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Nordkorea: total rational

Die Welt hat recht: Nordkorea arbeitet trotz seines Leugnens fieberhaft an Atomraketen. Die Welt hat unrecht: Nordkorea handelt alles andere als so irrational, wie jetzt vielfach behauptet wird. Und die Welt weiß, will es aber offensichtlich nicht laut zugeben: Es gäbe nur eine einzige wirksame Sanktion gegen Nordkorea.

Man kann zwar nicht genau sagen, wie erfolgreich das abgeschlossenste Land der Welt wirklich bei der Entwicklung zielgenauer Raketen ist, die atomares Unheil in fremde Länder bringen könnten. Aber man kann sehr genau sagen: Nordkorea handelt – im Rahmen der Interessen seines Diktators – total rational.

Denn der Herr Kim mit der infantilen Frisur sieht ringsum:

  • Auch im 21. Jahrhundert ist letztlich nur die militärische Stärke entscheidend.
  • Er sieht: Seit Russland dem syrischen Staatschef Assad militärisch intensiv zur Seite steht, hat sich der Kriegsverlauf in Syrien ins Gegenteil entwickelt.
  • Er sieht: Seit die Ukraine keine Atomwaffen mehr besitzt, gelten all die feierlichen Garantien für die Integrität der ukrainischen Grenzen nicht mehr.
  • Er sieht: Die militärische Überlegenheit Chinas ermöglicht dem Land zum Zorn mehrerer anderer südostasiatischer Länder die Eroberung und Kontrolle wichtiger Inseln, die dem Reich der Mitte bedeutende Ölquellen verschaffen.
  • Er sieht: Ohne seine militärische Stärke und vermutlichen Atomwaffenbesitz wäre Israel schon oft von den Arabern komplett erobert worden.
  • Er sieht hingegen nicht: eine wirksame Weltordnung, die Frieden und Recht global garantieren würde.

Daher ist es für Kim Jong-un völlig rational, selbst auf militärische Stärke zu setzen. Und deren Inbegriff sind eindeutig Atombomben. Das ist rationales Machtverhalten, auch wenn der Mann ebenso wie sein Vater und Großvater (sowie die meisten Diktatoren) schwer paranoid ist.

Gleichzeitig ist Nordkorea jenes Land der Welt, gegen das Wirtschaftssanktionen am allerwenigsten helfen. Denn wenn sich ein Land selbst total isoliert, wenn es von sich aus mit der Außenwelt möglichst nichts zu tun haben will, dann kann man es mit solchen Sanktionen nicht treffen.

Nur eine einzige Reaktion auf Raketen- und Bombenentwicklung wäre ein wirksame Sanktion: Die militärische Zerstörung von Raketenabschussrampen und atomaren Anlagen. Das wäre den USA relativ einfach möglich. Sie werden das aber nach ein paar Tagen der Proteste, Drohungen und Erfindung neuer Sanktionen (wieder) nicht tun. Haben doch die Amerikaner letztlich den Aufbau atomarer Kapazitäten auch in vielen anderen Ländern hingenommen. Israel, Indien, Pakistan, früher auch Südafrika: Immer hat sich dieses Spiel wiederholt.

Freilich: Mit jedem weiteren Land, das ungehindert zur Atommacht wird, wird die Verlockung für weitere Nationen noch größer, auch selbst eine solche zu werden. Irgendwann wird sie auch im Iran und in Saudi-Arabien übermächtig werden. Längst lässt sich daher die atomare Proliferation offenbar nicht mehr verhindern. So wünschenswert das wohl wäre.

Atommächte sind friedlicher

Aber auf der anderen Seite gibt es auch eine positive Seite dieser Entwicklung: Atomar gewordene Länder fühlen sich psychologisch sicher. Sie halten sich deswegen und wegen der befürchteten Folgen mit militärischen Abenteuern mehr zurück als in Zeiten vor der Atombombe. Denn im Grund muss jedes Land, jede politische Führung wissen: Setzt sie einmal die Atombombe ein, dann ist die eigene Vernichtung zu 99 Prozent gewiss. So weit reicht der amerikanische (oder gegebenenfalls russische) Atomschirm immer noch.

Das ist erstaunlicherweise seit 70 Jahren eine halbwegs funktionierende Friedensstrategie insbesondere für Europa gewesen. Sie hat nur zwei Schwächen:

  1. Was ist, wenn einmal wirklich ein Wahnsinniger in einem Atomland an die Macht kommt?
  2. Wie verhindert man dauerhaft einen durch bloße technische Pannen ausgelösten Atombombenangriff? Wie er ja in sowjetischen Zeiten beinahe passiert wäre und nur durch einen tapferen sowjetischen Offizier verhindert worden ist.

 

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