Was alles hinter den „Panama-Papers“ stecken dürfte
04. April 2016 12:20
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:00
Ich hatte eigentlich nie Zweifel, dass beispielsweise die Entourage rund um die Herren Putin oder Poroschenko oder sportliche Spitzenverdiener wie ein Messi über ausländische Konten, Briefkastenanwälte und Offshore-Firmen Finanzgeschäfte betrieben haben. Was in vielen Fällen wohl nicht ganz legal gewesen sein dürfte. Nur: Was heißt hier eigentlich genau nicht legal?
Nach russischem Recht? Nach ukrainischem Recht? Nach EU-Recht? Aber nicht nur aus diesem Grund sollte man die Mega-Aufregung, die rund um die sogenannten Panama-Papers jetzt über Nacht aufgebrochen ist, mit Ruhe und Gelassenheit analysieren. Wobei einige Dinge auffallen und zum Teil verblüffen:
- Das Ganze hat eine Dimension, zu der nur einer der ganz großen Geheimdienste der Welt imstande sein kann.
- Ohne einen harten Beweis zu kennen, so habe ich doch den starken Eindruck, dass das nach einem amerikanischen Gegenschlag zu den Aktionen der zumindest teilweise mit Russland kooperierenden Enthüller Snowden oder Assange aussieht.
- Eigenartig einäugig links ist der Kreis der deutschsprachigen Medien, die da von den unbekannt bleiben wollenden Informanten mit Unmengen an Daten versorgt worden sind: ORF, Falter, Süddeutsche. Wurden die ausgewählt, weil man sicher war, dass diese Medien wie ein Bluthund losziehen werden, wenn sie riechen, dass man den Reichen und Mächtigen ans Leder kann? Oder wollte man nur alle Spuren verwischen, indem man lauter bekannt antiamerikanische Medien als – scheinbare – Quelle benutzte? (wobei diese Medien wohl selber nicht genau wissen, warum ausgerechnet sie da eingeschaltet worden sind)
- Zwar besteht zu der Tatsache, dass gerade Falter und ORF bei den aus öffentlichen Kassen (laut Medientransparenzgesetz) an sie fließenden Mitteln alljährlich in Millionendimensionen bedient werden, sicher kein direkter Zusammenhang. Aber das fällt mir halt seltsamerweise genau in dem Zeitpunkt ein, da sich diese beiden Medien als moralische Aufdecker bejubeln.
- Vor allem: Warum steht bisher fast kein Name aus der Welt der größten Weltwirtschaft auf dem Pranger? Es ist doch extrem unwahrscheinlich, dass von China bis Spanien alle möglichen Leute Geld (auch) über Panama geschleust haben, nur aus dem reichsten Land der Welt nicht. Sollten da am Ende gute Wahlkampfspender geschont werden?
- Auffällig ist auch, wie sehr immer wieder solche Affären dann hochfliegen, wenn es den USA nutzt.
- Man denke an die aufgedeckten Bestechungsaffären durch Siemens, dessen wichtigster Konkurrent am Weltmarkt General Electric ist.
- Man denke an Schweizer Banken, die vielen Amerikanern beim Steuerhinterziehen geholfen haben und die dann durch Washington massiv unter Druck gekommen sind (wobei es interessanterweise kaum bekannt geworden ist, wer eigentlich die Amerikaner selbst gewesen waren, die ja in erster Linie von den Bankdienstleistungen profitiert hatten).
- Man denke an Airbus/EADS, den einzigen großen Konkurrenten von Boeing.
- Man denke an den österreichischen Eurofighter-Kauf, wo (neben Schweden) nur die USA mit einem ernstzunehmenden Konkurrenzangebot im Rennen waren. Und wo es wieder ausgerechnet ein Peter Pilz ist, dem ununterbrochen aus geheimnisvollen Quellen anrüchige Infos zugespielt werden.
Neben dieser politisch zentralen Frage „Wer ist der Täter?“, wer also hat diese gewaltige Datenmenge gehackt, dürfen natürlich die anderen Täter nicht vergessen werden. Also die mutmaßlichen Steuerhinterzieher und Geldwäscher, deren Namen jetzt durch alle Medien kursieren. Auch dazu einige Anmerkungen.
- Es ist an sich noch kein Delikt, im Ausland eine Briefkastenfirma oder ein Konto zu haben. Die diversen Strafbehörden werden daher noch viel Arbeit haben, jene Fälle herauszufiltern und wasserdicht zu beweisen, wo es um kriminelle und vor Gericht bringbare Machenschaften geht.
- In vielen Fällen – Russland&Co – wird es natürlich gar keine echte Aufarbeitung geben. Oder frühestens nach dem nächsten Regimewechsel.
- An allen anderen, die nicht vor Gericht kommen – ob unschuldig oder nur aus Mangel an Beweisen beziehungsweise sauberen Gerichten – wird aber jedenfalls auf längere Zeit ein gewisser Gestank haftenbleiben.
- Es kann durchaus Motive geben, sein Geld im Ausland zu haben, die nicht strafbar sind:
- man kann es vor der Familie geheim halten wollen;
- oder als Unternehmer vor der Gewerkschaft, die es ja fast mit Sicherheit erfahren würde, wenn da viel Geld auf inländischen Konten läge;
- oder vor den Medien, die ja ständig Rankings über die Reichen und Allerreichsten veröffentlichen, auf denen man etwa schon aus Sicherheitsgründen nicht aufscheinen will;
- wenn man ein Vermögen auf mehrere Länder aufteilen und so das Risiko streuen will (man denke an jemanden, der sein ganzes Geld in Hypo-Alpen-Adria-Anleihen oder argentinischen Staatspapieren investiert hatte...)
- man kann Sportler oder Künstler sein, der vor seinen (zahlenden) Fans oder den Klatschmedien schon gar nicht reich dastehen will.
Moralisch ist natürlich echte Geldwäsche und Kriminalität voll zu verurteilen. Und man sollte sich freuen, wenn da energisch dagegen vorgegangen wird.
Etwas differenzierter sehe ich allerdings die Steuerhinterziehung: Deren Motive sind zwar nicht legal, aber zumindest teilweise verständlich, wenn man sieht, wie die meisten Staaten schlecht und zum Teil korrupt mit dem Geld wirtschaften. Überdies sollten bei der Verurteilung von Steuerhinterziehung alle jene recht leise sein, die Handwerker oder Bedienerinnen an der Steuer und Sozialversicherung vorbei bezahlen. Denn sie haben in den eigenen Maßstäben das Gleiche getan, was die Großverdiener in ihren Dimensionen tun.
Jetzt warte ich ja nur, ob es auch aus der Finanzmetropole Singapur, wo manche österreichischen Politiker gute Geschäfte gemacht haben, Querverbindungen nach Panama gibt. Oder ob in Singapur das Geld sicherer veranlagt ist als auf dem Weg über Mittelamerika.
Irgendwie kann ich heute die vielen Amerikaner besser verstehen, die lieber einen politisch recht ahnungslosen Präsidenten haben wollen, als einen (und das sind alle anderen Kandidaten beider Parteien!), der Geldgebern verpflichtet ist. Donald Trump hat sich seinen Wahlkampf wenigstens selber finanziert.
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