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Mitterlehner, Wehsely, Kurz und Noll

Wenn die ÖVP jetzt zu allem, was der neue SPÖ-Chef tut, Ja und Amen sagt, wenn sie sich noch zwei weitere Jahre zum servilen Mehrheitsbringer für die SPÖ degradiert, dann hätte das zumindest auch einen Vorteil: Sie bräuchte bei der nächsten Nationalratswahl gar nicht mehr anzutreten. Die dadurch eingesparten Millionen könnte sie dann sinnvollerweise einem Sterbehospiz schenken.

Ganz offensichtlich setzen sich in der Partei derzeit jedenfalls wieder einmal die servilen Mehrheitsbringer durch. Man kann sie auch als ängstliche Sesselkleber bezeichnen. In der Tat erklärt sich das Verhalten der Partei, seit sie von Reinhold Mitterlehner übernommen worden ist, nur noch durch die parteikollektive Angst vor Wahlen. Andere Inhalte hat sie nicht mehr.

Nun: Neuwahlen zu verlangen oder anzustreben, darf in der Tat für eine Regierungspartei kein Ziel sein. Aber das heißt doch um Himmels Willen nicht, dass eine Partei keine inhaltlichen Ziele mehr haben müsste. Jede Partei, die überleben will, muss doch konsequent und wider alle Widerstände für ein paar jedem Durchschnittsbürger klar erkenntliche Anliegen eintreten. Nur so wird man respektiert.

Vergebliche Suche nach der verlorenen Identität

Wer hingegen keine Identität mehr hat, soll Beamter, aber nicht Politiker werden. Trotz dieser geradezu banalen politischen Grundregel ist seit zehn Jahren für den Bürger zunehmend nur noch eine einzige Identität, nur noch ein einziges Anliegen der ÖVP-Spitze erkennbar: Wir wollen bitte noch ein paar Jahre unsere Posten behalten. Dafür würden wir wirklich alles geben.

Ein paar Beispiele für dieses Verhalten:

  1. ÖVP als Familienpartei? Sie hat für die Einführung schwuler Partnerschaften gestimmt.
  2. ÖVP als Vorkämpferin einer anspruchsvollen Bildung? Sie hat nicht nur der Zerstörung der leistungsorientierten Hauptschulen zugestimmt, sondern will jetzt in zwei Bundesländern – gegen den Willen der Mehrheit auch der dortigen Bevölkerung – sogar die Zwangsgesamtschule einführen.
  3. ÖVP als Partei der wirtschaftlichen Vernunft und Marktwirtschaft? Sie hat für eine ganze lange Latte neuer Steuern, Kontrollen und Schikanen für Unternehmer gestimmt, deren Aufzählung zwei eigene Tagebucheinträge lang wäre.
  4. ÖVP als Partei der staatspolitischen Verantwortung? Sie trägt seit zehn Jahren die totale Mitverantwortung für eine ständig steigende Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit und für das ständige Zurückfallen des Landes in allen internationalen Rankings.
  5. ÖVP als Partei einer klassisch liberalen Grundhaltung, die Meinungsfreiheit, Recht und Ordnung vertritt? Sie hat das Gegenteil getan: das Strafgesetz in Hinblick auf Meinungsdelikte verschärft und in Hinblick auf Eigentumsdelikte gelockert.
  6. ÖVP als Partei, die Demokratie ernst nimmt? Sie hat der – weltweit fast einmaligen – Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre zugestimmt, und die Forderung nach direkter Demokratie rasch wieder verräumt.
  7. ÖVP als Heimatpartei, welche die österreichische Identität verteidigt? Sie hat sich von der FPÖ alle Symbole alpenländisch-alpinen Rot-Weiß-Rot-Fühlens rauben lassen und zugelassen, dass die jüngste Wende in Sachen Migration mehr mit den Namen Doskozil und Faymann verbunden wird als etwa mit dem von Sebastian Kurz, obwohl dieser schon seit einem Jahr im Gegensatz zu seinem ständig schwankenden Parteiobmann mehr Härte verlangt.

Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Dabei geht es wohlgemerkt weniger darum, dass die ÖVP im letzten Jahrzehnt nichts durchgesetzt hat, weder für ihre (einstigen) Werte noch für ihre Hauptwählergruppen. Es ist schon klar, dass die ÖVP nicht die Stimmenmehrheit hat, gegen diesen Koalitionspartner etwas durchzusetzen.

Aber was so schlimm und absurd ist: Die ÖVP hat in diesem Jahrzehnt – mit der kurzen Ausnahme der Spindelegger-Periode – statt dessen selbst aktiv zu einem ständigen Abbau wirtschaftsliberaler und wertkonservativer Positionen beigetragen. Und immer wieder für linke Gesetze gestimmt. Ohne irgendetwas dafür zu bekommen.

Die Gründe der ÖVP-Agonie

Warum aber ist die ÖVP diesen im Ergebnis so selbstbeschädigenden Irrweg gegangen? Dafür finden sich mehrere Gründe:

  • Sie hat die früher tief verwurzelte Überzeugung von der Richtigkeit und Wichtigkeit der eigenen Werte und Positionen verloren.
  • Sie ist von der schweren Existenzkrise der katholischen Amtskirche und deren Linksruck mit erschüttert worden.
  • Sie wollte und will aus eigener Unsicherheit und Wurzellosigkeit heraus krampfhaft „modern“ sein (ein Lieblingsadjektiv Mitterlehners).
  • Ihr Personal im Bereich der Stäbe, Berater und Kabinette ist in breiter Front von grün und links denkenden Menschen unterwandert worden (das merkte ich etwa mit großem Schock, als mich ein sehr enger Mitarbeiter Mitterlehners in einem privaten Gespräch ernstlich fragte, ob ich nicht auch meine, dass die Zukunft der ÖVP in einer engen Kooperation mit den NGOs läge!).
  • Sie hat im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf einen Kandidaten gehabt, der sich für Bernie Sanders, den wohl aussichtslosen und jedenfalls allerlinkesten aller amerikanischen Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen hat.
  • Sie hat geglaubt, dass sie auf den Abgang des früheren Parteimitarbeiters Matthias Strolz – eines Mannes, der halt frustriert war, weil er kein ÖVP-Mandat bekommen hat, – mit einem Linksruck antworten müsste, weil Strolz eine Partei gegründet hat, die von den Grünen praktisch nicht unterscheidbar ist.
  • Sie hat nicht begriffen, dass sich die Wähler, vor allem die jungen, in den letzten Jahren deutlich nach rechts bewegt haben, hin zu jenen konservativen Positionen, welche die ÖVP in den ersten sechs Nachkriegsjahrzehnten vertreten, seither aber als "unmodern" aufgegeben hat.
  • Sie hat seit Wolfgang Schüssel (oder davor Alois Mock und Josef Klaus) keine Persönlichkeiten an der Spitze mehr, die sowohl zu Führung imstande wären wie auch klare inhaltliche Überzeugungen hätten.
  • Sie hat geglaubt, wirtschaftspolitische Kompetenz bestünde darin, sich für irgendwelche Kammer-Interessengruppen einzusetzen.
  • Sie hat Null Ahnung von den Notwendigkeiten einer Ordnungspolitik mehr, wie diese von Kamitz bis Schüssel so ÖVP-prägend und für Österreich erfolgreich gewesen ist.

Die Van-der-Bellen-Schwarzen

Geradezu eine Verkörperung all jener letalen Fehlentwicklungen der einst großen und für Österreich so wichtigen bürgerlichen Partei sind jene früheren ÖVP-Exponenten, die sich  allen Ernstes für die Wahl eines grünen Bundespräsidenten ausgesprochen haben: Busek, Riegler, Raidl, Rauch-Kallat, Zernatto, Fischler, Karas, Ikrath, Molterer, Ferdinand Maier und Josef Pröll. Die einen aus diesem Grüpplein haben sich längst – offen oder zumindest innerlich – von der ÖVP nach links verabschiedet, die anderen sind durch ihre lukrativen Jobs in Nationalbank und EU einem heftigen linken Druck ausgesetzt.

Bezeichnend ist, dass fast alle aus dieser Gruppe einst Wahlen schwer verloren haben (auch Erhard Busek, wenngleich er selbst immer nur von seinen ersten, durchaus respektablen Gemeinderatswahlen zu sprechen versucht, aber nicht von seiner letzten, bei der die Wiener ÖVP 1987 mehr als sechs Prozentpunkte verloren hat; oder von den mehr als vier Prozentpunkten Verlusten bei „seiner“ Nationalratswahl 1994).

Es ist kein Zufall, dass bis auf die zwei Bauernbündler niemand aus dem letzten Erfolgsteam der ÖVP da bei dieser Van-der-Bellen-Liste mitgemacht haben. Aber egal, manchen Menschen ist halt nicht bewusst, dass sie auf viele bürgerliche Wähler heute längst mehr abschreckend als überzeugend wirken.

Zickzack und offener Streit

Zurück zur aktuellen Koalitionsfrage, die in diesen Stunden die Volkspartei zerreißt. Der Parteiobmann macht, statt klar zu führen, wieder einmal Zickzack. An einem Tag formuliert er drei hart und konkret klingende Bedingungen. Am Tag darauf gibt er sich schon wieder als schmuseweicher Bettvorleger der SPÖ und preist nun Kern statt Faymann.

Mitterlehner verlangt jetzt nur noch wolkig „eine neue Form der Zusammenarbeit“ in der Koalition. Das heißt wie in der Vergangenheit im unausgesprochenen Klartext: „Die ÖVP wird auch weiterhin eh fast alle Wünsche der SPÖ erfüllen, damit uns ja nicht Michael Häupl wieder mit Neuwahlen droht; und damit uns nicht die Kronenzeitung wieder als Zusammenarbeits-Verweigerer tadelt. Vor beidem habe ich nämlich schreckliche Angst.“

Noch viel unglaublicher: ÖVP-Klubobmann Lopatka ruft kritische und ernüchternde Fakten zum neuen SPÖ-Chef und seiner bisherigen „Leistung“ in Erinnerung. Doch Generalsekretär McDonald (noch so ein nie gewählter) rügt ihn - öffentlich! Das ist in diesen Tagen wirklich eine Leistung: SPÖ-intern geht es drunter und drüber, und dennoch wird von den Genossen im Kadergehorsam ein Parteiobmann einstimmig nominiert, ohne dass die meisten diesen auch nur persönlich gesprochen hätten; und dennoch dringt aus der SPÖ keine Kontroverse nach außen, geschweige denn eine Rüge an einem prominenten Partei„freund“.

Wird es ein Veto gegen radikale Positionen geben?

All diese ÖVP-Peinlichkeiten der letzten Tage werden aber nun in den Schatten gestellt durch die entscheidende und in den nächsten Tagen zu beantwortende Frage nach der Regierungszusammensetzung. Denn das, was über die Personalvorschläge von Christian Kern bekannt geworden ist, würde eindeutig einen massiven Linksruck darstellen. Sowohl Frau Wehsely wie auch Herr Noll sind eindeutig linksradikal positioniert.

Sie stehen beide so weit links, dass in der Regierung kein einziger Beschluss auf der Linie der letzten vier Monate mehr möglich sein wird. Diese ersten Maßnahmen einer Einschränkung der Völkerwanderung müssten ja nun durch viele weitere Maßnahmen und Verordnungen konkretisiert werden. Da aber in der Regierung bei jedem Beschluss Einstimmigkeit nötig ist, wird jeder der beiden potenziellen Minister auch im Alleingang alle notwendigen Maßnahmen verhindern.

Dazu kommt, dass Frau Wehsely im Wiener Gesundheitsbereich ein geradezu totalitäres System aufgebaut hat, in dem Ärzte brutal gefeuert werden, nur weil sie die Interessen ihrer Kollegen zu vertreten versucht haben. Dazu kommt, dass Wehsely zwei Jahre eine eingehende Untersuchung der Missstände in den islamischen Kindergärten Wiens behindert hat, was alle Vermutungen bestärkt, dass daran nicht nur fundamentalistische Betrüger und islamische Fanatiker schuld sind, sondern dass es da auch Verwicklungen hinein in den Wiener Behörden- oder Machtapparat gibt, dass Wehsely dem islamistischen Fundamentalismus sogar mit großer innerer Sympathie gegenübersteht. Noll ist zwar ein guter Anwalt, steht aber ideologisch links von den Grünen; zuletzt hat er für den Fall einer Hofer-Wahl sogar die 30er Jahre heraufbeschworen.

Sollte Kern die beiden wirklich nominieren, heißt das, er steht entweder selbst ganz weit links oder er wird vom linken Parteiflügel erpresst. Was im Ergebnis egal ist.

Die ÖVP dürfte es jedoch in keinem Fall egal sein. Sie dürfte, wenn sie auch nur minimale politische Vernunft (und Hoffnung auf ein Antreten bei der nächsten Nationalratswahl) hat, keiner dieser beiden Ernennungen zustimmen.

Aber ist es nicht eine rein SPÖ-interne Frage, wen sie ernennt? Im Prinzip schon. Aber bei einer so gravierenden Richtungsänderung müsste ein Koalitionspartner mit Selbstachtung und Überlebenswillen dennoch Nein dazu sagen. Das wäre auch durchaus kein Novum. Auch in der Vergangenheit ist bei Regierungsbildungen und anderen Postenbesetzungen VOR Bekanntgabe von Namen Rücksprache mit dem Koalitionspartner gehalten worden. Und es sind daraufhin immer wieder Namen wieder zurückgenommen worden (ich habe das selbst einmal erlebt, als mich die ÖVP einmal für eine Kommission gefragt hat, dann aber die SPÖ ein Veto eingelegt hat).

Und was werden Kurz, Lopatka und Blümel machen?

Es gibt freilich wenig Zweifel, wie sich Mitterlehner da in den nächsten Tagen verhalten wird. Ein paar brummige Worte, aber ohne jede Substanz. Inzwischen zitieren zwar schon reihenweise deutsche CDU-Politiker Österreich als abschreckendes Beispiel gegen die Weiterführung einer großen Koalition. Aber Mitterlehner ist auch für das taub.

Viel interessanter und relevanter wird sein, wie lange sich die Partei das noch gefallen lassen wird. Sollten die Herrn Kurz, Lopatka, Blümel und all die anderen, die so ähnlich denken wie die drei, die also eine junge und klar liberalkonservative Renaissance der Volkspartei verkörpern könnten, wirklich konsequent und mutig sein, dann würden sie jetzt die Konsequenzen ziehen und sagen : „Ohne uns“.

Nur so haben sie die Chance, die Partei in ein oder zwei Jahren zu übernehmen und sie vor der endgültigen Vernichtung bei den nächsten Wahlen zu retten.

Aber nur so.

 

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