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Österreich und Russland, die Ukraine und die Atombombe

Heinz Fischer hat sich – genauso wie vor einigen Wochen Reinhold Mitterlehner – bei einem Russlandbesuch in einen Wirbel hineingeredet. Er kritisierte irgendwie die europäischen Sanktionen gegen Russland, wollte aber auch irgendwie nicht für deren Aufhebung sein.

Das ist ein rhetorischer und logischer Spagat, an dem beide Herren gescheitert sind. Wieder einmal hat nur Außenminister Sebastian Kurz die richtigen Worte gefunden. Er sprach ausdrücklich auch von der „völkerrechtswidrigen Annexion“ der Krim, auch wenn das die Russen nicht gerne hören. Damit ist klar gesagt: Sanktionen schaden zwar allen Seiten – aber es liegt eindeutig an Russland und nicht Europa, Schritte zu setzen, damit die Sanktionen zu einem Ende kommen.

Ob man in Russland inzwischen langsam begreift, dass es sich mit dem Einmarsch langfristig vor allem selbst geschadet hat? Solches Herumgerede von Fischer und Mitterlehner wird freilich ein solches Begreifen nicht gerade beschleunigen.

Der Schaden durch die Annexion für Russland

Der strategische Schaden für Russland durch seine Ukraine-Politik ist ein mehrfacher, den sich kluge Köpfe in Moskau eigentlich auch in der Summe längst bewusst gemacht haben sollten:

  1. Die Militäraktion in der Ukraine ist enorm teuer.
  2. Teuer sind auch die ständigen Aufwendungen, um die besetzten Gebiete durchzufüttern, wo ja die meisten Einkunftsquellen (wie der Krim-Tourismus) kaputt sind.
  3. Die westlichen Sanktionen haben auch große direkte wirtschaftliche Schäden ausgelöst.
  4. Russland hat durch die mehrfachen Unterbrechungen der Gaslieferungen in die ukrainisch-europäischen Leitungen jenes Image verloren, das es sich in Jahrzehnten in Europa aufgebaut hat: nämlich jenes, trotz aller sonstigen eventuellen Divergenzen immer ein absolut sicherer Gasversorger zu sein. Europa baut deshalb seither fieberhaft alternative Versorgungsstränge (etwa auch mit Flüssiggas-Terminals) auf. Man verlässt sich nicht mehr auf Russland.
  5. Als Folge muss Russland jetzt versuchen, sein Gas zu viel schlechteren Bedingungen bei den Chinesen anzubringen.
  6. Die früher innerlich sehr uneinige Ukraine ist bei allen auch heute anhaltenden Kontroversen über Korruption und Wirtschaftsflaute wegen der gemeinsam gefühlten Bedrohung durch Russland innerlich spürbar zusammengewachsen.
  7. Russland wird auf sehr lange Sicht keine Chance mehr auf ein gutes Verhältnis mit der Ukraine haben.
  8. Die EU-Länder sind wenigstens wieder in einem Punkt einig: Sie sehen wieder viel stärker die Bedeutung einer gemeinsamen Verteidigung. Sie haben deshalb erstmals seit 20 Jahren ihre Militärbudgets wieder zu erhöhen begonnen (was freilich auch mit der islamischen Gefahr zusammenhängt).
  9. In Europa sind die Stimmen wieder verstummt – oder nur am extrem linken und rechten Rand noch hörbar –, dass man die USA nicht mehr zur eigenen Sicherheit hier bräuchte (was allerdings in den von Obama bis Trump immer isolationistischer werdenden USA nicht auf sonderliche Gegenliebe stößt, wo man längst lieber über den Pazifik als über den Atlantik auf das als besserwisserisch empfundene Europa blickt).
  10. Für Russland wie auch für Europa und Amerika ist ein indirekter Folgeaspekt der Aggression in der Ukraine aber das Allerschlimmste. Dieser besteht darin, dass viele Staaten auch in ganz anderen Regionen in den letzten zwei Jahren eine klare Lektion gelernt haben: Sie müssen Atomwaffen anschaffen, wenn sie sicher sein wollen. Die Ukraine hatte ja einst viele (ex-sowjetische) Atomwaffen auf ihrem Territorium. Diese hat das Land aufgegeben, als ihm 1994 in einem feierlichen Vertrag von Russland und den USA (noch einmal) die volle Souveränität – einschließlich der Krim – garantiert worden ist. Das war aber, wie sich nun herausgestellt hat, sobald die Ukraine atomwaffenlos war, für Moskau nur noch ein Stück Papier. Die Annexion der Krim durch Russland hat daher nicht nur die Ukraine, sondern viele Staaten an der Schwelle zur Atombombe gelehrt: Wenn du diese Waffe nicht hast, dann bist du auch nichts.

Diese Folge der Ukraine-Krise kann für Russland wie für Europa noch dramatisch werden: Von der Türkei bis zu noch radikaleren Islamisten wird derzeit mit Sicherheit intensiv verglichen, wie es der Ukraine ohne Atomwaffen gegangen ist, und wie es Nordkorea mit Atomwaffen geht. Die Schlussfolgerung ist leider eindeutig und bedrückend. Und sie hat wohl in vielen Ländern neue intensive, wenn auch geheime Forschungen an der Atombombe ausgelöst.

 

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