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Wer einmal lügt… Selten hat sich ein Sprichwort so bewahrheitet wie beim Umgang der EU mit den Defiziten ihrer Mitgliedsländer, obwohl diese im Euro-Raum schlimme Auswirkungen auch auf alle anderen Länder haben. Das zeigt sich derzeit wieder einmal aus Anlass der „Bitte“ Spaniens, nicht bestraft zu werden, obwohl das Land wegen eines mit fünf Prozent überhohen Defizits eigentlich zwingend 2,1 Milliarden Euro Strafe zahlen müsste.
Jedoch weiß inzwischen jeder in Europa, dass auch Spanien keine Strafe zahlen wird müssen. Denn all die vielen anderen Staaten, die trotz gegenteiligen Versprechens überhöhte Defizite produziert haben, haben ja auch keine zahlen müssen. Etwa Frankreich an der Spitze.
Dabei hat die EU hoch und heilig geschworen, dass es diesmal mit absoluter Sicherheit erbarmungslose Härte gegen Defizitsünder geben werde, nachdem alle früheren Regelungen zahn- und wirkungslos geblieben waren. Nachdem sie letztlich von den EU-Gremien nie vollzogen worden waren. Als Folge ist es in den letzten zwei Jahrzehnten zu immer ärgeren Disziplinlosigkeiten gekommen (in Österreich "nur" seit acht Jahren). Das hat viele Staaten nach Ausbruch der Krise in untragbar hohe Defizite getrieben.
Daraufhin wurde 2011 eine Fülle komplizierter und hart klingender Regelungen erlassen, die großspurig „Sixpack“ oder „Stabilitätspakt“ getauft wurden. Dadurch, so gab man in Brüssel vor, habe man nun endlich funktionierende Disziplinierungsmittel.
Aber heute wissen wir, was wir von Anfang an geahnt haben: Auch die sind genauso wirkungslos wie alle früheren.
Begonnen hatte das Unheil schon vor Gründung des Euro Ende des vorigen Jahrtausends. Fahrlässig und wider die eigenen hoch beschworenen Maastricht-Regeln nahm man damals alle Länder in den Euro auf, die das verlangten, also auch die ärgsten Schuldenkaiser. Mit fadenscheinigen Begründungen hat man sogar Italien, Belgien oder Griechenland in den Euro hineingelassen, obwohl die alle drei schon damals eine Staatsverschuldung im Bereich dreistelliger BIP-Prozentsätze hatten (wobei – zumindest – Griechenland auch noch heftig geschwindelt hat!).
Dabei wäre laut den sogenannten Maastricht-Kriterien beim Eintritt in die EU nur eine Staatsverschuldung von 60 BIP-Prozenten erlaubt gewesen. Übrigens hat damals auch Österreich dieses Kriterium nicht erfüllt (es hat das nur noch einmal ein Jahr am Ende der Schüssel-Zeit geschafft). Aber schon damals war der politisch-rhetorische Opportunismus stärker als die selbst erlassenen Regeln und die wirtschaftliche Vernunft. Obwohl deren Missachtung unvermeidliche und schlimme Folgen hat, die auch dann eintreten, wenn man sie als einen bösen Neoliberalismus zu denunzieren versucht (so, als sei das Röntgenbild schuld am zerbrochenen Knochen).
Die EU- und Euro-Gremien haben aber auch nach Euro-Einführung auf die Umsetzung der neuerlich als zwingend angekündigten Konsequenzen verzichtet. Es waren ausgerechnet die Schwergewichte Deutschland und Frankreich die ersten , welche die Defizitregeln wiederum verletzt haben. Deutschland hat in der Folge unter Gerhard Schröder wenigstens mit der Agenda 2010 – trotz des erbitterten Widerstandes von Linken und Gewerkschaften – eine Sanierung geschafft. Frankreich hingegen hat weiterhin nur versprochen und geredet und sich aufgeplustert und versprochen und geredet. Was zugegeben Franzosen besonders gut können.
Nach dieser Vorgeschichte leerer, nie realisierter Drohungen gegen Schuldensünder ist es wenig überraschend, dass auch der nächste EU-Anlauf nach Ausbruch der Finanzkrise – Motto: „Jetzt machen wir aber wirklich ernst mit der Durchsetzung der notwendigen Budgetdisziplin“ – von niemandem mehr ernst genommen worden ist. Die Regierungen hatten vielmehr wie die Kinder inkonsequenter Eltern gelernt, dass sie all die Drohungen nicht zu fürchten haben, und einfach die EU-Beschlüsse ignoriert.
Ihnen waren einzig die eigenen Wähler wichtig. Und die sind nach Glauben der meisten Politiker süchtig und gierig auf immer neue Schulden und Wohlfahrtsausgaben (Das ist aber höchstwahrscheinlich eine Fehleinschätzung, weil die Mehrheit der Menschen durchaus vernünftiger ist, als Parteien glauben - wäre man nur ehrlich zu ihnen).
Zur Ehre der EU-Mitarbeiter sei gesagt, dass dort durchaus Zorn über das weiche, nie Ernst machende Verhalten der obersten EU-Politik und über die schmierigen Kompromisse insbesondere des Kommissionspräsidenten Juncker herrscht. Der Kabinettschef des für Wirtschaft und Finanzen eigentlich zuständigen Kommissions-Vizepräsidenten ist aus Protest gegen den von Juncker durchgedrückten milden Umgang mit Defizitsündern sogar zurückgetreten.
Spanien verletzt nunmehr seit nicht weniger als acht Jahren den Stabilitätspakt. Obwohl Madrid seit seinem Beitritt viele Milliarden an Struktur- und Kohäsionsgeldern aus Brüssel bekommt. Obwohl Madrid treuherzig noch in jedem Jahr verkündet hat, dass das Defizit im nächsten Jahr geringer würde. Mañana.
Andere Schuldnerländer, besonders laut auch Österreich, verlangen wiederum seit 2015 eine besonders skurrile Änderung der Regeln des Stabilitätspaktes: Alle Ausgaben für „Flüchtlinge“ sollen einfach vom offiziellen Defizit abgezogen werden. So, als ob Defizite, die man umtauft, keine Defizite, als ob Schulden, die man versteckt, keine Schulden wären. Als ob die – übrigens alle ursprünglichen Schätzungen weit übertreffenden – Ausgaben für „Flüchtlinge“ nicht durch Schulden, sondern durch eine nette Fee finanziert werden könnten.
Alleine Österreich wird in einem einzigen Jahr mindestens zwei zusätzliche Milliarden Euro zusätzlich wegen der Massenmigration ausgeben müssen, wie nun zugegeben wird. Das ist gewaltig, bedenkt man, dass die ganze so dramatische Einkommensteuerreform rund fünf Milliarden kostet und bis heute trotz schikanöser Änderungen bei anderen Steuern nicht annähernd gegenfinanziert werden konnte.
Die Sozialdemokraten – insbesondere die im Wiener Rathaus – wiederum haben gefordert, Investitionsausgaben einfach nicht in die Defizit-Berechnungen einzubeziehen. Womit der Schuldenmacherei endgültig alle Tore geöffnet würden. Denn natürlich müssen auch alle Straßen- oder Eisenbahn- oder Leitungs- oder Schulbauten durch Steuern beziehungsweise Schulden finanziert werden. Egal ob sie irgendwie artifiziell aus irgendwelchen Statistiken herausgerechnet werden oder nicht. Denn natürlich gibt es auch dafür keine gute Fee.
Ein anderer Trick einer immer nur semantisch kreativen Politik war, dass die EU nicht mehr von Defiziten und Schulden, sondern von „strukturellen Defiziten“ zu sprechen begonnen hat. Deren Berechnung war zwar nie objektiv nachvollziehbar, aber damit ließen sich rhetorisch wieder einmal Verschuldung und Defizite eine Zeitlang als harmloser beschönigen, als sie in Wirklichkeit sind.
Ein ähnlich mieser Schmäh war, als Finanzminister in der Phase davor gerne von einem „über den Konjunkturbogen“ ausgeglichenen Staatshaushalt schwadroniert haben. Da sie aber diesen Bogen nie definiert haben, war diese Formulierung ebenfalls bloß ein Trick, um scheinbar berechtigt Schulden zu machen. Aber ausgeglichen war da nie etwas, wie auch immer man den Bogen legte.
Die Bürger Europas haben gelernt und sind deshalb so zunehmend zornig: Fast alle Regierungen in der EU spielen mit intensiver Hilfe von Medien und regierungsfinanzierten Ökonomen immer das gleiche miese Spiel. Sie suchen kreativ nach semantischen Wegen, um immer noch mehr Schulden machen zu können. Sie denken nicht im Schlaf daran, einfach mit dem Geld auszukommen, das sie einnehmen. Und seit die EZB in Händen der südeuropäischen Schuldenfreaks ist, schöpft man das Geld überhaupt aus dem Nichts.
In das dafür im Gegenzug die Gegenwart alle Sparer und die Zukunft unserer Kinder gestoßen werden.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.