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Die chinesische Krise und wir

Wenn China hustet, bekommt Europa Fieber. Viele Europäer blicken panikerfüllt auf den gelben Riesen, dessen Wirtschaftswachstum mit weniger als sieben Prozent niedriger denn je seit Beginn des Kapitalismus ist. In Wahrheit aber zeigen sich im einwohnerstärksten Land der Welt nur Vorboten von Trends, die eigentlich längst Fixelement aller wirtschaftshistorischen Erfahrung sind.

Daher sollte man nicht allzu überrascht sein. Die vier wichtigsten dieser Trends:

  1. Der erste ist eindeutig positiv: Chinas Wirtschaft wechselt derzeit von der Imitations-Phase, in der legal wie illegal alles Europäische und Amerikanische nachgemacht wird, in ein entwickeltes Stadium, in dem immer mehr eigene Forschung und Entwicklung stattfindet. So gibt es mittlerweile aus China schon fast doppelt so viele Patentanträge wie aus den USA. Auch steigt der Anteil chinesischer Autoren in wissenschaftlichen Publikationen rasch an.
  2. Zum zweiten: Ein Rückgang des Wachstums nach mehreren Jahrzehnten heftigen Wachsens ist ganz normal. Auch Europa, Japan oder Südkorea können niemals wieder die hohen BIP-Wachstumsraten der 50er, 60er und 70er Jahre erreichen. In einer entwickelten Wirtschaft, in der die meisten Grundbedürfnisse gedeckt sind, findet nicht mehr wie bei krasser Unterentwicklung jedes zusätzliche Produkt auch Abnehmer. Nun eben auch in China.
  3. Zum dritten aber hängen den Chinesen noch viele Bleigewichte ihrer kommunistischen Prägung nach. Das ist insbesondere die gewaltige Überdimensionierung der defizitären Schwerindustrie. Diese ist ja immer Liebkind aller kommunistischen Staatsplaner. Auch in Osteuropa konnte die Reform erst funktionieren, als der Großteil der Schwerindustrie geschlossen worden ist. In China steht das noch bevor. Aber die Staatsführung zögert: Hängen daran doch Millionen Jobs. Deren Verlust wird extrem explosiv, wenn gleichzeitig das Wachstum zurückgeht.
  4. Noch gravierender aber ist das vierte Bleigewicht: Das ist die noch immer bestehende Allmacht einer einzigen Partei (woran die Tatsache nichts ändert, dass deren Ideologie nur noch hohle Rhetorik ist); das ist die dadurch gewaltige Korruption vieler mächtiger Parteikader; und das ist das ebenfalls durch die Einparteienherrschaft bedingte völlige Fehlen eines Rechtsstaats. Wenn Unternehmen auch legitime Ansprüche nur durch Bestechung von Richtern und Behörden durchsetzen können, dann ist das ein großes Wachstumshindernis, sobald die Wirtschaft differenzierter und entwickelter wird.

All diese vier Faktoren sind längst bekannte weltweite Gesetzmäßigkeiten. Daher darf man nicht allzu überrascht sein, wenn sie jetzt auch in China eintreten. Und man sollte ebensowenig überrascht sein, dass die zwei letztgenannten Faktoren noch für heftige Rumpelstrecken sorgen werden. Jedoch: Die anderen Staaten Ostasiens haben eine Generation davor gezeigt, dass man solche Rumpelstrecken ohne Katastrophe überwinden und dann auf ruhigere Straßen gelangen kann.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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