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Erdogan: Was die wirkliche Sauerei ist

Auch wenn es viele nicht so sehen: Ich halte es auch aus der Distanz ruhiger Überlegung weiterhin für richtig, dass die deutsche Bundeskanzlerin grünes Licht zu einem Strafverfahren gegen Fernsehmoderator/Satiriker Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan gegeben hat. Trotz der durchaus nicht substanzlosen Kritik, die dagegen ja aus zwei ganz verschiedenen Ecken kommt: Die einen sprechen einem islamistischen Semidiktator wie Erdogan jede zu schützende Ehre ab und sehen die Anklage als Einknicken gegenüber einem cholerischen Monomanen. Die anderen meinen, in Medien, als Satire sei alles möglich. Hinter diesen zwei Debatten verbirgt sich freilich eine andere, viel größere Sauerei.

Trotz der nunmehrigen Einleitung des Strafverfahrens gegen Böhmermann ist es möglich, wohl auch wahrscheinlich, dass dieser letztlich freigesprochen wird. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Entscheidung Angela Merkels (gegen den Widerstand der SPD), grünes Licht für das Verfahren zu geben. Aus mehreren Gründen:

  1. Über strafrechtliche Vorwürfe sollten immer Gerichte und nicht eine Regierung entscheiden. Alles andere widerspricht der Gewaltentrennung. Daher ist aber auch der Plan des deutschen SPD-Justizministers Maas richtig, diesen Paragraphen überhaupt abzuschaffen, der eine Verfolgung der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes an die Zustimmung der deutschen Regierung bindet (In Österreich gibt es so etwas ohnedies nicht).
  2. Auch ein übler Politiker, wie Erdogan einer ist, sollte sich erfundene und kränkende Behauptungen über sein Sexualleben oder seine Geschlechtsorgane nicht gefallen lassen müssen (auch wenn die meisten Politiker es klugerweise vorziehen, solche Behauptungen zu ignorieren). Böhmermann hat jedenfalls keine Wertungen und Urteile über Erdogan abgegeben (da muss sich ein Politiker alles gefallen lassen, auch völlig falsche Wertungen!), sondern Tatsachenbehauptungen.
  3. Man kann durch ein korrektes Verfahren, in der unabhängige Richter und eben nicht Politiker über heikle Causen entscheiden, der Türkei sogar ein Vorbild sein, wie mit solchen Dingen umzugehen ist. Und ihr auch zeigen, dass für Ehrenbeleidigungsdelikte nicht so absurde Strafen am Platz sind wie in der Türkei.
  4. Es wäre unerträglich, wenn etwas Strafbares nur deswegen straffrei bleiben würde, weil es sich als „Kunst“ oder „Satire“ deklariert. Wo wäre denn dann die Grenze für jede beliebige Falschbehauptung unter der tarnenden Behauptung, es sei ja Kunst? Welche Verleumdungen könnte man dann nicht ausstoßen, nur wenn man vorher oder nachher sagt: „Ist eh nur Satire“?
  5. Würde Berlin das Verfahren nicht erlauben, könnte Erdogan überdies mit seinen wehleidigen Behauptungen auf gefährlich viel Zustimmung stoßen, in Europa würden Ungerechtigkeit und Hass auf die Türkei oder den Islam herrschen.
  6. Würde Berlin das Verfahren nicht erlauben, würden sich wohl auch viele türkische Fanatiker zumindest subjektiv zu einem gewalttätigen Vorgehen legitimiert sehen, um das vermeintliche Recht in die eigene Hand zu nehmen.

An diesen nüchternen Erwägungen ändert auch der Umstand nichts, dass man (auch ich) emotional einem Typen wie Erdogan am liebsten jede Ehre absprechen würde. Einem Mann, der für die blutige Verfolgung der Kurden verantwortlich ist; der Medien und Journalisten unter den lachhaftesten Vorwänden verfolgt; der in jenem Land Demokratie und Meinungsfreiheit weitgehend abgedreht hat, das bisher noch zu den relativ modernsten islamischen Ländern gehört hat; der im Syrien-Konflikt und bei der Unterstützung des „Islamischen Staats“ eine üble Rolle gespielt hat.

Bedrückend ist freilich, dass zweifellos nicht nur die oben angeführten Erwägungen alleine die Entscheidung Merkels beeinflusst haben, sondern dass da auch ihre Abhängigkeit durch den schlimmen Deal bloßgestellt worden ist, den sie mit Erdogan davor abgeschlossen hat. Damit aber zeigt sich Deutschland als erpressbar. Und wer Erpressungen nachgibt, kann sicher sein: Er wird immer wieder erpresst.

Sehr gespannt bin ich, wie letztlich die Gerichte entscheiden werden (auch wenn das wohl noch lange dauern wird). Ich halte zwar eine milde Verurteilung Böhmermanns – etwa zu einer Geldstrafe – für angebracht, wahrscheinlich ist freilich ein Freispruch.

Das Dilemma der Justiz

Ein solcher läge auch in der Logik der deutschen (und österreichischen) Justiz. Denn diese hat in den letzten Jahren eigentlich Verleumdungen anderer Menschen durch die Kunstszene skandalöserweise immer pardoniert.

Ein besonders krasses Beispiel dafür hat sich etwa vor ein paar Wochen auf der Berliner Schaubühne abgespielt. Eine katholische Aktivistin und eine AfD-Politikerin sind dort nicht nur als Zombies dargestellt, sondern auch mit Massenmördern und Neonazis gleichgestellt worden. Die deutsche Staatsanwaltschaft fand das für legitim.

Würde Böhmermann jetzt verurteilt,  würde das bedeuten: Gegen Christen und rechte Politiker darf die linke „Kultur“-Schickeria alles, ein islamischer Diktator hingegen wird geschützt. Das wäre weder logisch noch gerecht. Aber das ist ein Dilemma, in das sich die Judikatur selbst gestürzt hat. Das nicht durch eine Regierung gelöst werden kann.

Im Grunde kann man sich nur eines wünschen: Die Gerichte sollten wieder einen minimalen Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen zur Richtschnur machen, wenn sie durch Faktenbehauptungen verletzt wird. Sowohl für einen ausländischen Moslem wie auch für einen europäischen Christen (sobald es um konkrete Menschen geht).

Im Strafrecht hat sich aber eine absurde Linie durchgesetzt: Geschützt werden – durch saftige Haftdrohungen – unter der Obhut der Linken stehende Gruppen (wie „Ausländer“ oder „Schwule“). Andere Gruppen absurderweise hingegen nicht. Ebenso bleiben konkret existierende Menschen und deren Würde weitgehend ungeschützt.

Eine verkehrte Welt.

Und die wird auch durch den in der Szene beliebten Satz nicht richtig, dass Kunst „alles“ dürfe. Denn wenn sie wirklich alles darf, dann wird sie früher oder später auch alles tun. Dann wird sich künftig alles Rechtswidrige für Kunst erklären, vom Beschmieren von Aslantenquartieren über die Störung von Gottesdiensten bis zum Banküberfall. Dann wird alles einfach zur „Kunstaktion“. Keine erfreuliche Perspektive.

 

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