektakuläre Projekte verfechten. Und zumindest ein oder zwei davon auch schon in die Politik dieser Regierung hineinzwingen. Damit man überhaupt noch weiß, wozu es eine ÖVP braucht. Was ja fraglich ist, seit die konservativen Positionen weit besser bei der FPÖ aufgehoben sind, die wirtschaftsliberalen bei den Neos.
Um nicht nur abstrakt zu reden, in der Folge ein Katalog wichtiger und kühner Ziele, mit denen Mitterlehner doch noch Profil gewinnen könnte:
Vor ein paar Tagen habe ich hier von der Notwendigkeit einer Agenda 2020 gesprochen. In dieser Liste stehen die wichtigsten konkreten Eckpfeiler für eine solche.
Lauter Wunschträume? Ja, höchstwahrscheinlich. Aber Mitterlehner soll jedenfalls nicht sagen dürfen, es gäbe sie nicht, die Ideen. Er müsste nur mutig und laut für sie kämpfen. Er müsste nur bereit sein, lieber Neuwahlen anzugehen, wenn nichts davon verwirklichbar ist. Als grantiger Angsthase hingegen braucht ihn in diesem Land niemand.
PS: Dieser Katalog nimmt nicht für sich in Anspruch, der einzig denkbare für den so dringend notwendigen Reformsprung zu sein. Und jedenfalls müsste jeder einzelne Punkt auch detailliert ausgearbeitet werden.