Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Der Präsidentschafts-Wahlkampf setzt nun mit voller Intensität ein, nachdem bisher nur der Freiheitliche Norbert Hofer allein zwei Wochen lang mit seinen Plakaten das Straßenbild „verziert“ hat (was besonders während der Ostertage nicht gerade schlau war). Fünf Vollprofis und ein Boulevard-Kasperl gehen in ein Rennen, das für alle bis auf Richard Lugner völlig offen ist, so offen wie noch nie. Eine erste Zwischenbilanz ergibt schon etliche überraschende und überwiegend positive Erkenntnisse.
Die wichtigsten:
Die Besonderheit dieses Wahlkampfs führt für viele Österreicher aber auch zu einem subjektiven Problem: Noch nie ist ihnen eine Wahl-Entscheidung so schwer gefallen. Das zeigen nicht nur zahllose private Gespräche in den letzten Wochen. Das zeigen auch die Meinungsumfragen, die einer Hochschaubahn gleichen. Es gibt längst keine unerschütterlich treuen "Lager" mehr, auf die sich ein Politiker verlassen könnte.
Das lässt es aber auch immer deutlicher als Fehler von ÖVP und FPÖ erkennen, dass sich die nicht-linken Wähler nun zwischen drei Kandidaten entscheiden müssen. Was zur Folge haben könnte, dass beide linken Kandidaten in die Stichwahl kommen. Das versuchen diese beiden auch dadurch zu forcieren, dass erstaunlicherweise beide sich im Wahlkampf inhaltlich immer mehr rechts positionieren.
Insgesamt zeigen sich alle fünf sehr professionell und bemühen sich vor allem darum , keine Fehler zu begehen. Sie wollen nur Image ausstrahlen. Sie wollen, ein Bild abgeben, das möglichst jenem Bild gleicht, welches die Österreich in ihrem Inneren von einem künftigen Bundespräsidenten haben.
Nur: Wie sieht dieses Bild aus? Das weiß niemand wirklich genau. Im Grunde ist es nämlich sehr widersprüchlich.
Viele Österreicher träumen auf der einen Seite immer noch von einem Ersatzkaiser, der im allgemeinen Konsens agiert, der alles regelt. Man denke nur, wie viel Tausende persönliche Bittschriften und Wünsche an den Bundespräsidenten regelmäßig herangebracht werden. Da wirkt immer noch die geniale PR-Strategie eines Franz Joseph nach, der in der ganzen großen Monarchie den Eindruck verbreiten ließ, dass jeder, auch der einfachste Untertan, bei ihm eine persönliche Audienz erhalten kann, und dass dabei dessen Anliegen auch positiv erledigt wird. Immerhin residieren auch die republikanischen Staatsoberhäupter in der kaiserlichen Hofburg. Immerhin hängt dort jede Menge Habsburger an den Wänden (obwohl man im Furor der Republiksgründung die Habsburger einst außer Landes geschmissen und sie für das Amt des Bundespräsidenten per Gesetz als unwählbar erklärt hat).
Auf der anderen Seite ist das Vertrauen in die gesamte politische Klasse so gering wie noch nie. Die Menschen haben in ihrer Mehrheit zunehmend nur noch Verachtung für sie und die Regierung im besonderen. Auch die 180-Grad-Wendung in der Flüchtlingsfrage hat das Vertrauen keineswegs wiederhergestellt. Denn auch wenn die Regierung jetzt plötzlich im Konsens mit 80 Prozent der Bevölkerung agiert, sind die Österreicher nicht so dement, vergessen zu haben, dass insbesondere der Bundeskanzler im Vorjahr ständig das absolute Gegenteil seiner jetzigen Aussagen kommuniziert hat. Glaubwürdig wird man so nicht.
Wie soll da ein Bundespräsident einerseits den kaiserlich-staatstragenden Konsens mit der Regierung mimen, indem er mit dieser hinter Tapetentüren alles einvernehmlich regelt, und andererseits zum erkennbaren Gegenpol einer unpopulären Regierung werden? Das als Kandidat beides gleichzeitig zu vermitteln ist eigentlich unmöglich. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass er dabei überdies vorgaukeln muss, das Verhalten des Präsidenten wäre wichtig, obwohl er in Wahrheit niemals gegen die Parlamentsmehrheit (=Regierung) Politik machen kann. Das hat lediglich Thomas Klestil einmal versucht. Und furchtbar Schiffbruch erlitten.
Freilich: Politik muss nicht nur in der gegenwärtigen Lage, sondern auch sonst oft den Spagat machen zwischen widersprüchlichen Wünschen der Bürger und überdies den objektiven ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Das gelingt ihr nur, wenn sie das Vertrauen der Bürger hat. Das aber hat die Regierung im Vorjahr total verspielt.
Letztlich wird es den Fünfen in diesem Wahlkampf daher wohl nicht viel nutzen, wenn sie wie Boxer von der ersten bis zur letzten Runde die Deckung hochhalten, um nur ja keinen Treffer zu erhalten. Um nur ja nicht Kante, Identität und Inhalte zu zeigen.
Das kann sich höchstens Van der Bellen leisten. Denn er wird jedenfalls die Stimmen der wirklich Linken bekommen, auch wenn er jetzt tonnenweise rechte Kreide frisst. Er kann ja automatisch rechnen auf:
Das reicht für ihn, um angesichts der Aufspaltung der übrigen 70 bis 80 Prozent Wählerstimmen auf vier Kandidaten ziemlich sicher in die Stichwahl zu kommen. Eher zweifelhaft ist hingegen, ob Van der Bellen bloß mit dem linken Eck die Stichwahl auch gewinnen kann. Wer auch immer sein Gegner sein wird.
Hingegen täten die beiden bürgerlichen Kandidaten Andreas Khol und Irmgard Griss extrem gut daran, sich vor allem in Sachen Migrationsstopp endlich klar und unmissverständlich zu äußern, wenn sie noch gewinnen wollen. Das haben beide aber bisher völlig unterlassen. Norbert Hofer wiederum täte gut daran, sich in vielen anderen Fragen – etwa seiner einseitigen Russland-Unterstützung – zu bewegen, um auch für andere Wähler außer den Hardcore-Freiheitlichen wählbar zu werden.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.