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Danke, Orbán Viktor!

Der ungarische Ministerpräsident hat nach allem, was man über den zu Ende gegangenen EU-Gipfel weiß, die entscheidende Rolle gespielt, dass die EU nicht auf die Erpressung der Türkei eingegangen ist. Noch nicht zumindest. Dafür ist Orban Victor (wie auf ungarisch Eigennamen gesprochen werden) großer Dank auszusprechen.

Auch wenn im Laufe des EU-Gipfels ständig neue Varianten der türkischen Forderungen durchgesickert sind, so ist eines absolut klar: Wenn sich die EU in einem so gigantischen Ausmaß von der Türkei erpressen lässt, dann ist ihr – oder vorerst: dann wäre ihr wirklich nicht mehr zu helfen.

Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Gründen, weshalb man auf die türkischen Forderungen nicht eingehen sollte:

  1. Die Türkei ist längst kein Rechtsstaat mehr;
  2. Geld darf es nur für die Betreuung und Verbesserung der Flüchtlingslager und nicht für die türkische Staatskassa geben. (Wäre hingegen sicher, was mit dem Geld geschieht, dann müsste es sogar – ganz ohne Deal mit Ankara – sehr viel EU-Geld für diese Lager geben);
  3. Es wäre ein verheerendes Signal, mit der Türkei einen riesigen Deal abzuschließen in den gleichen Tagen, da diese mit der Brutalität einer Diktatur unabhängige Medien stürmt und unabhängige Journalisten ins Gefängnis wirft;
  4. Es wäre ein verheerendes Signal, mit der Türkei einen riesigen Deal abzuschließen, seit diese den Kurden – den einzig effizienten Gegnern des Islamischen Staates! – im eigenen Land wie auch in der Nachbarschaft einen blutigen Krieg erklärt hat;
  5. Es gibt viele Beweise dafür, dass die Türkei selber ständig Benzin ins syrische Kriegsfeuer geschüttet hat und schüttet – was eine Belohnung der Türkei für die Wegschaffung der Flüchtlinge wirklich absurd macht;
  6. Es wäre völlig wahnsinnig, der Türkei für die Rücknahme der künftigen (nicht der schon in Europa befindlichen) Flüchtlinge im Gegenzug eine Direktabnahme von Syrern zu garantieren – und zwar im gleichen Ausmaß, da die Türkei Europa Syrer abnimmt. Das wäre nicht nur ein groteskes Ringelspiel. Das wäre auch ein aufgelegter Elfmeter für Ankara: Die Türken müssten nur dafür sorgen, dass möglichst viele Syrer illegal nach Europa kommen (die sie dann formell zurücknehmen), um dann bei der nächsten Drehung des Ringelspiels möglichst viele Syrer legal nach Europa abschieben zu können;
  7. Selbst wenn der Deal mit der Türkei funktionieren sollte, würden nicht nur mit Hilfe dieses skizzierten Ringelspiels viele Hunderttausende Syrer legal nach Europa kommen. Es würden dann sofort auch andere Schlepper-Routen etwa via Libyen und Italien massiv an Dimension zunehmen, um auch dort weitere Hunderttausende nach Europa zu schleusen;
  8. Es wäre beschämend und demütigend, wenn Europa für diesen dummen und grauslichen Deal überdies der Türkei sechs Milliarden Geld zufließen lässt;
  9. Es wäre noch schlimmer (und zweifellos ein weiteres Riesentor für illegale Immigration!), wenn die Türken dafür auch noch die völlige Visafreiheit für die ganze EU bekämen;
  10. Und es würde die EU endgültig zerreißen, wenn Ankara als Honorar für diesen dummen und grauslichen Erpressungs-Deal auch noch die EU-Mitgliedschaft bekäme.

Das alles hat Victor Orban vorerst mit seinem Veto verhindert (hinter dem sich vorerst etliche andere Regierungschefs geschickt verstecken). Freilich ist der türkeifreundliche Kurs von Angela Merkel damit noch keineswegs vom Tisch. Schon nächste Woche soll er erneut einen EU-Gipfel dominieren.

Müssen wir uns erpressen lassen?

Aber was tun, werden nun manche sagen. Ohne die Türkei lässt sich halt die Völkerwanderung nicht stoppen. Wir müssen uns daher ja doch erpressen lassen.

Nein, wir müssen nicht. Denn erstens lässt sich auch mit dem schmutzigsten Deal mit der Türkei nichts stoppen, weder die Tricks Ankaras noch die milliardenschweren Aktivitäten der Schlepper. Und zweitens lassen sich nie europäische Probleme  durch nichteuropäische Länder stoppen.

Das ginge vielmehr nur durch energische Maßnahmen und substanzielle rechtliche Änderungen in der EU selber. Das ginge nur durch jenes Modell, das Australien seit Jahren mit großem Erfolg anwendet. Das seit einem Jahr auf diesem Blog für Europa empfohlen wird (unabhängig von der Richtigkeit einer totalen Sperre der Balkanroute). Und das neuerdings auch schon von einigen europäischen Politikern, wie etwa dem tschechischen Präsidenten, empfohlen wird, auch wenn der EU-Gipfel noch weit davon entfernt ist.

Das australische Rezept lautet in Kürze (wieder einmal): Wo auch immer Asylwerber und illegale Immigranten in der EU aufgegriffen werden, so werden sie zurück in Lager auf griechischen Inseln gebracht (und wohl auch in militärisch geschützte Lager in Libyen). Dort werden sie auf Kosten der EU humanitär gut behandelt. Dort bekommen sie den Schutz, den sie laut unserer Gutmenschen suchen. Dort aber haben sie keine Chance, legal nach Europa zu kommen. Es sei denn, es gibt hier einen legalen Arbeitsplatz, bei dem ein Arbeitgeber auch für die sonstige Integration des genommenen Zuwanderers garantiert. Und die Zustimmung Griechenlands für diese Lösung könnte man sich dadurch erkaufen, indem den Griechen etliche Milliarden ihrer (großteils ohnedies uneinbringlichen) Schulden nachgelassen werden.

Wenn dieses Konzept realisiert wird, dann wird mit Garantie binnen kurzem die Völkerwanderung zu Ende sein. Aber Merkel will ja deren Weitergehen. Und der Rest der EU-Regierungschefs ist vor allem anderen feige.

PS: Manche Leser werden jetzt verwirrt sein, weil viele Medien in diesen Stunden von einem Teilerfolg des Gipfels reden. Aber den gibt es (zum Glück) nicht. Weil eben überhaupt (noch) nichts vereinbart worden ist. Und weil es auch nächste Woche mehr als fraglich ist, dass sich alle 28 zu einem so widerlichen und realitätsfernen Deal durchringen.

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