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Zerfällt die SPÖ?

In guten politischen Witzen steckt immer ein wahrer Kern. So auch in folgendem über die Wiener Gemeindebediensteten, den mir dieser Tage ein SPÖ-naher Bekannter erzählt hat: „Früher haben es die Beamten verheimlicht, wenn sie die FPÖ gewählt haben. Jetzt gibt man es mittlerweile nicht mehr zu, wenn man doch noch die SPÖ wählt.“

In der Tat: Durch das große, einst immer parteiloyale Wiener Beamtenheer – zu dem ja etwa auch Feuerwehrmänner, Müllabfuhr, Spitalsmitarbeiter und viele andere gehören – geht ein historisch einmaliger tiefer Riss.

Aber nicht nur durch dieses, sondern auch durch die Wiener Machtpartei selbst. Es wäre zu oberflächlich, ihn bloß an den handelnden Personen festzumachen. Zwar spielen diese eine wichtige Rolle. Aber letztlich sind die sich darunter abspielenden Kontinentalverschiebungen in der Wählerschaft noch viel spannender. In Wien brechen heute zwei Blöcke auseinander, die bisher eisern zusammengehalten und die Stärke der Wiener Sozialdemokratie garantiert haben.

Zwei Parteiflügel

Auf der einen Seite steht in Nachfolge der 68er Bewegung die Wiener Bobo-Szene. Das sind: Künstler, Uni-Angehörige, Medienleute (insbesondere im ORF), Feministinnen, die Hochschülerschaft, NGO-Funktionäre und viele, die im Rathaus oder in der Partei selbst unter Michael Häupl Karriere gemacht haben. Sie haben die Wiener SPÖ in den letzten Jahren fast zur Gänze übernommen. In der SPÖ und vielen von ihr kontrollierten Institutionen hat die 68er Bewegung den vor 40 Jahren angekündigten Marsch durch die Institutionen erfolgreich absolviert (erfolgreicher übrigens noch als in der deutschen SPD, wo es ja an sich ganz ähnliche Polarisierungen gibt). Streiten könnte man höchstens darüber, ob diese Übernahme als eine freundliche oder feindliche anzusehen ist.

Gewiss, die SPÖ wollte die universitär-künstlerische Bobo-Szene ob ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit nicht allein den Grünen überlassen. Sie hat aber mit ihr auch eine Reihe ideologischer Positionen übernommen, die der traditionellen Partei eher fremd waren, die aber in den letzten Jahren die Rathauspolitik total geprägt haben: Genderismus, Schwulismus, leistungsfreie Gesamt- und Inklusionsschulen, Antifa-Geschwurbel, Multikulti-Träume, Nadelstiche gegen Industrie und andere „Kapitalisten“, Nähe zur Freimaurerei und massive Unterstützung für Migration und Völkerwanderung.

Auf der anderen Seite stehen die traditionellen SPÖ-Wähler: Das sind vor allem Arbeiter und Pensionisten, also Menschen, die mit der neuen Ideologie der Wiener Parteispitze nicht sehr viel am Hut haben. Sie haben sich entweder der Partei langsam entfremdet – oder einfach lange die Bobo-Ideologieblüten ignoriert, weil ihnen ihre persönliche ökonomische Existenz wichtiger war. Die Parteiführung hat ihnen ja lange mit etlichem Erfolg einreden können, dass sie ihren Lebensstandard der Partei zu verdanken hätten (der in Wahrheit einzig Folge von Wirtschaftswachstum, Marktwirtschaft, technischem Fortschritt und Globalisierung ist). Die traditionellen SPÖ-Wähler werden ob dieser Einstellung von den 68er Bobos sogar gerne als „kleinbürgerlich“ verhöhnt.

Diese beiden Parteiflügel wurden bloß noch durch eines zusammengehalten: durch den Glauben, nur gemeinsam die Macht verteidigen zu können. Inhaltlich gab es nur eine einzige Gemeinsamkeit: Beide Parteiflügel sind Anhänger einer hemmungslosen Schuldenmacherei, die sich als Neokeynesianismus ausgibt. Hingegen ist jene Gruppe in der Partei, die einst auch die ökonomischen Notwendigkeiten gesehen hat (Vranitzky, Lacina, Androsch, viele SPÖ-Sektionschefs und Obersenatsräte, noch früher auch Olah und Benya), heute nicht mehr wahrnehmbar.

Stammwähler sehen sich bedroht

Jetzt aber sehen sich die roten Stammwähler in ihrer angeblich von der Partei auf ewig gesicherten persönlichen Existenz gleich doppelt bedroht:

  • Sie spüren erstens zunehmend die wirtschaftliche Labilität, das nun schon achtjährige Andauern der Krise, das Zurückfallen gegenüber dem Ausland, das Stagnieren der Einkommen, die – vor allem in Wien! – rasch wachsende Arbeitslosigkeit, das Schrumpfen ihrer Spareinlagen, das Schlechterwerden von Gesundheitsversorgung und Schulen, die wachsende Kriminalität, das Zurückbleiben des Wohnangebots gegenüber der Zuwanderung, die Sinnlosigkeit von teuren Scheinprojekten wie ständig neuen „Begegnungszonen“.
  • Das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat aber zweitens die wachsende Empörung der Stammwähler über die zunehmende Überfremdung ihrer gewohnten Wohnumgebung und der ganzen Stadt. Zuerst durch die Zuwanderung von sich rasch vermehrenden türkischen und arabischen Familien, und jetzt durch die überall, besonders auch in den Außenbezirken, das Straßenbild dominierenden Flüchtlinge. Sie spüren massiven Sozialmissbrauch und befürchten, dass damit auch das Wohlfahrtssystem für sie selber bedroht ist.

Zuerst hatte sich der Unmut in der SPÖ-Basis vor allem gegen den grünen Koalitionspartner gerichtet. Jetzt aber richtet er sich zunehmend gegen die in der eigenen Partei dominierende Ideologen-Partie. Diese wird durch die Namen Wehsely, Frauenberger, Oxonitsch, Mailath-Pokorny, Brauner und Schieder verkörpert. Dazu muss man übrigens auch den Altsozialisten Fischer in der Präsidentschaftskanzlei zählen.

Auf der anderen Seite, auf jener der Basis, schien lange nur der gemütliche Wohnbaustadtrat Ludwig (und die burgenländische SPÖ) zu stehen. Jedoch: Über Nacht haben auch noch zwei andere, viel mächtigere Herrn die Seiten gewechselt, ohne dass die Partei es zuerst überhaupt mitgekriegt hätte: die Herrn Faymann und Häupl. Noch im Wiener Wahlkampf im Oktober haben sich ja beide total als Exponenten der Linken gegeben. Sie sind damals vom Genderismus bis zur Völkerwanderung als Gutmenschen par excellence aufgetreten.

Plötzlich stehen sie rechts statt links

Wenige Wochen später stehen sie plötzlich zur Verblüffung der Partei ganz wo anders. Nämlich am rechten Parteiflügel, so als ob sie im Burgenland mit seiner sehr rechten SPÖ sozialisiert worden wären. Nach außen war erst der Schulterschluss mit der ÖVP bei der Begrenzung der Migration ein erkennbares Zeichen der Wende.

Diese totale Richtungsänderung an der Spitze einer eigentlich immer sehr ideologielauten Partei wurde freilich keine Sekunde mit der Basis kommuniziert. Es gab keine bekanntgewordenen Parteibeschlüsse dazu, geschweige denn einen Parteitag, der darüber abgestimmt hätte. SPÖ-Parteitage dürfen offenbar maximal über das Verbot des kleinen Glücksspiels entscheiden, aber nicht über grundlegende Richtungsfragen.

Dieser Kurswechsel wird mit Sicherheit noch etliche parteiinterne Nachspiele haben – so sehr die Richtungsänderung auch im Interesse Österreichs ist. Häupl und Faymann haben damit der Partei sehr viel zugemutet. Die Folge ist ein innerparteilicher Kriegszustand. Jetzt werden – von wem auch immer – Korruptionsaffären ausgegraben, die man bisher im gemeinsamen Interesse im Schrank gehalten hat. Jetzt wird es wohl auch Parteiaustritte geben.

Die Panik vor den Wählern

Was aber hat Häupl und Faymann überhaupt zu ihrem Positionswechsel bewogen? Vor allem bei Häupl ist der ja ziemlich verblüffend. Galt er doch eigentlich als der geistige Patron der Linken, während Faymann schon als eher opportunistisch einzuordnen war.

Entscheidend für den Kurswechsel war ganz sicher der immer massiver werdende Widerstand einer großen Mehrheit der Österreicher (auch in der eigenen Partei!) gegen den linken Pro-Völkerwanderungs-Kurs. Dies löste in der SPÖ die Panik aus, dass bei der Präsidentschaftswahl der SPÖ-Kandidat nicht einmal mehr in die Stichwahl kommt – was übrigens auch sämtliche Meinungsumfragen des Februars zeigen.

Freilich: Dieses wahltaktische Motiv ist dem ideologisch getriebenen Teil der Partei ziemlich egal. Daher scheint es für einige Parteiinsider nicht einmal mehr ausgeschlossen, dass die Partei auseinanderbricht, was ich allerdings noch immer für unwahrscheinlich halte (So wie – auf ganz anderer Ebene – auch in der EU ein wirkliches Auseinanderfallen trotz aller Krisensymptome am Ende wahrscheinlich doch nicht eintreten dürfte).

Aber immerhin ist ein Zerbrechen der SPÖ heute – im Gegensatz zu allen 150 Jahren davor – ein Szenario, mit dem sich manche ganz offen beschäftigen. Möglich ist etwa auch ein Wechsel eines Teils der SPÖ zu den Grünen, weil diese ja sehr ähnliche Ideologie-Positionen besetzen. Dort wartet freilich keine sonderlich strahlende Karriere. Dort sind ja kaum Posten zu besetzen.

PS: Wie steht es eigentlich in den anderen acht Bundesländern um die SPÖ? Das ist unterschiedlich – aber letztlich egal. Denn die SPÖ ist Wien und sonst nichts, außer die thematisch sehr eng agierende Gewerkschaft. Wenn die SPÖ zerbricht, dann würde das also in Wien passieren.

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

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