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Nach einem Macho-Volkstribunen eine Frau: Das wird interessant, was da Niederösterreich bevorsteht.
Außer in der Zugehörigkeit zur stärksten Landespartei der Republik sind sich Erwin Pröll und Johanna Mikl-Leitner nämlich nur in einem ähnlich: Sie sind nicht gerade Verkörperung der Kontinuität.
Bei Erwin Pröll äußert sich der Hang zur Diskontinuität in wilden Temperaments-Brüchen: Normalerweise zieht er zwar immer sanguinisch mit einem ständigen breiten Lachen durchs Land gezogen. Er pflegt dabei sämtlichen Landesbürgern amikal auf die Schulter zu klopfen, wie wenn sie schon seit Volksschultagen seine besten Freunde gewesen wären. Aber wehe, es passt ihm etwas nicht. Dann kann er blitzartig in großer Lautstärke cholerisch werden. Was neben allen Gerüchten um angebliche private Fehltritte wohl sein wirkliches Manko war und ist.
Mikl-Leitner ist alles andere als cholerisch. Sie bleibt immer kontrolliert und versucht immer den Eindruck zu erwecken, eine sehr klare Linie zu verfolgen. Jedoch: Das war fast jede Woche eine total andere Linie. Also auch hier keine Kontinuität.
So wechselte die Ministerin insbesondere von der Rolle einer Vorkämpferin für möglichst viele Asylwerber-Quartiere im ganzen Land in die einer vehementen Bekämpferin der Völkerwanderung. Trotz ihres Bemühens, bei jedem ihrer Auftritte Stärke zu zeigen, hat sie in der Summe lange mangels eines Roten Fadens und einer kontinuierlichen Linie keine überzeugende Glaubwürdigkeit gewinnen können.
Freilich: Ein großer Erfolg überstrahlt das Ende ihrer Laufbahn als Innenministerin: Das ist die Sperre der Balkanroute für die Völkerwanderung, die sie sich zusammen mit dem Außenminister zweifellos auf der Plusseite als historische Leistung gutschreiben kann. Das hätte vor ein paar Wochen niemand für möglich gehalten, das so etwas gelingt. Chapeau.
Mikl war dabei wohl auch deshalb so erfolgreich, weil sie neben dem von Anfang an klar positionierten Außenminister im neuen Verteidigungsminister erstmals einen Partner in der SPÖ hatte, der statt Ideologie gemeinsame Arbeit und vor allem die Interessen des Landes verfolgt, der auch persönlich mit der Innenministerin gut kann. Schade, dass dieses Duo nun auseinandergerissen wird.
Pröll wiederum kann sich zugute schreiben, dass sich das Land relativ entwickelt hat – auch wenn dafür in erster Linie das Versagen der Gemeinde Wien ausschlaggebend war. Diese hat ja durch Klassenkampfdenken und Schikanen viele Unternehmen und damit Wirtschaftskraft ins Wiener Umland vertrieben. Pröll hat aber auch selbst immer gewusst, dass letztlich die Wirtschaft das Entscheidende ist.
Und er war und ist ein Wertkonservativer, das sei ihm als dicker Pluspunkt gutgeschrieben. In der ganzen Bundesregierung gibt es keinen einzigen, auf den dieses Vokabel zutreffen würde, Dort gibt sich die ÖVP statt dessen einem dumpfen Modernitätsfimmel hin, der ein Hauptgrund ihrer Misserfolge ist.
Langzeit-Landeshauptmann Pröll kann sich – zumindest in parteipolitischer Perspektive – noch einen weiteren Erfolg gut schreiben: Er hat sämtliche anderen Parteien in Niederösterreich fast bis zur Bedeutungslosigkeit zertrümmern können. Er hat sie entweder erstickend umarmt oder wild bekämpf oder total ins Leere laufen lassen.
Pröll hat dabei ein zentrales Prinzip der repräsentativen Demokratie erkannt und realisiert (auch wenn das im eigentlichen Sinn alles andere als demokratisch ist): Man muss, um in der Politik erfolgreich zu sein, immer einen Feind haben, gegen den man gezielt emotionalisieren kann. Nur so kann man gerade als Bürgerlicher die eigenen Anhänger mobilisieren. Feinddarsteller für Pröll war einige Male die niederösterreichische SPÖ, das war bei der letzten Wahl Frank Stronach. Die FPÖ hingegen ließ er in Niederösterreich bisher gar nicht so hoch kommen, dass er sie einer Feindschaft für würdig gehalten hätte.
Hauptfeind Prölls war eine Zeitlang gar keine Konkurrenz-Partei, sondern der Semmering-Tunnel. Mit dessen Verteufelung bestritt er mehrere Wahlgänge erfolgreich. Er schreckte dabei nicht einmal vor der hanebüchenen Aussage zurück, dass durch ein Loch im Berg das ganze Wasser aus diesem ausfließen würde. Und es schadete ihm seltsamerweise auch nicht einmal, dass der Tunnel neuerdings doch gebaut wird. Und zwar problemlos. Mit seiner Zustimmung, aber um Milliarden Steuergeld teurer…
Sachlich und intellektuell war das ein Irrsinn. In Sachen politischer Strategie und Marketing war das Gesamtkunstwerk Pröll aber Weltklasse. Er hat damit alles übertroffen, was die ÖVP in den letzten Jahrzehnten parteistrategisch geschafft hat (mit Ausnahme des Schüssel-Wahlkampfs 2002, als dieser ebenfalls einen klaren Feind definiert hatte, nämlich die Unzuverlässigkeit des blauen Koalitionspartners nach Knittelfeld. Mit seinem glaubhaften Zorn darüber konnte Schüssel den größten Nachkriegs-Zugewinn einer Partei einfahren).
Noch problematischer als die Semmering-Geschichte ist, dass Pröll – zusammen mit anderen Landesfürsten, insbesondere Michael Häupl, – immer erfolgreich verhindert hat, dass es zu einem sinnvollen Umbau des Föderalismus-Gerüsts der Republik kommt. Der müsste zweifellos darin bestehen, dass die Länder alles Geld, das sie ausgeben, auch selber einnehmen müssen. Sonst geben sie immer viel zu viel aus. Manche westliche Bundesländer waren und sind da auch durchaus zu einer sinnvollen Reform bereit, Pröll nicht.
Diese Konfrontation mit dem Bund hat der niederösterreichischen ÖVP geholfen, Österreich jedoch nicht. Von dessen Erfolg hängt aber letztlich auch Niederösterreich mehr ab als von landesegoistischem Bassena-Streit.
Dennoch zeigt gerade diese seine Stärke-Demonstration, dass Pröll höchstwahrscheinlich ein guter ÖVP-Obmann oder Minister geworden wäre (weniger ein guter Bundespräsident). Aber er wurde es nicht und er kämpfte statt dessen halt immer nur für Partikularinteressen.
Minister, Innenminister wird jetzt Finanzlandesrat Sobotka. Das ist derzeit eines der schwierigsten Ämter dieser Republik, was einen Wechsel besonders heikel macht.
Faktum ist: Sobotka hat für diese Aufgabe keine einschlägige Vorprägung. Freilich gilt das auch für alle seine Vorgänger. Innenminister kann man nicht einfach irgendwo lernen.
Den großen Schatten auf seiner bisherigen Karriere – den suboptimalen Umgang mit Wohnbaugeldern – kann Sobotka jetzt zu seiner Erleichterung wohl ein wenig zurücklassen. Das viel größere Fragezeichen über seiner Zukunft ist aber: Wird Sobotka so, wie es Mikl in den letzten Wochen geschafft hat, eine gute Zusammenarbeit mit Doskozil aufbauen können? Seit es auf SPÖ-Seite erstmals einen echt an der Sicherheitspolitik Interessierten gibt, kann diese funktionieren. Oder wird Sobotka seiner bisherigen Prägung treu bleiben? Und die war halt die einer konsequenten Machtpolitik, die in Niederösterreich mit seiner absoluten ÖVP-Mehrheit allerdings auch nicht auf andere Parteien Rücksicht nehmen muss. Kann Sobotka Partnerschaft?
Solch allzuenges Zusammenspiel zwischen den Parteien ist in vielen Politikbereichen zwar gar nicht notwendig; es ist in Finanz- und Wirtschaftsfragen sogar schädlich und teuer. Allzu viel Konsenspolitik führt auch oft zu übler Mauschelei.
Jedoch in der Sicherheitspolitik sollte Konsens, sollte Zusammenarbeit absolut oberstes Gebot sein.