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Vorne verlogene Mäßigungsaufrufe, hinten totalitär

In den vergangenen Tagen waren viele Aufrufe zur Mäßigung zu hören. Mäßigung ist an sich immer gut und gewiss notwendig. Denn in den diversen Internet-Foren ist ja nach den Präsidentenwahlen viel Übles zu lesen gewesen. Dennoch sind viele dieser Mäßigungsaufrufe selbst wieder so einseitig und verlogen, dass sie im Grund nur eine neue Form der Hetze von der anderen Seite darstellen.

Im „Kurier“ schreibt etwa ein Herr Votzi – seit Jahren ganz am linken Rand des politischen Spektrums, aber im „Kurier“ im Zentrum der Redaktionsmacht stehend – einen Mäßigungs-Kommentar, der auch nach der Wahl lediglich die Freiheitlichen als „Hetzer“ darstellt. Er führt dabei als einziges Beispiel eines behaupteten „Brandstifter“-Verhaltens der FPÖ an, dessentwegen er dieser sogar das „Glaubensbekenntnis an das demokratische System“ abspricht, dass die Hofer-Partei juristische Möglichkeiten zu einer Anfechtung einzelner Elemente der Wahl erwägt. Der Kurier-Schreiber begreift nicht, dass es geradezu zwingend zum Glauben an das demokratische System gehören sollte, bei vermuteten Wahlmanipulationen aufzuschreien.

Ich selbst sehe zwar in der Tat keine seriösen Indizien für eine großangelegte Wahlmanipulation (abgesehen von dem leider schon zur Tradition gewordenen Verhalten in städtischen Pflegeheimen und vom krassen Missbrauch der Ausgewogenheitspflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks). Aber es ist das gute Recht der Freiheitlichen, unkorrekte Vorgänge zu suchen und anzuzeigen. Das ist alles andere als Hetze oder undemokratisch. Es ist vielmehr selbst Hetze, wenn man das skandalisiert.

Ähnlich verlangen aber auch viele andere Kommentare von Repräsentanten des herrschenden Systems – ob aus Politik, Medien oder Kirchen – Mäßigung, meinen aber ganz offensichtlich immer nur von der FPÖ. Sie verstehen unter Mäßigung de facto, dass die Unterlegenen jetzt den Mund halten, die Hände falten und zu allem Ja und Amen sagen sollten. Sie sehen aber nicht die geringste Notwendigkeit, auch die obsiegende Seite zu mahnen oder zu tadeln.

Gewiss darf und soll keine einzige der in anonymen Internet-Foren erfolgten Beschimpfungen und Morddrohungen gegen Van der Bellen irgendwie gut geheißen werden (auch wenn ich die gegen mich gerichteten Beschimpfungen und anonymen Drohungen immer weggeworfen habe). Aber es macht sich jeder total unglaubwürdig und selbst zum scheinheiligen Hetzer, wenn er das tadelt und gleichzeitig die skandalösen Taten der anderen Seite ignoriert.

  • Dazu gehören im Fall der nun obsiegenden Seite die konkreten, physischen, also nicht nur elektronischen Störaktionen gegen freiheitliche Versammlungen (oder im Fasching: Bälle).
  • Dazu gehören hasserfüllte Postings, die ja auch gegen den freiheitlichen Kandidaten gegangen sind.
  • Dazu gehört die ständige Darstellung, dass mit seinem Wahlsieg Demokratie und Rechtsstaat beendet worden wären.
  • Dazu gehört die auch nach der Wahl wiederholte, diskriminierende und mit allen Traditionen der Republik brechende Aussage Van der Bellens, dass er einen freiheitlichen Wahlsieger nicht mit der Regierungsbildung beauftragen wolle.
  • Dazu gehört die vom ORF-Propagandisten Bürger gemacht Behauptung, die Hofer-Wähler wären halt die „Wohlstandsverlierer“ (also unausgesprochen: Loser-Typen, die an ihrem Schicksal selber schuld wären).
  • Dazu gehört die Tatsache, dass – skandalöserweise auch von Gerichten erlaubt – immer wieder jemand ohne den geringsten Beweis als „Nazi“, „Neonazi“ oder „Faschist“ bezeichnet wird, also als undemokratisch und totalitär gesinnter Extremist.
  • Dazu gehört der von vielen Medien breit als Beweis der Gefährlichkeit der VdB-Gegner dargestellte Umstand, dass der Wahlsieger jetzt Personenschutz durch die Polizei bekommen hätte – als ob es diesen nicht für jeden Bundespräsidenten ab der Wahl gegeben hätte.
  • Dazu gehört etwa auch dieses besonders miese Flugblatt, das „natürlich“ – wie all die grauslichen Postings – anonym kursiert ist.

 

Es ist wirklich bedenklich, wenn angeblich um Objektivität bemühte Medien auf einem Auge total blind sind. Wenn sie an der gesamten grünroten Szene überhaupt nichts tadelnswert finden. Wenn keine einzige inhaltliche Notwendigkeit gefunden wird, den Motiven und Wünschen der Hofer-Wähler Rechnung zu tragen.

Es ist lediglich immer nur die Rede davon, dass man jetzt (=solange man noch die Mehrheit hat) erst recht die Konsenspolitik (=Erfüllung der linken Wünsche) intensivieren solle, dass man die Politik einfach besser erklären müsse, dass man den Menschen ihre Ängste nehmen müsste. Die Hälfte der Staatsbürger wird solcherart paternalistisch wie ein kleines Kind behandelt, mit dem man halt mütterlich-geduldig sein müsse, aber dessen Verlangen natürlich väterlich-streng a priori als zu ignorierender Unsinn zu behandeln wären.

Das Machtkartell will offenbar jetzt nach der Reihe Dinge durchziehen, die es lieber nicht einem Wählerurteil ausgesetzt sieht. Darüber sollte viel mehr diskutiert werden als über die plötzlich ins Zentrum gerückte Frage, ob man die Kompetenzen des Bundespräsidenten einschränken soll. Das Ganze ist mit Sicherheit nur eines der vielen Scheinthemen, die 14 Tage lang von den wirklichen Problemen des Landes ablenken sollen. Und die letztlich nie realisiert werden.

Natürlich würde auch bei einer solchen Einschränkung die Welt nicht zusammenbrechen. Aber es würde sich schon die Frage erheben, warum für die Wahl eines bloßen Staatsnotars dann überhaupt noch die aufwendige Volkswahl nötig ist. Überdies vermittelt die Debatte stark den Eindruck, dass man vor allem deshalb jetzt einem Amt jede Macht entziehen will, weil das Machtkartell zu fürchten begonnen hat, das das Amt in die Hände eines Freiheitlichen fallen könnte.

Vor dem Sohn geheimhalten

Unter all den Begegnungen der Nachwahltage macht mich ein Gespräch mit zwei miteinander verheirateten Akademikern in Erfolgspositionen (teils international, teils österreichisch) besonders bedrückt: Sie haben mir jetzt vertraulich berichtet, dass sie Hofer gewählt haben, aber gleich hinzugefügt, dass sie das auch vor ihrem kleinen Sohn geheimhalten. „Er könnte sich ja verplappern.“

Diese Äußerung hat mich wirklich schockiert. Sind wir wirklich wieder so weit? Das ist wie im Kommunismus oder Nationalsozialismus, da unsere Vorfahren die eigene Gesinnung selbst vor den eigenen Kindern geheimgehalten haben, weil sich diese in Schule oder Kindergarten verplappern könnten. Das zeigt, die Menschen agieren zunehmend so wie in einem totalitären Land. Und niemand wagt es, dagegen aufzustehen.

Ein solches Verhalten wäre freilich umgekehrt nicht vorstellbar – höchstens ein Parteiangestellter der FPÖ täte gut daran, es zu verschweigen, wenn er Van der Bellen gewählt haben sollte…

PS: Manche Gutmensch-Kommentatoren sind gern schnell mit dem Urteil zur Hand gewesen, dass die FPÖ außerhalb des Verfassungsbogens stünde, weil sie eine verfassungsmäßige Aufwertung des Bundespräsidenten vorgeschlagen hat. Kann einer von ihnen erklären, warum er eigentlich nicht auch alle jene außerhalb des Verfassungsbogens stellt, die jetzt dessen Abwertung verlangen, die jetzt eine der – zum Glück nie benötigten – aber eine gute Balance darstellenden Notbremsen der Konstitution entfernen wollen?

 

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